Bensheim. Peter Schabel ist Beauftragter der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland für den Greifvogel- und Eulenschutz im Vorderen Odenwald und Nabu-Schutzgebietsbetreuer für das EU-Vogelschutzgebiet „Felswände des Vorderen Odenwaldes“.
Die Situation der Greifvögel in der Region kennt er wie vielleicht kein Zweiter. Von seinen vielen Beobachtungen profitierten am Freitagabend rund 40 Interessierte im Naturschutzzentrum Bergstraße. In einem mit vielen Fotos und überaus spannenden Filmen illustrierten Vortrag referierte er auf Einladung des Nabu Bensheim/Zwingenberg. Besonderes Gewicht legte er dabei auf Eulen – und allen voran auf den Habicht, der ihn seit seiner Kindheit fasziniert, wie er erzählte.
Auf einer Fläche von etwa 150 Quadratkilometern beobachtet Schabel von Birkenau aus die Entwicklung der einzelnen Arten und hat einen guten Überblick über die Bestände. So konnte er berichten, dass der Uhu anders als früher nicht mehr vom Aussterben bedroht ist – im Gegenteil.
In Bezug auf die Anzahl der Brutpaare hat er den Habicht längst überholt. Hatte dessen Bestand zwischen 1995 und 2003 noch um etwa 25 Prozent zugenommen, so sank er von 2004 bis 2020 um etwa 60 Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig. Unter anderem sind Habichte bei Geflügelzüchtern unbeliebt, weil sie gern Tauben oder Hühner reißen. Obwohl die Verfolgung illegal ist, würden Nester von unten ausgeschossen und auch auf noch nicht flugfähige Jungvögel werde mit Schrot geschossen.
Taubenzüchter stellen laut Schabel verbotene Fallen auf, in denen lebende Tauben unter Todesangst als Köder für die Habichte sitzen, die in den Fallen qualvoll verenden können. Der Klimawandel bringt heftige Sommergewitter mit orkanartigen Stürmen, die Horste abstürzen lassen, und umfallende Nachbarbäume zerstören häufig ganze Gelege. Auch die Zunahme des Uhus kann etwas mit dem Rückgang der Habichte zu tun haben, erklärte Schabel, denn Uhus fressen Habichte.
Überhaupt ist der Uhu in der Vogelwelt unbeliebt, weswegen er – allerdings nur tagsüber – auch von eigentlich unterlegenen Vögeln „angehasst“ wird. Ein eindrucksvolles Beispiel, bei dem ein in einem Baum sitzender Uhu wiederholt von Krähen und einem Habicht angeflogen wurde, zeigte Schabel in einem kurzen Film – einer von zahlreichen Aufnahmen, die der Referent mit einer Makro-Zoom-Kamera mit 87-facher Vergrößerung ausschließlich in der Region gemacht hat. So konnte er dem Publikum viele Vögel und Situationen zeigen, die mit bloßem Auge noch nicht einmal erkannt werden könnten – als spektakuläre Aufnahmen aus der unmittelbaren Umgebung.
Ausführlich dokumentiert hatte er den Nestbau und die Brutpflege des Habichts, der oft mehrere Horste baut, bevor sich das Weibchen schließlich für einen entscheidet, in den es seine zwei bis fünf Eier legt. Schon nach dem ersten Ei beginnt das Weibchen mit der Brut, die etwa fünf Wochen dauert. Die Jungen schlüpfen dann im Abstand von mehreren Tagen.
Während der Brutzeit und in den ersten Tagen nach dem Schlüpfen ernährt das Männchen allein zunächst das Weibchen und schließlich die gesamte Vogelfamilie – eine Aufgabe, die von unerfahrenen Einjährigen oft nicht bewältigt werden kann, weshalb immer wieder Bruten scheitern.
Die männlichen Habichte sind deutlich kleiner als die Weibchen und werden manchmal, wenn auch nicht oft, sogar zur Beute der weiblichen Vögel. Zu erkennen ist der Habicht unter anderem an seiner quer gestreiften, „gesperberten“ Brust und hellen Überaugenstreifen. Die Unterscheidung vom kleineren Sperber ist jedoch manchmal gar nicht so einfach.
Beeindruckende Filmaufnahmen zeigte Schabel auch von Uhus, unter anderem aus dem Sonderbacher Steinbruch. Der Felsbrüter ist mit seinem Federkleid farblich perfekt an die unterschiedlichsten Gesteinsarten angepasst und schon deshalb (und wegen der in der Regel großen Entfernung) in den Felswänden kaum zu sehen.
Anders als oft behauptet, sind Uhus aber auch tagsüber aktiv – und sie können auch tagsüber gut sehen, sagte der Referent. Die Federohren verbessern zwar die Akustik, indem sie den Schall leiten, aber sie sind keine eigentlichen Ohren. Dafür verraten sie den Gemütszustand des Vogels; in entspanntem Zustand sind die Ohren flachgelegt, aufgestellte Federohren verraten, dass der Vogel sich gestört fühlt.
Junge Uhus verlassen das Nest, bevor sie flügge sind, und sind dann zu Fuß unterwegs. Schaffen sie es nicht mehr rechtzeitig zurück ins Nest, dann suchen sie sich tagsüber Verstecke. So entdecken Steinbruchmitarbeiter immer wieder Jungvögel in Sprenglöchern und Geröllhalden oder unter Fahrzeugen, die dann mit Sorgfalt zurückgebracht werden.
Ein Störfaktor für die Bruten der Uhus sind Drohnen
Ein Störfaktor für die Uhubruten sind Drohnen, die verbotenerweise im Steinbruch an die Nester heranfliegen und als Gefahr wahrgenommen werden, weshalb manche Bruten dann nicht erfolgreich sind. Probleme mit den Brutplätzen haben in jüngerer Zeit auch die Sperber, war zu erfahren. Sie bauen ihre Nester eigentlich in Fichten. Da diese nun oft tot sind und von anderen nackten Fichten umgeben sind, sind die Nester nicht mehr getarnt und für Fressfeinde gut zu sehen.
Als „deutsche Verantwortung“ bezeichnete Schaber schließlich die Sorge für den Rotmilan. Während der Schwarzmilan auf der Erde zu den häufigsten Vögeln zählt, ist der Rotmilan viel seltener. Etwa 60 Prozent des gesamten Weltbestands dieses Zugvogels brüten in Deutschland.
Der wegen seines gegabelten Stoßes auch Gabelweihe genannte Vogel kommt in unserer Region recht häufig vor – und hat eine verhängnisvolle Gewohnheit: Er schmückt sein Nest gern mit Plastikmüll. Fetzen von Schutzfolien etwa hindern das Wasser in den Nestern nach Regengüssen am Ablaufen, die jungen Vögel werden nass und unterkühlt und sterben deshalb – oder die Vögel strangulieren sich mit Plastikschnüren.
Der Vorsitzende des Nabu Bensheim/Zwingenberg Werner Eck dankte dem Referenten für seinen gut zweistündigen, kenntnisreichen Vortrag.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-habicht-und-uhu-sind-nicht-sehr-beliebt-_arid,2209672.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html
[2] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg.html