Museum - Ausstellung „Silent Tears“ der Christoffel-Blindenmisson eröffnet / Bilder sind bis zum 1. August zu sehen

Gewalt gegen Frauen ist grenzenlos

Von 
Eva Bambach
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Im Museum wurde am Wochenende die Ausstellung „Silent Tears“ in Kooperation mit der Christoffel-Blindenmission eröffnet. Unser Bild zeigt (v..l.) Rainer Brockhaus (CBM-Vorstand), Bürgermeisterin Christine Klein und Mira Ballmaier (Team politische Bildung CBM). © Neu

Bensheim. In New York war die Ausstellung schon zu sehen, in Berlin soll sie demnächst gezeigt werden. Dass „Silent Tears“ nun in Bensheim ist, liegt daran, dass hier die Christoffel-Blindenmission (CBM) ihren Hauptsitz hat. Denn Kuratorin der Fotoausstellung in Deutschland ist Mira Ballmaier.

Die Mitarbeiterin der CBM hat mit ihrer Kollegin Michaela Röhl die Bilder, Texte und Videos zu Gewalt gegen behinderte Frauen im Sonderausstellungsraum des Museums arrangiert. Die Kooperation einer der größten und ältesten Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland mit dem Museum geht auf die Einrichtung der großen Archäologieabteilung im Obergeschoss zurück, die dank zweier Mitarbeiter der CBM auch für Sehbehinderte zugänglich ist, zum Beispiel durch QR-Codes, mittels derer die Informationen als Audiomaterial zur Verfügung gestellt werden – wie übrigens auch durchgängig in der aktuellen Sonderausstellung.

Mit einem Pressegespräch wurde „Silent Tears“ am Wochenende eröffnet, da Veranstaltungen wie eine übliche Vernissage derzeit noch nicht möglich sind. Bürgermeisterin Christine Klein unterstrich die Bedeutung der Möglichkeit, mit Kunst und Musik auf gesellschaftliche Themen aufmerksam zu machen.

Ein globales Problem

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Seit Jahren ehrenamtlich für das Frauenhaus Bergstraße engagiert, machte sie deutlich, dass Gewalt gegen Frauen ein wahrlich grenzenloses, nämlich globales Problem ist und laut WHO insbesondere häusliche Gewalt das größte Gesundheitsrisiko für Frauen darstellt – völlig unabhängig von Herkunft oder Bildungsgrad.

Frauen mit Behinderung tragen dabei ein nochmal mehrfach höheres Risiko. Ein großes Problem sei die Tabuisierung, sagte Klein. Das Gefühl, einen Anteil an der Schuld zu haben und die Erniedrigung durch die erlittene Gewalt verhinderten, dass Frauen öffentlich über das Erlebte sprächen.

In der Ausstellung melden sich die Frauen nicht nur zu Wort, sondern sie zeigen auch ihr Gesicht. Jedoch jede auf ihre Weise, sagte Kuratorin Mira Ballmaier: Alle Texte stammen von den Frauen selbst und sind nur genau so ausführlich, wie diese selbst es für richtig hielten. Es gab keine redaktionellen Eingriffe. Manche Frauen nennen sich mit vollem Namen, andere nur mit ihrem Vornamen oder sie bleiben ganz anonym.

Manche hat die Arbeit an dem Fotoprojekt zur Aktivistin für Frauenrechte gemacht, andere setzen sich weiter eher im Inneren mit dem Problem auseinander. Sowohl Frauen, die wegen ihrer Behinderung Opfer von Gewalt wurden, als auch Frauen, die durch die erlittene Gewalt behindert geworden sind, stehen im Fokus.

Unter anderem mit der Förderung lokaler Selbsthilfegruppen bemüht sich die CBM, die doppelte Diskriminierung behinderter Frauen zu bekämpfen, erklärte CBM-Vorstand Rainer Brockhaus. Man helfe den Frauen, Arbeit zu finden und ihre Rechte kennenzulernen.

Die Ausstellung geht auf ein australisches Künstlerkollektiv zurück. Belinda Mason, Dieter Knierim, Margherita Coppolino und Denise Beckwith ermutigten Frauen in vielen Ländern, ihre Geschichten zu erzählen und sie fertigten Porträts von ihnen an. 24 Frauenschicksale lernen die Bensheimer Ausstellungsbesucher auf diese Weise kennen, auf einer Reise rund um die Welt, die auch Deutschland nicht ausspart.

Neben den Texten gibt es schwarz-weiße Porträts, die meistens die Frauen selbst zeigen, aber auch manchmal stellvertretend wichtige Gegenstände oder Orte, die die Frauen als prägend erlebten. Während die Texte meist ebenso nüchtern wie verstörend Bilanz der erfahrenen Gewalt ziehen, sind die Fotos daneben Zeichen des Überlebens. Sie zeigen Frauen, die weiter ihren Weg gehen, und stilisieren sie dabei weder als Opfer noch als Heldinnen. Ergänzende Informationen geben mehrere Videobeiträge, in denen zum Teil auch wieder die Frauen selbst zu Wort kommen.

Großformatige Farbfotos

Visuell bestimmendes Element der Ausstellung sind großformatige Farbfotos auf transparentem Acrylglas, die zum Teil quer zur Laufrichtung des Besuchers und ihn damit behindernd und einschränkend aufgehängt sind. Diese Fotos sind inszenierte Porträts der Opfer und setzen die erlittene Gewalt bildhaft um.

Gelingt es dem Betrachter noch, Distanz aufzubauen beim Lesen der Berichte – in Deutschland wird ein behindertes Mädchen von den Eltern zum sexuellen Missbrauch verkauft, in Südafrika wird eine Albinistin misshandelt, in Indien wird eine Frau durch ein Säureattentat ihres Ehemannes verstümmelt, eine andere wegen ihrer Behinderung vom Schulunterricht ausgeschlossen, und in Guatemala wird einer jungen Tänzerin die Wirbelsäule zerschossen, um nur einige Beispiele zu nennen –, so erlauben die großen Farbfotos kein Ausweichen.

Doch ist kein einziger Tropfen Blut zu sehen, im Gegenteil: Es sind saubere, oft „unsichtbare“ weil transparente Materialien wie Wasser, Folien oder Kunststoffe, die die Frauen bildlich zum Ersticken und Verstummen bringen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 1. August im Bensheimer Museum zu sehen. Derzeit ist wegen beschränkter Besucherkapazität eine Voranmeldung per Telefon (06251/ 5847865) oder E-Mail (museum@bensheim.de ) nötig, die aber auch kurzfristig erfolgen kann. Es empfiehlt sich, die tagesaktuellen Regelungen auf der Homepage unter www.stadtkultur-bensheim.de/museum abzurufen.

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