Bensheim. Ein Ort für lebendige Debatten und demokratische Beteiligung: Das ist das Forum der Geschwister-Scholl-Schule (GSS). Am Donnerstagvormittag hat der Kultusminister des Landes Hessen, Armin Schwarz (CDU), auf dem 16. Scholl-Forum mit den Schülern über bessere Bildung, demokratische Teilhabe und internationale Zusammenarbeit gesprochen.
Auch Schüler des Alten Kurfürstlichen Gymnasiums (AKG) waren dabei, der Saal daher mal wieder voll besetzt. Schließlich zeichnet das die GSS aus, seitdem der heutige Schulleiter Thomas Stricker und der Fachbereichsleiter für Gesellschaftswissenschaften, Stefan Trier, Ende der Zehnerjahre in die Schulleitung der GSS gerückt sind: Sie bringen hochkarätige Gäste ins Forum, die auch Interessierte anderer Schulen anlocken.
Dabei scheuen die Verantwortlichen der GSS keinen Konflikt, sondern sie suchen den Dialog. