Bensheim. Es darf gebuddelt, gepflanzt und gegärtnert werden: Die Stadtverordnetenversammlung hat in ihrer jüngsten Sitzung mehrheitlich ein Urban-Gardening-Projekt auf dem Hoffart-Gelände beschlossen. Konkret ging es um Fördermittel aus der zweiten Runde des Landesprogramms Zukunft Innenstadt.
Bensheim hatte sich dafür mit zwei Vorhaben beworben – dem städtischen Gärtnern auf der Brache am Parktheater und einer Begrünung des Hostinné-Platzes am Wambolter Hof samt Sitzgelegenheiten und einem Glascontainer als mobile Büroeinheit (Co-Working-Space). 300 000 Euro aus Wiesbaden (bekanntlich aus Steuergeldern) hätten dafür nach Bensheim fließen können. Bensheim selbst muss zehn Prozent an Eigenmitteln aufbringen.
FWG will lieber Baulücke schließen
Allerdings sprach sich die Koalition aus CDU, SPD und FDP wie auch die BfB gegen die Umsetzung auf dem Hostinné-Platz aus, abgestimmt wurde daher wie im Haupt- und Finanzausschuss nur über die mobilen Hochbeet-Pläne. Darüber hinaus hatte die FWG einen Änderungsantrag eingereicht. Die Fraktion schlug darin vor, das Urban Gardening zunächst auszusetzen und stattdessen umgehend „konstruktive Gespräche mit den der Verwaltung bekannten, aktuell an der Entwicklung des Hoffart-Geländes interessierten Investoren zu führen“. Zielsetzung: Die jahrzehntelange Baulücke kurzfristig schließen.
Fraktionsvorsitzender Rolf Tiemann vertrat die Position, die Stadt solle keine Änderung des Förderantrags vornehmen. Die Gelder seien mit Zustimmung des Magistrats beantragt worden, der positive Bescheid stehe kurz bevor. Allerdings solle mit hoher Priorität in die Gespräche mit möglichen Investoren eingestiegen werden. „Die Interessenten stehen nicht Schlange, deshalb sollte jede Chance genutzt werden, um in Verbindung mit dem Neumarkt-Center eine Gesamtplanung für das Areals zu entwickeln“, meinte Tiemann.
Bernhard Stenger (CDU) bedankte sich zunächst beim Stadtmarketing und der Verwaltung für das Engagement. „Die Ideensuche, wie wir die Attraktivität der Innenstadt steigern können, wird wohl nie zu Ende sein.“ Damit es im Zentrum funktioniere, brauche es einen Mix, einen Dreiklang: Kneipe – Kommerz – Kultur oder Shopping – Spielen – Speisen. Während einiges durch Private abgedeckt wird, bleibe das Aufgabenfeld „Spielen/Kultur“ bei der Kommune.
Neben den sachlichen Punkten führte Stenger als Verzicht auf das zweite Vorhaben finanzielle Argumente an. „Wir haben 20 000 Euro Eigenkapital eingespart, auch wenn wir den Zuschuss dadurch nicht in Anspruch nehmen.“ Urban Gardening hingegen solle umgesetzt werden. Das sei definitiv ein Experiment, der Ausgang sei offen. Aber man vertraue darauf, dass es angenommen werde und es sich auf Dauer etabliere.
Für das Gelände gebe es auf absehbare Zeit keine andere Verwendung. In 30 Jahren sei es nicht gelungen, dieses Stück Bensheim einer Nutzung zuzuführen. Das Projekt schränke die Möglichkeiten einer künftigen Vermarktung nicht ein, vielmehr biete es die Chance einer temporären Aufwertung. Aus dem Dreiklang „Gaststätten – Geschäfte – Geselligkeit“ werde so ein Vierklang, der durch Garten vervollständigt wird.
Doris Sterzelmaier (Grüne) plädierte dafür „Neues und Kreatives zuzulassen, auch mal etwas zu wagen“. Dass die Koalition mit ihrer Mehrheit dies nicht tun will, könne sie nicht verstehen. „Das Projekt am Wambolter Hof jetzt noch ablehnen, wo der Förderbescheid überreicht werden soll und damit das Stadtmarketing und die ganze Stadt brüskieren, ist schon ein Ding. Seit Mai hatten Sie Zeit, sich zu äußern und Kritik zu üben“, meinte die Fraktionschefin. Die zehn Prozent Eigenanteil sollten „uns unsere Innenstadt wert sein“. Ihr Fraktionskollege Thomas Götz sprach von einer „gerupften Vorlage“, die ihn fassungslos mache. Mut und Weitblick bei der Koalition sei an dieser Stelle nicht zu sehen. Das Streichen der Aufwertung rund um den Wambolter Hof sei ein Riesenfehler.
