Bensheim. Aus dem Trio wurde ein Duo: Die Rathausspitze in Bensheim besteht künftig aus der Bürgermeisterin und der Ersten Stadträtin. Die Stelle des zweiten hauptamtlichen Stadtrats, von Adil Oyan (Grüne) bis zu seinem Abflug nach Groß-Gerau besetzt, gibt es nun auch offiziell nicht mehr. In der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag sprach sich eine deutliche Mehrheit für eine entsprechende Änderung der Hauptsatzung aus.
Eine Überraschung war diese Entscheidung, verbunden mit der Absage an die Einberufung eines Wahlvorbereitungsausschusses, nicht. Ein kleines bisschen unerwartet war vielmehr die Vehemenz, mit der die Debatte geführt wurde, in der es letztlich nicht nur um die Formsache ging, sondern die Frage, wie in der Verwaltung künftig gearbeitet werden soll – Sticheleien und verbale Querschüsse wie immer inklusive.
Mehr Eigenverantwortung
Aber der Reihe nach: Eingefordert hatten die Satzungsänderung die Koalition aus CDU, SPD und FDP sowie die FWG. Das Dreier-Bündnis hatte sich nach der Kommunalwahl 2021 schon darauf verständigt, den Posten nach Ablauf von Oyans Amtszeit (im November 2023) nicht mehr zu besetzen. Die Wahl des Grünen-Politikers in Groß-Gerau machte nun einen früheren Vollzug notwendig.
Rolf Tiemann (FWG) blickte kurz auf die Bemühungen der Oppositionsparteien in der Vergangenheit zurück, den zweiten Hauptamtlichen zu streichen, und sprach in diesem Zusammenhang von den „üblichen politischen Tauziehen um Posten“.
Grundsätzlich konstatiert der Fraktionschef, dass eine Stadt in der Größe von Bensheim in der Lage sein sollte, mit einer Bürgermeisterin und einer Ersten Stadträtin die Verwaltung zu leiten – „und auf Basis der eigenverantwortlichen, fachkompetenten Tätigkeit der Mitarbeiter und Abteilungsleiter“. Bei Spitzen- und Wahlbeamten hingegen sei das primäre Auswahlkriterium in der Regel die Parteizugehörigkeit. Erst danach geh es um die fachliche Qualifikation.
„Wichtiger sind hochmotivierte, hochqualifizierte und entscheidungsfähige Mitarbeiter“, so Tiemann. Diese gebe es seiner Erfahrung nach im Rathaus. Dort bestehe jetzt die Chance und Notwendigkeit einer umfassenden Aufgabenkritik, um Abläufe zu optimieren. Das sei zeitaufwendig und bedeute in der Übergangsphase mehr Arbeit, außerdem bräuchte man dafür seiner Ansicht nach externe Unterstützung.
„Zur Lösung dieser Probleme reicht es jedoch nicht, einfach mehr Mitarbeiter einzustellen. Dies führt nur zum Aufblähen der Verwaltung und behindert und verhindert das Aufdecken und Abstellen von Blindleistungen und Verschwendungen“, bemerkte Tiemann.
Tobias Heinz (CDU) hätte sich gewünscht, dass der Magistrat frühzeitig auf die Koalition zugeht, weil klar gewesen sei, dass die Stelle nicht mehr besetzt werden soll. Der Fraktionsvorsitzende hob hervor, dass die Bündnis-Partner keinen Anspruch auf den Posten erhoben, sondern vielmehr darauf verzichtet hätten. „Wir sehen es auch als positiv an, dass keine ehrenamtlichen Stadträte im größeren Umfang mit Dezernaten betraut werden. Damit haben wir keine besonders guten Erfahrungen gemacht.“
Nicht mehr ausgeben als vorher
Es gehe zudem weniger um Einsparungen, das sei nicht der Kern des Anliegens. Es gehe um die Konstellation, die sich aus den Mehrheitsverhältnissen ergebe. „Es kann aber nicht sein, dass man mehr Ausgaben hat als vorher“, so Heinz. Aus Sicht der CDU bleibt es dennoch denkbar, drei Hauptamtliche zu haben. Da müsse man schauen, wie es jetzt funktioniert. Es könne gute Gründe künftig geben, wieder auf drei zu wechseln. In der jetzigen Situation der Stadt sei es jedoch leistbar, mit zwei Hauptamtlichen zu arbeiten.
Nach Meinung von Jürgen Kaltwasser (SPD) befindet sich Bensheim mit der Neuregelung an der Rathausspitze in guter Gesellschaft, wenn man sich in der Region und darüber hinaus umsieht. Gegenüber Magistrat und Verwaltung gab der Fraktionschef aber das Versprechen ab, „im Zuge der Haushaltsplanung und Stellenplanberatung natürlich eingehend über die möglichen Auswirkungen zu sprechen, die die heutigen Beschlüsse auf Verwaltung und Leitungsebene haben“. Über die Bildung eines Wahlvorbereitungsausschusses müsse man nicht reden, denn dieser werde durch die Änderung der Hauptsatzung obsolet.
„Die FDP hat endlich ihren alten Antrag durchsetzen können“, freute sich Thorsten Eschborn. Für die Einführung eines zweiten hauptamtlichen Stadtrats habe es keine arbeitstechnischen Gründe gegeben. Das sei eine rein politische Entscheidung vor vielen Jahren gewesen. „Es gibt eigentlich 39,5 Stunden, die von einem hauptamtlichen Stadtrat abgeleistet werden. Arbeitstechnisch gibt es nicht mehr und nicht weniger zu tun.“ Die repräsentativen Aufgaben könnten die Bürgermeisterin und die Erste Stadträtin „mit ihrem Charme“ (Eschborn) doch hinkriegen.
Dieses leichte Nachtreten vor allem gegen den bisherigen Dezernenten und dessen Arbeitsleistung ahndete Christine Klein als persönliches Foul, ging zum Gegenangriff über und erläuterte exemplarisch einen ihrer Arbeitstage: Beginn 8 Uhr, um Mitternacht Feierabend und am nächsten Morgen um 5.30 Uhr wieder angefangen. „So ein Job ist kein Job mit 39,5 Stunden. Da irren Sie extrem.“ Es gebe viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die aufgrund der hohen Belastung Burn-out bekämen oder herzkrank werden. Es sei auch nicht nur mit der Fünf-Tage-Woche getan, vor allem mit repräsentativen Terminen am Wochenende. „Da sehe ich mich in der Pflicht den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, aber das muss alles mitgedacht werden“, so Klein. Die Äußerungen von Eschborn bewertete sie daher als leichtfertig.
Die Abstimmung über die Änderung der Hauptsatzung und die Einberufung des Wahlvorbereitungsausschusses fiel am Ende der Debatte (siehe weiteren Bericht) erwartungsgemäß aus. Die Streichung der zweiten hauptamtlichen Stelle befürworteten alle Fraktionen mit Ausnahme der Grünen. Gegen den Wahlausschuss votierten ebenfalls alle Fraktionen, mit Ausnahme der Grünen. In deren Reihen enthielt sich Thomas Götz.
SPD-Chef Jürgen Kaltwasser nahm nicht an der Abstimmung teil, weil er diese nach dem vorangegangenen Beschluss für unnötig erachtete.
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