Am Wegesrand

In der Bensheimer Jahnstraße lebte der berühmte Theaterkritiker Wilhelm Ringelband

In der Jahnstraße in Bensheim-Auerbach wohnte der bekannte Theaterkritiker Wilhelm Ringelband von 1944 bis zu seinem Tod 1981. Ihm verdankt die Stadt Bensheim die Ehre, jährlich den Gertrud-Eysoldt-Preis vergeben zu können.

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Eva Bambach
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In diesem Haus in der Jahnstraße wohnte Wilhelm Ringelband von 1944 bis zu seinem Tod 1981. Dem Theaterkritiker verdankt die Stadt Bensheim die Ehre, gemeinsam mit der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste jährlich den Gertrud-Eysoldt-Ring als Preis für schauspielerische Leistungen vergeben zu können. © Eva Bambach

In der Auerbacher Jahnstraße steht mit der Hausnummer 5 eine zweigeschossige Villa mit rotem Sandsteinsockel und Krüppelwalmdach, das in dem Verzeichnis der Kulturdenkmäler in Hessen auch als „Ringelbandhaus“ bezeichnet wird.

Hier wohnte der Bensheimer Theaterkritiker und Stifter des Gertrud-Eysoldt-Rings von 1944 bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1981. Erbaut wurde das Haus jedoch schon viel früher, nämlich in den Jahren 1906 bis 1908. Architekt war Wilhelm Nahrgang, ein etwas jüngerer Kollege und zunächst auch Konkurrent von Heinrich Metzendorf, der sich gegen diesen nicht wirklich durchsetzen konnte, nach dessen Tod aber im Auftrag Georg Metzendorfs die Arbeit von dessen älterem Bruder Heinrich Metzendorfs fortsetzte.

Kühle Handschrift des Architekten

Doch konnte der 1871 in Viernheim geborene Nahrgang auch schon zuvor mehrere Gebäude in Bensheim realisieren, darunter die das Straßenbild prägenden Häuser an der Seminarstraße 7 bis 13, erbaut 1912/13 mit klassizistischen Anklängen. Auch das Haus in der Jahnstraße trägt die vergleichsweise kühle Handschrift des Architekten.

Auftraggeber war nach Auskunft des Bensheimer Stadtarchivs der Staatswissenschaftler Dr. Karl Niels Wilhelm Emil Müller, der mit 41 Jahren als Privatier nach Auerbach zog – ganz im Sinne der auf Rentner und Privatiers ausgerichteten Ansiedlungspolitik der Bergsträßer Gemeinden. Müller verkaufte es an einen Herrn Otto Ernst Kraft; mehrere Jahre nach dessen Tod ging das Haus 1932 an Wilhelm Ringelband über, den zu diesem Zeitpunkt siebzigjährigen Großvater des 1921 geborenen späteren Theaterkritikers.

Noch während des Zweiten Weltkriegs zog Wilhelm Ringelband 1944 als 23-Jähriger mit der Mutter von seinem Geburtsort Frankfurt in die Jahnstraße, zu diesem inzwischen verwitweten Großvater väterlicherseits.

In Auerbach erreichte die Familie dann die Nachricht, dass der Vater gefallen sei – im April 1944, noch kurz vor Ende des Kriegs. Als Oberstleutnant und Befehlshaber der Flugzeugabwehr von Gnadau in Sachsen-Anhalt soll er den Ort vor der Zerstörung bewahrt haben, indem er sich heldenhaft dem nationalsozialistischen Durchhaltebefehl widersetzte.

Der Sohn Wilhelm Ringelband war ebenfalls zum Kriegsdienst eingezogen worden, wurde wegen Krankheit jedoch bald wieder entlassen. Schon als Jugendlicher war seine Theaterbegeisterung geweckt worden. In der Jahnstraße begann er spätestens 1947, Theaterkritiken zu schreiben. Sein erster Artikel soll ein Porträt zum zehnten Todestag der als Filmstar berühmt gewordenen Schauspielerin Adele Sandrock gewesen sein, die 1937 gestorben war.

Gleichzeitig nahm Ringelband Kontakt zu der rund fünfzig Jahre älteren, 1945 zum Ehrenmitglied des Deutschen Theaters ernannten Schauspielerin Gertrud Eysoldt auf. Es entspann sich ein jahrelanger Briefwechsel zwischen der Jahnstraße und dem oberbayrischen Ohlstadt, wo die Schauspielerin zurückgezogen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu ihrem Tod 1955 lebte. Der junge Wilhelm Ringelband wohnte währenddessen bis zu deren jeweiligem Tod mit Großvater (gestorben 1955) und Mutter (gestorben 1964) in Auerbach. Spätestens seit 1947 verfolgte er den Plan, ein Archiv für Theater- und Filmwissenschaft aufzubauen.

Im Haus stapelten sich auch deshalb die Tageszeitungen, Fachzeitschriften und Theaterprogrammhefte auf dem Boden hüfthoch, so berichteten viele, die das Haus betraten, darunter viele hiesige junge Schüler und Studenten, von denen sich Ringelband zu den Theaterabenden in der Region fahren ließ – der Theaterkritiker hatte selbst keinen Führerschein.

Dieses Archiv ist heute in Ringelbands Nachlass im Bensheimer Stadtarchiv erhalten.

Das große Haus bewohnte Ringelband nach dem Tod seiner Mutter noch 17 Jahre lang allein mit einer Haushälterin. Eine Sekretärin half beim Ordnen der Unterlagen.

Mit der Schreibmaschine getippt

Die Texte für seine Kritiken tippte Ringelband aber selbst meist noch nachts nach dem Theaterbesuch in die Schreibmaschine, mit mehreren Durchschlägen, die dann mit Eilpost an die unterschiedlichen Redaktionen ging, die seine Kritiken veröffentlichten.

Ein weiteres „Ringelbandhaus“ gibt es übrigens in der Höllbergstraße in Frankfurt-Eschersheim. In dieser Jugendstilvilla hatte die Familie Ringelband seit Ende der 1920er-Jahre gelebt (ringelbandhaus.de).

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