Ein Verkauf ist nicht in Sicht
Dem Änderungsantrag der FWG konnte sie wie Bernhard Stenger zuvor ebenso wenig folgen. Investoren würden nicht Schlange stehen, ein schneller Verkauf sei nicht zu erkennen. Das habe man auch aus den Ausführungen der Ersten Stadträtin Nicole Rauber-Jung im Bauausschuss schließen können.
Jürgen Kaltwasser entgegnete, dass niemand in der SPD die Absicht habe, das Stadtmarketing zu brüskieren. Man wisse die herausragende Arbeit zu schätzen. „Eine Aufwertung des Hoffart-Geländes tut allemal gut“, konstatierte der Fraktionschef der Sozialdemokraten. In der Vergangenheit habe es immer mal wieder hochfliegende Pläne für das Grundstück gegeben, die nicht umgesetzt werden konnten. „Jetzt machen wir halt mal einen Anfang mit einer Kleingartenanlage und hoffen, dass irgendwann der große Wurf doch gelingt.“
Tobias Fischer (FDP) war nach eigenem Bekunden glücklich, endlich ein greifbares Konzept für die Innenstadt zu haben. Er dankte ebenfalls dem Stadtmarketing. „Aber wir müssen uns nicht immer alles leisten, was wir wollen“, sagte er mit Blick auf die Fördermittel. Er bezweifele zudem ganz stark, dass Bensheim nicht grün genug sei. Er sei vor allem im Sommer erstaunt, wie viele Grünanlagen man habe. Der Änderungsantrag der FWG bringe nur zum Ausdruck, das Vorhaben verschieben zu wollen. Urban Gardening sei eine sinnvolle Verwendung. „Hier bekommen wir einen Blickfang, auch weil es gut gelegen ist. Ich bin mir sicher, dass viele, die daran vorbeifahren, auch noch einmal drehen, um sich das Ganze anzuschauen.“ Eine Aussage, die das Gremium unkommentiert stehen ließ.
Am Wambolter Hof sehe dies anders aus. Den Anwohnern würde man keinen Gefallen tun, wenn die Stadt sich mit einem „Glaskasten zur Schau stellt“. Es sei nicht sinnhaft, diesen Betrag mit beiden Händen zu nehmen und umzusetzen. Es gebe viele Ideen, aber viele Ideen kosten auch viel Geld.
Franz Apfel (BfB) begrüßte ebenfalls das Urban-Gardening-Vorhaben, wenngleich seine Fraktion den Beauner Platz als besseren Standort ansieht. „Für den Fall, dass ein schnellerer Verkauf des Hoffart-Geländes ansteht, klärte ich im Ausschuss ab, dass es keine längerfristige Festlegung von Landesseite für das Projekt speziell auf dem Hoffart-Gelände geben würde. Und da es sich um eine mobile Aktion handelt, können wir auch zustimmen.“
Apfel äußerte die Befürchtung, dass, so seine Interpretation, mehrere Bewerber womöglich hingehalten würden. „Investoren dürfen aber nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertröstet werden.“ Das Gelände dürfe nicht weiter verbrannt werden, und zwar von denen, die dafür sorgen müssten, dass es mit einem guten Konzept verkauft werde. Deshalb sei es notwendig, von Seiten der Stadtverordnetenversammlung Druck auszuüben. Die Absage an den Hostinné-Platz unterstützte Apfel. Der Haushalt werde dadurch um 20 000 Euro entlastet.
Die Abstimmung fiel erwartungsgemäß aus. Bis auf die FWG votierten alle Fraktionen für das Urban Gardening. Der Änderungsantrag der Freien Wählergemeinschaft wurde abgelehnt.
Urban Gardening eine Zwischenlösung
Bürgermeister Christine Klein erläuterte, dass Urban Gardening auf dem Hoffart-Gelände nur eine Zwischenlösung sei. Genauso stehe es in den Förderrichtlinien, deshalb sei der Antrag der FWG nicht richtig. „Es ist nur eine temporäre Maßnahme, das lassen die Richtlinien zu.“
Gestaltung von Freiflächen, die eine Zwischennutzung ermöglichen, seien explizit erwähnt. Wenn Interessenten sich bei der Stadt melden, führe man selbstverständlich Gespräche. „Um tatsächlich das Grundstück langfristig zu entwickeln, braucht es eine lange Zeit“, so die Rathauschefin. Das wüssten alle, die in der Stadtverordnetenversammlung sitzen.
Daher sei es unschädlich, jetzt diese Fördermittel zu verwenden und gleichzeitig mit potenziellen Investoren Gespräche zu führen, abzuwägen – und natürlich würden die Stadtverordneten eingebunden, sollte sich etwas konkretisieren. „Das eine schließt also das andere nicht aus an dieser Stelle“, konstatierte die Bürgermeisterin in ihrer Rede. dr
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