Musiktheater

Handgemachter Retro-Rock im Bensheimer Rex

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Tom Wilken
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Willie and the Bandits machten auf ihrer Tour – vor kleiner Kulisse – am Donnerstag Station im Musiktheater Rex. © Zelinger

Bensheim. Es war übersichtlich im Musiktheater Rex. Den Rock-Vierer „Wille and the Bandits“ kennt man hierzulande nicht oder sehr wenig. Eigentlich schade, denn die Band von der Insel hat’s drauf. Sie lässt sich aber vom kleinen Publikum selbst ein bisschen runterziehen und die richtige Auftrittseuphorie vermissen. Ganz davon abgesehen, dass bereits Schluss ist, wenn andere Bands gerade mal Pause machen.

Blues, Rock, Funk, etwas Soul: Die Gruppe um Namensgeber Wille Edwards ist breit aufgestellt. Vor 15 Jahren ins Leben gerufen, wird sie als eine der besten Live-Bands Großbritanniens gehandelt. Warum das so ist, erfahren die Besucher im Rex zwischenzeitlich mehr als einmal. Auch wenn den Musikern wohl der Frust über die dünne Kulisse in den Knochen steckt, kommt bei einigen Stücken die schiere ungebremste Energie rüber und sie verlieren sich in den Tönen.

Edwards hat 2019 neue Musikerkollegen um sich geschart. Matthew Gallagher bedient Keyboards und Hammond-Orgel, Harry Mackell den Bass und Finn Mcauley ist fürs Schlagzeug zuständig. Letzterer macht ein ums andere Mal mit seinem druckvollen, abwechslungsreichen Spiel auf sich aufmerksam, das so manchen Stücken erst den richtigen Drive verleiht.

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ts/red
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2007 in Plymouth gegründet, war Wille mit seinen Jungs schon mit den ganz Großen auf Tour und wird mitunter auch mit diesen verglichen –etwa John Butler, Warren Haynes, Dave Matthews oder Joe Bonamassa. Mit „When the World stood still“ hat die Band in diesem Jahr eine neue Veröffentlichung am Start und naturgemäß dreht sich das Programm vor allem um diese.

Dass sich das Trio dafür um den Keyboarder erweiterte, tut dem Sound mehr als gut. Denn der kommt voll und fett von der Bühne, auch wenn er natürlich für eine breitere Masse davor gedacht ist und angesichts der überschaubaren Gästezahl etwas verschwimmt. Aber auch so lässt sich erkennen, was die Banditen um Will draufhaben.

Der Frontmann ist aber ganz klar der Chef, wird immer wieder deutlich. Er gibt das Thema vor, signalisiert durch seine Blicke, wann welcher Break kommt und wer jetzt dran ist. Trotzdem lässt Wille seinen Musikern genug Spielraum, damit auch diese zeigen können, was sie draufhaben – und das ist viel.

Der mehr- bis vierstimmige Gesang tut ein Übriges dazu, dass es keine Rocksongs von der Stange sind. Teilweise sogar als Kanon eingesetzt, gibt es eine einfallsreiche Strukturierung mit Tempowechseln und Soli. Über allem steht Wille mit seiner Stimme, Ausstrahlung und Gitarrenarbeit. Mit seinem Hawaiihemd und Wuschelmähne würde er auch gut zu einer Westcoastband passen.

Bei den sechs Saiten setzt er ganz auf die alten Tugenden. Bottleneck ist in, genauso wie die Lap-Steel-Gitarre, heute nur noch selten auf Bühnen zu finden. Der blinde Gitarrist Jeff Healey hat diese Spielweise bis zur Perfektion verfeinert. Fast schon country-artige Klänge lassen sich daraus zaubern, wie auch die erste Zugabe beweist.

Das letzte Konzert der Tour

Die gibt’s schon nach knapp 75 Minuten – die Band hat es scheinbar eilig, nach Hause zu kommen, denn das Konzert in Bensheim war das letzte auf der Tour über den Kontinent. Doch davor machen Wille und seine Banditen nochmal viel Lust auf mehr, wenn sie „I’m alive“ und „1970“ fetzen. Das klingt genauso wie das genannte Jahrzehnt, wohltuend retro, druckvoll, handgemacht.

Bei solchen Songs kommt die volle Power der Truppe rüber, die manchmal bei funkig angehauchten Stücken etwas versandet. Aber das mag auch daran liegen, dass nur die Hardcore-Fans dabei sind, die mit der Band was anfangen können. Andere haben sich wohl nicht an das Experiment getraut, einem ziemlich unbekannten Quartett eine Chance zu geben. Sie haben was verpasst.

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