Bensheim. Die Liste mit möglichen Sachspenden, die Elke Ditter zum Pressegespräch mitbringt, ist lang. Das Lager im Zentrum der Wohnungslosenhilfe hat sich in den vergangenen Monaten geleert. „Im Frühjahr hätten wir noch keinen Aufruf starten brauchen. Jetzt sieht es aber schon anders aus“, erklärt die Vorsitzende des Fördervereins Hilfen für Wohnungslose.
Das hängt maßgeblich mit der sich verändernden Mobilität in der aktuellen Phase der Corona-Pandemie zusammen. Für Menschen ohne Zuhause „waren es zwei schlimme Jahre. Viele sind es nicht gewohnt, ein Jahr und länger an einem Fleck zu sein“, so Ditter. Mit dem Abklingen der dritten Welle im Frühsommer haben deshalb die meisten ihre „Reisetätigkeit“ wieder aufgenommen. Das macht sich in der Kleiderkammer bemerkbar, die deutliche Lücken aufweist.
Hinzu kommt, dass im Herbst und Winter die Nachfrage nach warmer Kleidung, Schlafsäcken und Decken traditionell ansteigt. Elke Ditter und der zweite Vorsitzende Helmut Hörtler wissen aber um die Spendenfreudigkeit der Bensheimer. „Wir hatten schon Anfragen, ich denke, viele warten darauf, dass sie uns unterstützten können.“
Anlaufstelle für alle Spender
Die Möglichkeit besteht konkret am Samstag, 13. November. Von 10 bis 12 Uhr wird der Info-Stand an der Lauter-Mauer (gegenüber Kaufhaus Ganz) wieder zur Anlaufstelle für alle Spender. Seit 25 Jahren ist der Verein im November in der Fußgängerzone präsent, nur 2020 musste wegen der Pandemie abgesagt werden. Mit Mund-Nasen-Schutz und „Abstand, soweit es möglich ist“ (Ditter) steht nun der Neustart an. Sichtbar sein, Ideen und Projekte vorstellen und eben Sachspenden einsammeln, darum geht es den Verantwortlichen.
Der Info-Stand soll nicht die einzige Aktion in den nächsten Wochen bleiben. Die Weihnachtsfeier für Obdachlose und benachteiligte Personen gehört zum festen Bestandteil des Vereins und soll trotz der Corona-Einflüsse nicht verschoben werden. Vor der Pandemie kamen zuletzt bis zu 180 Gäste, Tendenz steigend. Das verursacht zwangsläufig Kosten, die zum Großteil durch die Einnahmen der Geschenkeversteigerung der Agentur Showmaker kompensiert wurden. „Ohne die wertvolle Unterstützung von Harry Hegenbarth und seinem Team wären die Weihnachtsfeiern nicht so gelaufen. Das muss man ganz klar sagen“, würdigt die Vorsitzende das Engagement des Bensheimers, ohne den Einsatz der vielen anderen Helfer zu vergessen.
Hegenbarth plant nach Auskunft von Elke Ditter am 11. Dezember wieder seine besondere Auktion auf dem Marktplatz, so dass der finanzielle Grundstock gelegt werden kann. Die Weihnachtsfeier selbst kann allerdings mit Blick auf die Corona-Bestimmungen nicht im Pfarrzentrum von Sankt Laurentius abgehalten werden. Die Platzverhältnisse sind für eine vernünftige Aufteilung zu beengt, zumal man die 2 G-Regel bei der Zielgruppe kaum anwenden könne.
Gesucht wird ein Ausweichquartier, die Gespräche laufen. Ditter und Hörtler sind zuversichtlich, geeignete Räume zu finden, die den Vorgaben entsprechen und in denen man Essen für mehr als 100 Leute servieren kann. Mit Weihnachtsbaum, passender Musik und Geschenken für die Kinder, um die sich ebenfalls Hegenbarth kümmert, will man den Besuchern ein paar schöne, stimmungsvolle Stunden bieten. „Das ist unser Ziel, das werden wir auch erreichen“, meint Ditter.
Wer die engagierte Vorsitzende kennt, weiß, dass sie mit ihrem Vorstand alles daransetzen wird, um den Worten Taten folgen zu lassen. Das gilt auch für ein spannendes Zukunftsprojekt, mit dem der Förderverein einen wesentlichen Beitrag leisten möchte, um junge Wohnungslose von der Straße zu holen. Deren Zahl steigt seit mehr als zwei Jahren. Im Zentrum am Weidenring sind ein Viertel der Bewohner und Kurzzeitgäste unter 27. Das ist kein Bensheimer Problem, sondern ein bundesweiter Trend, dem entgegengewirkt werden muss.
