Gronau. Anfang Februar ereignete sich im Südosten der Türkei in der Grenzregion von Syrien ein Erdbeben, das aufgrund seiner enormen Ausdehnung als das Erdbeben mit der höchsten Opferzahl seit dem Erdbeben 2010 in Haiti gilt. Laut Stand vom 20. März wurden in beiden Ländern knapp 57 000 Tote geborgen und mehr als 125 000 Verletzte registriert.
Fast jeder der in Deutschland lebenden türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürger ist aufgrund des großen Katastrophengebietes durch familiäre Beziehungen direkt betroffen. Das ist auch bei Hüseyin Ogras der Fall, der seit Dezember 2019 das „Gruneme Lädchen“ betreibt.
Viele leben in Containern
Seine Schwiegereltern leben im Osten der Türkei, gehören aber zu den Menschen, die Glück gehabt haben. Sie leben in einem 14-stöckigen Haus, das sie rechtzeitig verlassen konnten und das nicht eingestürzt ist. Dennoch mussten sie die ersten Tage nach dem Erdbeben in ihrem Auto übernachten, bis geklärt war, dass keine Einsturzgefahr mehr besteht.
Viele Menschen hatten aber nicht dieses Glück, denn von ihren Häusern und ihrem bisherigen Leben sind nur noch Trümmer übrig geblieben. Wer nicht die Möglichkeit hat, bei Familien oder Freunden in anderen Regionen des Landes unterzukommen, lebt in Zelten oder großen Containersiedlungen, die zunehmend entstehen. Bis der Wiederaufbau der zerstörten Städte und Dörfer abgeschlossen ist, dürften noch Jahre vergehen.
Nach den ersten Bildern und Nachrichten aus der Türkei war auch für Hüseyin Ogras schnell klar, dass geholfen werden muss. Auch von seinen Kunden im Lädchen wurde er auf Möglichkeiten der Hilfe angesprochen. Allerdings hat er kein großes Vertrauen in die türkischen Organisationen vor Ort, darum nutzte er seine persönlichen Kontakte für eine Spendensammlung.
Eine Aktion, die auch der Ortsbeirat Gronau aktiv unterstützte. In der Februar-Sitzung des Gremiums hatte Ortsvorsteher Stefan Hebenstreit dazu aufgerufen, angesichts dieser Erdbebenkatastrophe „biblischen Ausmaßes“ die Spendenaktion von Hüseyin Ogras zu unterstützen.
Das haben die Gronauer auch eifrig getan, so dass innerhalb kürzester Zeit 2000 Euro zusammenkamen, die inzwischen an mehrere betroffene Familien im Erdbebengebiet verteilt wurden.
Dank an die Spender
Für den Betreiber des „Gruneme Lädchens“ war das jetzt auch Anlass, sich für die bemerkenswerte Hilfe zu bedanken, die ohne die Gronauer und den Ortsbeirat so nicht möglich gewesen wäre. Auch wenn 2000 Euro im ersten Moment eher als geringe Spendensumme erscheinen, ist das an die Familien verteilte Geld eine große Hilfe und wurde dankbar angenommen.
Um die Verteilung des Geldes hatten sich vor Ort die türkischen Schwiegereltern gekümmert. Die 2000 Euro wurden auf 20 Briefumschläge je 100 Euro aufgeteilt und an besonders betroffene Familien verteilt. Zum Umschlag gehörte ein Papier, auf dem in deutscher, türkischer, kurdischer und arabischer Sprache den Gronauern gedankt wurde.
Gerne hätte Hüseyin Ogras seine Schwiegereltern nach Gronau eingeladen, wo er seit einiger Zeit wohnt. Die Bundesregierung hatte für solche Anliegen zwar eine Visa-Erleichterung angekündigt, doch zwischen der Ankündigung und der praktischen Umsetzung klafft eine große Lücke. Allein für einen Termin zur Beantragung gibt es bei dem dafür zuständigen Dienstleister in der Türkei Wartezeiten bis zu einem Jahr.
Aus diesem Grund hat sich der Gronauer jetzt dazu entschieden, mit seiner Familie seine Schwiegereltern in der Türkei zu besuchen. Der Anlass dafür ist ein ausgesprochen schöner, denn Hüseyin Ogras wird in diesen Tagen zum ersten Mal Vater. Angesichts der Situation vor Ort mit einem 14-stöckigen Hochhaus mitten im Erdbebengebiet kann er eine gewisse Sorge aber nicht unterdrücken.
Eine Sorge, die Ortsvorsteher Hebenstreit durchaus nachvollziehen kann, denn auch er sieht in wenigen Monaten erstmals Vaterfreuden entgegen. Dank sagt auch er den hilfsbereiten Gronauern für die Unterstützung und möglich gemachte Spendenaktion.
Jetzt geht es darum, die Einkaufsmöglichkeit in Gronau auch künftig so zu nutzen, damit das „Gruneme Lädchen“ das erforderliche Einkommen für das Auskommen der jungen Familie erwirtschaften kann. Seit fast 15 Jahren wird die Nahversorgung in Gronau bereits gesichert, immer wieder auch mit Unterstützung durch den Ortsbeirat, der die Vorteile einer Einkaufsmöglichkeit am Ort zu schätzen weiß. Andernorts bemüht man sich seit vielen Jahren vergeblich um ein solches Angebot. Für eine kurze Zeit hatte man es in Hochstädten geschafft, aber hier mussten letztlich die Türen wieder geschlossen werden.
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