Karl-Kübel-Schule

In Bensheim gibt es authentische Einblicke aus Afrika

Berufsschullehrer Bouma Bazié aus Burkina Faso berichtete direkt und persönlich über Bildung, Gesundheit und Alltag in seinem westafrikanischen Heimatland

Von 
Thomas Tritsch
Lesedauer: 
Der Berufschullehrer Bouma Bazié sprach am Freitag in der Karl-Kübel-Schule authentisch und anschaulich über sein Heimatland Burkina Faso. © Thomas Zelinger

Bensheim. Direkter und authentischer geht es nicht: Vor einer 12. Klasse des Beruflichen Gymnasiums an der Karl-Kübel-Schule berichtete der Berufsschullehrer Bouma Bazié am Freitag aus seiner Heimat Burkina Faso.

Im Mittelpunkt des sehr plastischen Vortrags standen Themen wie Bildung, Gesundheit und Lebensalltag im ländlichen Raum des westafrikanischen Landes, das zu den ärmsten des Kontinents gehört. Ein besonderer Blick fiel auf das Departement Silly, das aus 33 Dörfern mit rund 34 000 Einwohnern besteht. Die Gemeinde ist mit der Stadt Viernheim verschwistert.

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

Über den Partnerschaftsverein Focus, der dort mit zahlreichen humanitären Projekten der Bevölkerung hilft, kam der Kontakt nach Bensheim zustande. Vorstandsmitglied Manfred Weidner war bis 2019 Lehrer am Beruflichen Schulzentrum.

40 Klassen besucht

Er hatte eine dreiwöchige Veranstaltungsreihe an elf Schulen der Rhein-Neckar-Region organisiert, die vor insgesamt 40 Klassen der Jahrgangsstufen 2 bis 13 – passend zur jeweiligen Altersstufe – einen lebendigen Einblick in die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse des Landes bot, das etwa so große wie die alte Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung ist. „Wir möchten jungen Menschen zeigen, dass es Gesellschaftssysteme und Wertvorstellungen gibt, die von ihren eigenen abweichen“, so Weidner vor einem Englisch-Leistungskurs unter der Leitung von Susanne Kaiser.

Weidner hatte das Land vor 25 Jahren erstmals besucht und engagiert sich seit vielen Jahren im Verein um eine Teilhabe der Bevölkerung am politischen, wirtschaftlichen und sozialen Leben des Landes. Die Arbeit von Focus orientiert sich an den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen und umfasst Projekte in der Schul- und Berufsbildung sowie im Gesundheitswesen und in Infrastruktur. Der Verein finanziert unter anderem den Bau von Schulen und Brunnen und hilft bei der Sicherung der medizinischen Grundversorgung.

Bildhafte und authentische Vorträge

Bouma Bazié ist ein wichtiger Partner vor Ort. Er ist Lehrer für Metalltechnik und Deutsch in Koudougou westlich der Hauptstadt Ougadougou und rund 130 Kilometer nördlich von Silly. In den 90er Jahren ließ er sich in Frankfurt zum Industriemechaniker ausbilden. Bazié spricht fließend Deutsch und Französisch (Landessprache in Burkina Faso) sowie die Regionalsprachen Moré und Nouni.

In seinen bildhaften und authentischen Vorträgen konfrontiert er junge Menschen mit dem Lebens- und Überlebenskampf der Bevölkerung in einem 20 Millionen Menschen zählenden Binnenstaat, der südlich des Nigerbogens liegt und an Mali, Niger, Benin, Togo, Ghana und die Elfenbeinküste grenzt. Der Fokus seiner Ausführungen liegt auf dem Alltag in den Dörfern südlich der Sahelzone.

Der Nordosten von Burkina Faso wird seit 2015 regelmäßig von bewaffneten Angriffen jihadistischer Gruppen terrorisiert, die zum Teil mit dem Extremistennetzwerk Al Kaida und der Miliz „Islamischer Staat” (IS) zusammenarbeiten. Tausende Zivilisten und Sicherheitskräfte wurden bei den Kämpfen bereits getötet, aktuell sind mehr als zwei Millionen Menschen auf der Flucht. Bewaffnete Gruppen plündern und zerstören Ernten, stehlen Vieh und erpressen Geld von den Gemeinden.

Auch hier ist der Viernheimer Verein aktiv geworden: In diesem Jahr wurden über Spenden Lebensmittel organisiert und an die betroffenen Menschen verteilt. Meistens Reis, Tomatenmark und Öl, um die Grundversorgung der Flüchtlinge, vor allem Frauen und Kinder, zu gewährleisten. Dennoch gibt es viele stark unterernährte Kinder, deren Leben bedroht ist, wie Bouma Bazié in Bensheim erläuterte. Der Staat allein sei angesichts dieser Dimensionen völlig überfordert.

