Großübung der Rettungsdienste

In Bensheim wurde der Katastrophenfall simuliert

Mehr als 500 Einsatzkräfte probten den Ernstfall, der von der Gefahrenabwehr des Kreises Bergstraße, geplant wurde. 42 verschiedene Szenarien über das ganze Stadtgebiet verteilt.

Von 
Jeanette Spielmann
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Bei der Katastrophenschutzübung in Bensheim waren am Samstag mehr als 500 Einsatzkräfte der Rettungsdienste vor Ort. © Thomas Zelinger

Bensheim. Man stelle sich vor, in Bensheim fällt im kompletten Stadtgebiet der Strom aus und nichts geht mehr. Internet, Fernsehen und Handynetze sind tot, Radio funktioniert nicht, es sei denn, es ist batteriebetrieben. Und natürlich verweigern auch alle mit Strom betriebenen Anlagen im Haus (Smart Home) ihren Dienst. Solange das Auto noch Treibstoff oder Energie hat, funktioniert das Autoradio noch, aber Tanken wird schwierig, denn Tankstellen funktionieren ohne Strom nicht – nicht für Verbrenner und nicht für E-Autos. Gleiches gilt für Kassensysteme, Bankomaten und Karten-Zahlsysteme – Einkaufen geht ebenfalls nicht. Abgesehen von all diesen Einschränkungen kann bei plötzlicher kompletter Dunkelheit viel passieren. Doch wie verständigt man den Rettungsdienst, wenn man den Notruf nicht mehr anwählen kann.?

All diese Szenarien wurden am Samstag bei der Katastrophenschutzübung in Bensheim durchgespielt und das blieb bei der Bevölkerung nicht unbemerkt. Denn am Nachmittag waren unzählige blaue, rote und weiße Einsatzfahrzeuge sowie über 500 Einsatzkräfte unterwegs.

Besonders spektakulär war der Start der Übung am Umspannwerk am Berliner Ring. Ausgangsszenario war ein Defekt an dieser Anlage des örtlichen Energieversorgers, der für einen Stromausfall im Stadtgebiet sorgt. Zusätzlich kommt es im Zuge der Reparatur zu einer Explosion mit einem Brandereignis und verletzten Mitarbeitern – optisch unterstützt wurde das Szenario mit viel Rauch, Feuerstellen und Explosionsgeräuschen dargestellt. Schnell war der Berliner Ring von zahlreichen Einsatzfahrzeugen gesäumt und auch die Drehleiter der Feuerwehr Bensheim-Mitte war vor Ort, um eine verletzte Person mit dem Tragekorb zu bergen. Das dauerte eine Weile, hatte aber vor allem damit zu tun, dass vor der Bergung erst die Freigabe des Betreibers der Anlage abgewartet werden musste, um Schäden an Mensch und Gerät durch Überspannungen zu vermeiden.

Insgesamt hatte die Gefahrenabwehr des Kreises Bergstraße, deren stellvertretender Abteilungsleiter Markus Stracke die Übung geplant hatte, 42 unterschiedliche Szenarien eingebaut, die sich über das gesamte Stadtgebiet erstreckten. Beteiligt waren alle Feuerwehrgerätehäuser und Dorfgemeinschaftshäuser in den Stadtteilen, die der Bevölkerung als sogenannte „Leuchttürme“ und Anlaufstelle dienten. Diese Einrichtungen waren in der Vergangenheit aus diesem Grund mit Notstromaggregaten ausgestattet worden. Denn auch die Gerätehäuser waren von der Stromzufuhr gekappt worden und mussten mittel Notstromeinspeisung wieder in Betrieb genommen werden.

