Bensheim. Ein Neujahr ohne Hamburg Blues Band ist wie Silvester ohne Champagner. Im Januar ziehen die erdigen Bluesrocker aus dem Norden seit Jahren in den Süden, genauer gesagt ins Musiktheater Rex. In Bensheim hat die Band um Sänger und Gitarrist Gert Lange nicht zum ersten Mal Station gemacht. Das Quartett zeigte sich in guter Form, wenngleich der krankheitsbedingte Ausfall der schottischen Sängerin Maggie Bell spürbar an der Dramaturgie gerüttelt hat.
Statt Bell übernahm Woodstock-Veteran Miller Anderson einen größeren Teil der Show. Mit dem 69-jährigen Schotten (Keef Hartley Band, T. Rex) ist die Formation seit 2012 eng verbandelt. Der Musiker verfeinerte den soliden Sound der Gruppe um geschmeidige, ausdifferenzierte Soli, ohne die Kollegen akustisch von der Bühne zu schubsen. Nostalgisch wurde es, als Anderson ein paar Perlen aus der persönlichen Musik-Biografie auspackte wie etwa "Little Man Dancing" oder den Hartley-Klassiker "Think It Over".
Eine Bank in der Hamburg Blues Band sind Schlagzeuger Hans Wallbaum und Bassist Michael Becker, die einen satten und geschliffenen Sound beisteuern, der perfekt zur Stimme von Gert Lange passt. Der Sänger konnte seine vokalen Möglichkeiten voll auspacken, sei es beim langsamen Blues "Fot On The Highway" oder beim Opener "RollinQ", als der Tonmann noch ein wenig korrigieren musste. Aber spätestens beim grandiosen "Just To Cry" war die Truppe akustisch wie musikalisch bestens justiert und servierte würzigen Hausmacher-Bluesrock, der auch nach über 30 Jahren nichts von seinem spröden Charme eingebüßt hat.
1982 hatte Lange mit der britischen Saxofonlegende Dick Heckstall-Smith die Band gegründet, die in der Folgezeit mit vielen Stars der Szene ein Verhältnis hatte. Darunter Chris Farlowe, Jack Bruce oder Clem Clempson. Von ihrem Kumpel Micky Moody (Whitesnake) hatte die Band den Song "Get Off My Back" ins Rex mitgebracht. Er war einer der Gaststars auf der 2013er "Friends For A Livetime"-Tour.
Mit Miller Andersons mitreißendem "City Blues" ging es in eine Pause, die keine war: Statt einer Unterbrechung überließen die Hamburger dem Schotten, seiner Gitarre und der noch immer kraftvollen Blues-Stimme die Rex-Bühne, wo dieser lässig eine Solo-Tour durch seine Vergangenheit startete. Darunter Ry Cooders wunderschönes "Across The Borderline", das von den Sehnsüchten mexikanischer Migranten an der amerikanischen Grenze erzählt. Es folge "Pictured Within" von Deep Purple, mit denen er als Gastmusiker auf deren 1999er Live-CD zu sehen und zu hören ist.
Nach diesem charismatischen Intermezzo ging wieder die Post ab. Gert Lange heulte kurz ein mondsüchtiges "Howlin' At The Moon", bevor Anderson wieder in edlen Antiquitäten wühlte und dabei einen der schönsten Songs des Abends hervorkramte: "The Boogie Brothers", das er 1974 mit der britischen Bluesrock-Gruppe Savoy Brown und seinen beiden Gitarrenkollegen Kim Simmonds und Stan Webb eingespielt hat. Und auch seine Parodien auf Johnny Cash, Bob Dylan und die BeeGees bei "All Night Long" waren das Salz in der Suppe, das in der ersten halben Stunde etwas sparsam zum Einsatz kam. Mit Wallbaums stoisch-cooler Jagd über Becken und Toms und Beckers kraftvollen Bass war am Fundament der Blueser aber in keiner Sekunde zu rütteln. Unterm Strich ein erlebenswerter Auftritt der Hamburg Blues Band, die in ihrem Genre auch nach 32 Jahren noch immer Weltklasse ist.
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