Bensheim. Seit 2017 veranstalten die Grüne Liste Bensheim, der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen und die Grüne Jugend Bergstraße eine Nachhaltigkeitsmesse in der Bensheimer Fußgängerzone. Die vierte Auflage dieser „grünen Meile“ wurde am Samstag in abgespeckter Form als Markt organisiert. Knapp 20 Vereine, Verbände, Initiativen und Firmen haben fünf Stunden lang Ideen, Konzepte und Produkte rund um das Thema Nachhaltigkeit präsentiert.
„Fairer Wandel“ lautete das Motto des Thementags, der von Vorträgen auf dem Platz vor der Alten Faktorei flankiert wurde. „Wir wollen auch in dieser besonderen Zeit ein Signal setzen“, so Kreisvorsitzender Matthias Schimpf bei der offiziellen Eröffnung am Vormittag. Das Thema Nachhaltigkeit sei nach wie vor entscheidend für die Art und Weise, wie der Mensch in Zukunft leben wird und leben will.
Gesellschaftlicher Rückenwind
Schirmherrin war erneut Daniela Wagner. Die Bundestagsabgeordnete aus Darmstadt, die in Bensheim ihr Regionalbüro hat, bezeichnete die Veranstaltung als dialogische Plattform, die es ermögliche, die Menschen bei relevanten grünen Themen und ökologischen Zielsetzungen mitzunehmen. Die Erfahrungen der vergangenen Monate hätten – bei allen Problemen – auch positive Veränderungen im Bewusstsein vieler Menschen bewirkt, so Wagner.
An einer Transformation der traditionellen Wirtschafts- und Produktionsbedingungen führe kein Weg vorbei. Das Arbeits-, Produktions- und Konsumverhalten werde sich in den kommenden Jahren deutlich verändern. Millionenschwere Subventionen in eine industrielle Tierhaltung und eine ökologisch schädliche Landwirtschaft müssten jetzt gestoppt werden. „Es muss um Klasse statt Masse gehen.“ Im „dritten Dürresommer in Folge“ sei auch der Klimawandel nicht mehr kleinzureden.
Mit diesem Thema war man beim Klimabündnis Bergstraße goldrichtig. Die Initiative macht sich für einen ambitionierten und sozialverträglichen Klima- und Umweltschutz im Kreis Bergstraße stark. Und das auch in Zeiten der Pandemie. Die Energie-, Verkehrs- und Agrarwende dürften trotz der Coronakrise nicht außer Acht gelassen werden, betonte ein Mitglied am Infostand. Eine klimaneutrale und sozial gerechte Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft müsse jetzt einen politischen und gesellschaftlichen Rückenwind erfahren.
Wissenswertes zum Thema Fairer Handel präsentierten der Weltladen Sankt Georg und der Verein Oikocredit, der sich für nachhaltige Finanzanlagen einsetzt. Die Genossenschaft mit Ursprüngen in den Niederlanden zeigt Möglichkeiten und Wege, wie man mit einer Geldanlage weltweit eine nachhaltige und sozial gerechte Entwicklung fördern kann.
Oikocredit habe bislang über eine Milliarde Euro an Investorengeldern eingesammelt. Nach eigenen Angaben wurde seit der Gründung 1975 mehr als 37 Millionen Menschen in 70 Ländern geholfen. Mit dem Netzwerk Gemeinwohlökonomie war in Bensheim auch der benachbarte Landkreis Darmstadt-Dieburg vertreten. Deren Vertreter werben für ein Wirtschaftssystem, das sich statt an Wachstum an Nachhaltigkeit und Solidarität sowie am Wohl von Mensch und Umwelt orientiert. Das aktuelle Wirtschaftssystem stehe auf dem Kopf, meinen die Aktivisten. Geld sei zum Selbstzweck geworden, anstatt ein Mittel zu sein für das, was wirklich zähle: ein gutes Leben für alle.
Diesen Anspruch hätten am Samstag wohl alle Teilnehmer unterschrieben. Zum Beispiel der BUND Bergstraße, die darauf aufmerksam machte, dass Deutschland drei Mal mehr natürliche Ressourcen beansprucht als dem Land anteilig zustünden. Zu einer ressourcenschonenden Lebensweise gehöre eine überwiegend pflanzenbasierte Ernährung, ökologische Landwirtschaft sowie ein umwelt- und sozialverträglicher Konsum.
Ein direkter Verweis auf regionale Erzeuger wie den Hardthof, die Honigmanufaktur Wetzel und die Initiative Marktschwärmer Bensheim. Dazu gehört auch Bettina Fay vom Betrieb Rotes Höhenvieh vom Landbach. Seit 2008 züchtet sie die vom Aussterben bedrohte Rinderrasse Rotes Höhenvieh und beweidet mit den Tieren Naturschutzflächen im hessischen Ried.
Mit dabei waren auch das Kaufhaus Ganz, der Laden „Jahreszeiten – regional erleben“ sowie das Modelabel „Mainseam – upcycled fashion“, das nachhaltige Kleidungsstücke aus wiederverwerteten Stoffen fertigt. Die Gründerin und Grafik-Designerin Maren Schmitt gestaltet in Heppenheim Unikate aus recycelten Materialien nach dem Vorbild der Natur. Die Manufaktur hat den Anspruch, den Nachhaltigkeitsgedanken konsequent umzusetzen.
Zwischen Naturkosmetik, Elektro-Choppern und E-Cargo-Bikes hatte die Grüne Jugend an ihrem Informationsstand am Bürgerwehrbrunnen die Themen Gütesiegel, Lebensmittel und Kleidung im Blick. Unter anderem erfuhr man, wie die Kosten bei der Herstellung eines Shirts verteilt sind. Aus zwei alten Shirts nähte Mainseam auf Wunsch übrigens ein individuelles Bandana.
„Mit dem Bergsträßer Nachhaltigkeitsmarkt wurde ein inzwischen etabliertes Veranstaltungsformat in Bensheim geschaffen“, so ein Besucher am Stand von Oikocredit. Zum vierten Mal konnten Besucher innovative Konzepte und Unternehmen aus den Metropolregionen erleben und mit Produzenten vor Ort ins Gespräch kommen. Die Mund-Nasen-Maske hat dabei nicht gestört.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-gruene-meile-regt-zum-nachdenken-an-_arid,1675399.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html