„Viele wachsen in jungen Jahren in ein Leben hinein, in das sie nicht hineingehören sollten“, bemerkt Elke Ditter. Einfache Lösungen gibt es aber wie sooft im Leben nicht. In Groß-Gerau wurde jedoch 2019 ein Modellprojekt unter dem Namen „Dock 30“ gestartet, eine Anlaufstelle für junge Obdachlose und gestrandete Menschen.
Das Diakonische Werk und der Sozialpsychiatrische Verein haben ein ehemaliges Pfarrhaus am Rand der Innenstadt umbauen lassen, so dass dort zwölf Männer und Frauen im Alter von 16 bis 27 Jahren ein Dach über dem Kopf haben, neuen Mut schöpfen und sich wieder an der Gesellschaft „andocken“, daher der Name, können. Sie erhalten eine Perspektive, werden von Sozialpädagogen betreut, bekommen gegebenenfalls einen Ausbildungsplatz. Jugendhilfe und Jobcenter sind ebenfalls eingebunden.
„Das funktioniert nur mit einem hohen Personalaufwand, der natürlich Kosten verursacht. Aber es spart den Staat langfristig Geld, wenn Menschen nicht in jungen Jahren bis zu ihrem Lebensende Platte machen – und es hilft natürlich in erster Linie den jungen Menschen, auf die Beine zu kommen“, erklärt Helmut Hörtler.
Der Bensheimer Förderverein möchte aus diesem Grund das Konzept an die Bergstraße bringen und sucht nach einem Haus, möglichst in zentraler Lage, in dem sich das Projekt verwirklichen lässt. Konkret bedeutet das: ein Gebäude mit zwölf Einzelzimmern und Gemeinschaftsräumen sowie Zimmer für die Mitarbeiter.
Geldgeber willkommen
Weil ein solches Vorhaben ohne Finanzkraft nicht umzusetzen ist, braucht es einen spendablen Geldgeber. Darüber hinaus müsste der Verein kalkulieren, wie er die laufenden Kosten decken könnte. Wobei es schon Spendenzusagen beispielsweise für die Einrichtung gibt.
Weil „Dock 30“ in Groß-Gerau erst nach drei Jahren Vorlaufzeit an den Start ging, suchen Elke Ditter und ihre Mitstreiter bereits jetzt schon nach einem Haus, das sich im Optimalfall in einem Umfeld befindet, das mit Verständnis auf die neuen Nachbarn reagiert. Gelingt es nicht, ein Gebäude zu kaufen, wäre eine Miete denkbar. Damit hat der Förderverein schon gute Erfahrungen gemacht. Vor drei Jahren mietete man eine Wohnung, in der vier Personen Platz haben. „Das läuft sehr gut, die Bewohner sind bestens in die Nachbarschaft integriert. Sie haben es von der Straße in ein anderes Leben geschafft“, bilanzieren Hörtler und Ditter.
Mit der Adaption von „Dock 30“ an der Bergstraße will man den nächsten Schritt gehen. In ein bis zwei Jahren will man mit einer geeigneten Immobilie in die Planung gehen, formuliert der Vorstand das ambitionierte Zwischenziel.
Sach- und Kleiderspenden
Folgende Sach- und Kleiderspenden werden vom Zentrum für Wohnungslose benötigt und können am Info-Stand des Förderverein (Samstag, 13. November, 10 bis 12 Uhr, an der Lauter-Mauer gegenüber Kaufhaus Ganz) abgegeben werden:
Zelte, Decken (Sofadecken), Schlafsäcke, kleine Kissen (40x40 cm), Isomatten, Töpfe und Pfannen, Outdoorbekleidung, Turnschuhe, Winterschuhe, Gummistiefel, Jacken, Jogginghosen, T-Shirts, Boxershorts, Pullover (am liebsten Kapuzenpullis), kleine Fernseher für Übernachtungszimmer, Geldbeutel und Hygieneartikel wie Einwegrasierer, Rasierschaum, Shampoo, Spülung und Deos.
Ebenso nachgefragt werden Mützen, Handschuhe, Rucksäcke und Reisetaschen, die ebenfalls zum Info-Stand gebracht werden können. dr
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