Eines der ärmsten Länder weltweit

Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt. Der Staat wird seit September 2022 von einer durch einen Putsch an die Macht gelangten Militärjunta regiert. Deren neuer Generalstabschef Célestin Simporé hatte bei seiner Amtseinführung angekündigt, den Terroristen Widerstand leisten zu wollen.

Mittlerweile habe sich die Situation in einigen Regionen leicht verbessert, einige Binnenflüchtlinge konnten laut Bazié bereits wieder in ihre Dörfer zurückkehren. Die Lage hat aber auch dazu geführt, dass zwischenzeitlich bis zu 3000 Schulen geschlossen waren. Doch die Gefechte im Norden des Landes dauern an. Nach staatlichen Angaben sind bereits mehr als 50 Sicherheitskräften in den Gebieten nahe der Grenze zu Mali und Niger ums Leben gekommen. Die Armee versuche die von Islamisten beherrschten Gebiete zurückzuerobern, so der Lehrer.

Es sei im Kontext dieser Probleme dringend geboten, den Islam nicht als grundsätzlich gewaltsame Religion zu diskreditieren, so der Referent. In Burkina leben Muslime, Christen und andere Glaubensgemeinschaften traditionell friedlich miteinander, sagt er. Insgesamt gibt es in dem Land über 60 verschiedene Ethnien oder Stämme.

Man nehme an den Festen und Feiertagen der jeweils anderen teil, dies sei niemals ein Problem gewesen. „Religion ist kein Grund für einen Streit“, betont er und warnt gleichzeitig vor einer Spaltung der Gesellschaft durch islamistische Gruppen. Aktuell schätzt er die Lage aber als relativ stabil ein. Die Menschen ließen sich zum Glück nicht gegeneinander aufhetzen.

Mehrere Krisen treffen aufeinander

Vor den aufmerksamen Schülern der 12. Jahrgangsstufe ging es aber auch um die Bedrohung durch den Klimawandel, der die ohnehin schwierige Situation für die Landwirtschaft zusätzlich verschlimmert. In vielen Jahren falle die Ernte klein oder ganz aus, die Menschen hungern und werden immer häufiger mit extremen Wetterlagen (Dürre und Starkregen) konfrontiert.

Im Bereich der Sahelzone treffen seit knapp zehn Jahren mehrere Krisen aufeinander, die sich gegenseitig verschärfen, wodurch die Ernährungsunsicherheit im Land immer kritischer werde. Schwere Überschwemmungen zerstören Häuser, Ernten und Vieh. Gleichzeitig werden Lebensmittel immer teurer. Nach Angaben des World Food Programms (WFP) werden in Burkina Faso voraussichtlich 3,5 Millionen Menschen von Ernährungsunisicherheit betroffen sein. Nahezu 200 000 Kinder sind schwer unterernährt.

In Silly hatten sich 2021 über 1600 Geflüchtete niedergelassen, die sich auf 160 Familien verteilten. Sie haben in notdürftig errichteten Hütten gelebt, die oft nur mit Plastikplanen überzogen sind und keinen ausreichenden Schutz vor Regen und Hitze bieten, so Manfred Weidner. Im Frühjahr hatte der Verein Focus in Zusammenarbeit mit der Stadt Viernheim Spenden in Höhe von über 21 000 Euro gesammelt, um so in einem ersten Schritt die größte Not ein wenig zu lindern.

10 000 Euro für einen Brunnen

Gleichzeitig wurde durch den Bau von Brunnenanlagen der ländlichen Bevölkerung in der Partnergemeinde einen Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglicht. Ein Brunnen kostet zirka 10 000 Euro. Gebohrt wird bis zu 60 Meter tief, um an das kostbare Nass zu gelangen. Die besonderen klimatischen Rahmenbedingungen in der Region erfordern gerade in der Trockenzeit eine ausreichende Bewässerung der Gemüsegärten und der Obstplantagen.

Man habe bislang immer wieder Geld investiert, um Speicherbecken für Regenwasser anzulegen, so das Vorstandsmitglied. Neben der Bewässerung dienen die Speicherbecken auch als Viehtränke.

Im Bereich Schulbildung wird zum einen der laufende Schulbetrieb durch Schulpatenschaften unterstützt. Hinzu kommt der Neubau von zusätzlichen oder die Erweiterung bestehender Schulen. In den beruflichen Schulen gebe es keine duale Ausbildung wie in Deutschland, so Bouma Bazié.

Theoretische und praktische Elemente würden zwar vor Ort verzahnt, der Besuch eines Betriebs sei aber nicht möglich. „Ein großer Nachteil“, so der Techniker in Bensheim. Der berufsfachliche Alltag bleibe jungen Menschen während ihrer Ausbildung daher weitestgehend unbekannt.

Freier Autor

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

  • Winzerfest Bensheim