Im höher gelegenen Gronau waren die Pumpen für die Wasserförderung ausgefallen, weswegen der Meerbach für die eventuell erforderliche Wasserentnahme gestaut werden musste. Aus dem Heilig-Geist-Hospital mussten Verletzte evakuiert und zum eingerichteten Behandlungsplatz beim DRK-Stützpunkt gebracht werden, wo sie bis zum Weitertransport ins Krankenhaus versorgt wurden. Schwerverletzte mit Transport-Priorität waren nicht darunter, aber mittelschwere Verletzungen – wie beispielsweise ein abgetrennter Finger oder gebrochener Arm waren zu behandeln. Mit Feldbetten und medizinischem Material ist das DRK Bensheim für solche Einsätze bestens ausgestattet. In Zell war ein Reisegruppe mit ihrem Bus gestrandet, die Personen wurden zur weiteren Betreuung in der Karl-Kübel-Schule untergebracht.

Auch ein Autounfall infolge einer ausgefallenen Signalanlage wurde inszeniert. Dafür war man allerdings auf die ADAC-Übungsanlage ausgewichen, um größere Störungen und Behinderungen auf den Straßen zu vermeiden. Zu versorgen waren hier ein verletzter Radfahrer (dargestellt von einem Dummy), der aus seiner Lage unter dem Auto befreit werden musste, sowie die Insassen der beiden beteiligten Autos. Das ging nicht ohne schweres Gerät wie Rettungsschere und Spezialgerät, um die Frontscheibe zu entfernen.

Weitere Einsatzorte waren unter anderen das Rathaus mit einer im Aufzug feststeckenden Person, das THW-Gelände, wo ein Tankplatz eingerichtet war, sowie der Badesee und der Niederwaldsee für die Bereitstellung von Löschwasser. Auch das Kreiskrankenhaus in Heppenheim nutzte die Gelegenheit, sein eigenes Katastrophenkonzept zu testen.

Vier Stunden nach dem Übungsstart um 15 Uhr wurde das Ende der Katastrophenschutzübung verkündet, wobei die Einsatzkräfte mit dem Rückbau und der Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit von Materials und Fahrzeugen noch länger zu tun hatten. Zuvor war in der Abschlussbesprechung im Stützpunkt an der Robert-Bosch-Straße noch die Manöverkritik erfolgt, die grundsätzlich positiv ausfiel. An kleinen Stellschrauben, wie etwa der Kommunikation, muss noch gearbeitet werden. Aber genau, um solche Aspekte zu erkennen, dient eine Übung, die für den Ernstfall besser vorbereitet.

Landrat Christian Engelhardt, der die Übung vor Ort verfolgte, sprach von einem optimalen Verlauf und zeigte sich insbesondere von der großen Einsatzbereitschaft und Sachkunde der Einsatzkräfte beeindruckt. Bürgermeisterin Christine Klein verdeutlichte, dass Bensheim dank vorausschauender Planungen in den vergangenen Jahren sehr gut aufgestellt sei. Auch arbeite man weiter intensiv daran, die notwendigen Strukturen zu stärken und die Bevölkerung für mögliche Krisensituationen zu sensibilisieren. Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn dankte allen Beteiligten für ihren Einsatz, das Engagement und die Bereitschaft, den Samstag dafür zu opfern. Erfreulich war, dass im Rahmen dieser Übung keiner der Einsatzkräfte verletzt wurde.

An der Katastrophenschutzübung waren neben allen Bensheimer Feuerwehren, dem Führungsstab der Feuerwehr Bensheim, der Brandschutzaufsicht Kreis Bergstraße, dem Leitenden Notarzt und Rettungsdienst des Kreises sowie der Notfallseelsorge und weiterer Einheiten des Katastrophenschutzes des Kreises ebenso die Rettungs- und Sanitätsdienste und das THW beteiligt.

Als Beobachter vor Ort waren Vertreter des Kreisverbindungskommandos, das im Ernstfall die Verbindung zur Bundeswehr herstellt und in Amtshilfeverfahren mit Personal oder schwerem Gerät unterstützt. Die Feuerwehr Heidelberg war mit interessierten Beobachtern vor Ort, ebenso das DRK Biblis.

Die Versorgung von Verletzten durch DRK-Ersthelfer gehörte zur Übung dazu. © Thomas Zelinger

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