Bensheim. Die Rosskastanie im Bensheimer Stadtpark hat das Kaiserreich, zwei Weltkriege und so manchen Sturm überlebt – gegen holzzersetzende Pilze und letztlich den Klimawandel kämpfte der hölzerne Gigant aber vergebens. Vor ein paar Tagen wurde der mächtige und stadtbildprägende Baum gefällt.
Für die Spezialisten vor Ort war dies kein Auftrag wie jeder andere, immerhin war die Kastanie im Lauf der Zeit mehr als 30 Meter in die Höhe gewachsen und glänzte mit einem Stammumfang von mehr als 3,40 Metern. Ein harter Brocken, der 2009 vom Kreis in die Liste der Naturdenkmäler aufgenommen wurde.
Über das Alter des Gehölzes kursieren unterschiedliche Angaben. Als der Baum zum Naturdenkmal wurde, hieß es, er habe 140 Jahre auf dem Buckel. Demnach wäre er bei seiner Fällung gut 150 Jahre alt gewesen. Das Rathaus teilte indes am Freitag auf Nachfrage mit, dass die „Vitalität der circa 120 Jahre alten Kastanie in den vergangenen fünf Jahren merklich nachgelassen hat“.
Bereits seit 2015 sei durch die Baumgutachter der Befall von besagten holzzersetzenden Pilzen am Stamm und am Stammfuß festgestellt worden. Aus Gründen der Standsicherheit habe man deshalb 2018 die Krone reduziert, um „die Windlast des Baums zu verringern“.
Doch die heißen und trockenen Sommer in der jüngeren Vergangenheit haben nicht dazu beigetragen, dass es dem Baum besser geht. Zudem nahm der Pilzbefall zu: Brandkrustenpilz, Zunderschwamm und Hallimasch setzten dem Holz zu. „Die Schadsymptome haben stark zugenommen“, so die Verwaltung. Das Ende rückte damit näher.
Bei einer eingehenden Untersuchung in diesem Herbst wurden zudem sogenannte Schubrisse (vertikale Risse) im nördlichen Stammbereich festgestellt. Durch die Summe an Schädigungen sei damit die Standsicherheit des Baumes nicht mehr gewährleistet gewesen. In enger Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde blieb offenkundig nur noch der Ausweg Motorsäge. Im Frühjahr soll im unteren Stadtpark an gleicher Stelle ein neuer Baum gepflanzt werden.
Parasitenbefall keine Seltenheit
Wie schnell es mit dem stattlichen Exemplar letztlich zu Ende ging, zeigt sich auch daran, dass bei der Aufnahme als Naturdenkmal im Jahr 2009 die Verkehrssicherheit von den Experten mit der Note 3 beurteilt wurde. Das hohe Alter merkte man der Rosskastanie, die mehr als 200 Jahre alt werden können, damals kaum an.
Dass Naturdenkmäler von Parasiten befallen werden, ist keine Seltenheit. Der Mammutbaum vor dem Bensheimer Amtsgericht leidet an Astdürre, die durch den Schwächeparasiten Botryosphaeria dothidea ausgelöst wurde – ein Schlauchpilz, der ebenfalls von der Klimaerwärmung profitiert und in Hitzeperioden mit hoher Luftfeuchtigkeit gute Infektionsbedingungen vorfindet.
Im Kreis Bergstraße gibt es um die 150 Naturdenkmäler, die Zahl schwankt zwangsläufig. In Bensheim sind mehr als 20 registriert. Die Rosskastanie muss nun aus der Liste gestrichen werden. Nicht fehlen darf allerdings der Mammutbaum auf der Herrenwiese im Fürstenlager. Er ist mit 53 Metern einer der höchsten und ältesten Mammutbäume in Deutschland und Europa. Nach Auerbach kam er als Sämling Mitte des 19. Jahrhunderts aus England – als Hochzeitsgeschenk für Ludwig IV.
Neben den Tulpenbäumen, Winterlinden, Krüppelkiefern oder Platanen, die in Bensheim und den Stadtteilen erfasst sind, wird auch ein Granodiorit-Blockmeer samt Bachlauf nordöstlich von Gronau als schützenswert angesehen. Das Waldschluchtfelsenmeer habe einen besonderen Biotopcharakter, heißt es in der Begründung des Kreises. Granodiorit ist ein eng mit dem Granit verwandtes magmatisches Gestein.
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