Bensheim. Erfolg für das Stadtmarketing: Mit seiner Bewerbung für den Landeswettbewerb „Ab in die Mitte“ belegte Bensheim - wie berichtet - unter 57 Städten und Gemeinden einen der vorderen Plätze. Am Freitag wurde die Kommune als eine von 17 weiteren in Schlüchtern ausgezeichnet und mit 15 000 Euro Preisgeld belohnt. Gewürdigt wurden Projekte zur Innenstadt-Belebung.
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Der Wettbewerb wird seit 22 Jahren vom Land Hessen veranstaltet und hat das Ziel, Innenstädte und Ortskerne zu stärken sowie den Einzelhandel, die Gastronomie , Dienstleistungen und Vereine sowie private Initiativen zu unterstützen. Der diesjährige Wettbewerb stand unter dem Motto „Lebe Deinen Raum“, insgesamt wurden Fördergelder in Höhe von 210.000 Euro verteilt.Mit dem warmen Geldregen aus Wiesbaden sollen in Bensheim verschiedene Projekte umgesetzt werden (wir haben berichtet).
Das große Ganze steht vor baulichen Details
Das erste fand bereits am Dienstag im Kultur- und Kongresszentrum vor 50 Gästen statt: Marion Reiser, Teamleiterin Stadtmarketing, begrüßte Philipp Beck, Geschäftsführer von „atelier 522“: Ein Büro für Strategie und Gestaltung am Bodensee, das die Disziplinen Architektur, Design, Marketing, Kommunikation und Grafik verzahnt und so die Komponenten Kreativität und Strategie miteinander verbindet.
Der Architekt sprach zum Thema „Innenstädte als Spielräume der Fantasie“ - und ging dabei weder auf Gebäude, Plätze oder die Herausforderungen des lokalen Einzelhandels ein. Für Beck geht es nicht um bauliche Details, sondern um das große Ganze.
Der Mensch spiele dabei die Hauptrolle, indem er Räume nicht nur definiert, sondern sie mit einer individuellen Wertigkeit und Identität auflädt, die letztlich auf das Gesicht einer Stadt abstrahlen. „Eine Innenstadt lebt von mutigen Menschen.“ Es sei unzweifelhaft, dass der stationäre Handel vor enormen Herausforderungen stehe. Der moderne Konsument mit Tablet und permanentem Onlinezugang müsse sich heute nicht mehr in die Innenstädte bewegen, um analog einzukaufen. Entscheidend sei deshalb das, was er in der City antrifft. Wer multisensuelle Erlebnisse schaffe und sich als guter Gastgeber bewähre, der habe bereits den ersten und wichtigsten Schritt für eine dauerhafte urbane Belebung getan, so Beck in Bensheim.
Gastgeberrolle hat bei der Innenstadt eine maßgebliche Funktion
Es gehe darum, Kontaktpunkte neu zu interpretieren und Orte der Begegnung in einer Dimension zu ermöglichen, die den Kunden als Mittelpunkt verstehen. Für Beck ist das Einkaufserlebnis die Summe vieler kleiner Aspekte, die zusammen ein markantes Profil ergeben und im besten Fall - wie das heute heißt - eine Geschichte erzählen.
Der Architekt, der mit einem über 50-köpfigen Team aus Wissenschaftlern und Künstlern an spannenden Projekten im europäischen Raum arbeitet, schreibt der Gastgeberrolle eine maßgebliche Funktion zu. Sie sei die Summe von Mensch und Raum - und beide Summanden seien untrennbar miteinander verbunden. Wobei das Gebäude in der Regel eine feste Größe ist, während der Mensch ein- und wieder auszieht.
Dem Stadtzentrum eine unverkennbare Note verleihen
Es kommen nun darauf an, dass der jeweilige Gastgeber seine Immobilie - gewerblich oder privat - so pflegt, dass für den Innenstadtbesucher ein positives Erlebnis entsteht. Dies sei nicht der Job des Stadtplaners, sondern zuallererst des Eigentümers. Sowohl im professionellen wie auch im privaten Ansatz müsse man Fläche als Spielwiese der Fantasie und Kreativität begreifen, die Umgebungen eine unverkennbare Note verleiht, die man mit allen Sinnen entdecken möchte.
Philipp Beck erläuterte in Bensheim zwei Projekte, die ihm besonders am Herzen liegen. Zum einen das Kolumbarium „Die Eiche“ im Herzen Lübecks: Ein Ort, an etwa 2000 Urnen eine letzte Ruhestätte finden und Angehörige eine neue Trauerkultur erfahren. Der Platz sei im Wortsinn merk-würdig, bleibe also als außergewöhnlicher Raum im Gedächtnis der Menschen.
Ursprünglich als Kornspeicher errichtet, gliedert sich der typisch hanseatische Klinkerbau in den Saum der Altstadt ein, über sieben Stockwerke haben die Planer eine Brücke geschlagen zwischen Geschichte und Moderne, zwischen Ästhetik und Funktionalität.
Auch das Gastro-Event-Konzept „Eatrenalin“ folgt diesem Ansatz. Seine Agentur hat das Erlebnisrestaurant in Rust realisiert, das jedes Menü in einem speziellen Themenraum inszeniert und so kulinarische Sensorik mit haptischer, visueller und akustischer Wahrnehmung verbinden will. Ein orchestriertes Arrangement als Gesamtkunstwerk, so Philipp Beck: „Der Initiator hatte die Fantasie, und wir haben die Bilder dazu gemalt!“
Genauso ticke letztlich auch Stadtentwicklung. Die Idee eines Einzelnen wirke sich unmittelbar auf das komplette Spektrum aus, der individuelle Impuls bestimmt die Empfindung des Kollektivs im urbanen Raum. Es gehe daher zuvorderst immer darum, sich zu fragen, was man selbst tun kann, um seine Stadt weiter zu bringen.
Im Anschluss wurden Becks Thesen in der Runde diskutiert und kommentiert. Die Veranstaltung beleuchtete ein komplexes Thema aus einem horizontalen Blickwinkel und hob damit auch den Bensheimer Diskurs zur innenstädtischen Weiterentwicklung auf eine andere Ebene.
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