Bensheim. Vor wenigen Wochen – am 18. September – war „World Cleanup Day“. Weltweit wurde zur Beseitigung von Umweltverschmutzung und Plastikmüll mobilisiert. Während des seit 2018 am dritten Samstag im September terminierten Aktionstags sind Millionen von Mitmachern in 180 Ländern auf Straßen, in Parks, an Stränden und in Wäldern unterwegs, um achtlos weggeworfenen Unrat einzusammeln und zu entsorgen.
Die Bensheimer Gruppe CleanUp646 hat mitgemacht. Seit Anfang des Jahres sind zwischen vier und sechs junge Leute Anfang 20 regelmäßig in der Natur, „bewaffnet“ mit Greifzangen und Müllbeuteln. Und mit einem Adlerauge für alles, was dort nicht hingehört. Gegründet wurde CleanUp646 – die Ziffern verweisen auf die Postleitzahl – von David, der mit seinem Team vor kurzem rund um den Bensheimer Badesee marschiert ist. Bevorzugt sucht man dort, wo die kommunalen Reinigungstrupps nicht oder seltener präsent sind.
Aber auch an der Erlache, im Odenwald, am Lampertheimer Altrhein und am Mainzer Rheinufer waren einige der jungen Erwachsenen schon in ökologischer Mission unterwegs. Aus dem Niederwaldsee wurden vier Säcke Müll gefischt. Der Badesee nahe der Raststätte Bergstraße Ost ist ein Hot-Spot. Rechts und links der Autobahnen sammelt sich besonders viel Dreck an, sagt der Initiator, der Anfang September bei einer Aktion in Den Haag teilgenommen hat.
Denn Müll, der in die Nordsee gelangt, wird von den Ozeanen verschluckt, wo er großen Schaden anrichtet. David verweist auf verendete Tiere mit Plastikteilen im Magen. Achtlos fallengelassene Fast-Food- und Einwegverpackungen aus Plastik sind nicht nur ein unschöner Anblick – sie belasten die Umwelt zum Beispiel durch Einträge von Mikroplastik in Böden und Gewässer.
Die Gruppe besteht, wie man meinen könnte, nicht aus organisierten Umweltaktivisten oder Mitgliedern aus Naturschutzvereinen. Man hat einfach ein Problem erkannt und danach gehandelt. Ohne große Worte und ohne lange Planung. „Man braucht nur einen Greifer und einen Sack“, so ein anderer aus der Initiative, die in erster Linie andere motivieren will, es ihr gleich zu tun. Man will das Umweltbewusstsein der Mitmenschen schärfen und sie für das Müllproblem sensibilisieren. Die Gruppe bezeichnet das, was sie tut, als Statement. Und als Botschaft: „Jeder kann helfen, sofort“, sagt David.
Die Ausbeute ist enorm: Hunderte Zigarettenstummel, Plastikflaschen, Kunststoffdeckel und Styroporverpackungen sowie Einwegdosen, Kabel, Stecker und sogar komplette Autoreifen mit Felge haben die Aktivisten bereits aus dem Grünen mitgebracht. Bei der Entsorgung werden sie meistens von der Stadt Bensheim unterstützt. Ansonsten wandern kleinere Fundstücke in den Abfalleimer oder dorthin, wo sie hingehören: in den Recycling-Kreislauf. Zum Beispiel Glasflaschen oder Weißblechdosen.
Beim Sport Müll sammeln
Neben der klassischen Methode ist CleanUp646 auch sportlich unterwegs. Das heißt dann Pliking. Der Kunstbegriff setzt sich zusammen aus dem schwedischen Wort plocka – für Sammeln – und Biking. Es gibt aber auch Plogging, also Müllsammeln beim Joggen. Die saubere Alternative zum Walking nennt sich Plalking. Seit drei, vier Jahren gibt es bereits Stand-up-Paddler (SUPs), die in Seen und Flüssen Müll sammeln. Etwa auf der Alster, der Spree oder dem Neckar.
Neue Trendsportarten, die zugleich gut für Mensch und Umwelt sind. Untersuchungen von Sportwissenschaftlern zufolge sei das mit dem Plogging einhergehende Intervalltraining durch Stoppen, Bücken und Aufrichten eine positive Ergänzung des Laufens, weil dadurch zusätzliche Muskelgruppen beansprucht werden. Natürlich muss niemand mit einem Autoreifen um den Hals zum nächsten Wertstoffhof rennen, aber in einem kompakten Beutel oder einer kleinen Tasche lassen sich Kleinteile ganz gut mitnehmen. Die Szene ist kreativ. Jäger und Sammler sind vielseitig unterwegs. Von Passanten werden die Umweltreiniger fast immer lobend gegrüßt. Doch David möchte nicht ausschließen, dass mancher wohl gedacht haben mag, dass hier junge Leute ihren Sozialdienst leisten, die irgendetwas ausgefressen haben. Nein, die Saubermänner sind unschuldig (eine Dame war bei unserem Treffen nicht dabei).
Jüngster Müll-Trend sind übrigens Masken. Durch die Pandemie sind die Mund-Nasen-Bedeckungen mit der kurzen Lebenszeit zu einem echten Problem geworden. Aber auch Folie und Einweggrills (der Corona-Sommer lässt grüßen), Plastikdeckel und Batterien sind keine Seltenheit auf Wiesen und Wäldern. Nach einem entsorgungsreichen ersten Dreivierteljahr plant die Gruppe nun die Gründung eines Vereins. Dann sollen auch größere Aktionen organisiert werden.
Über aktuelle Einsätze informiert David auf Instagram: @cleanup646.
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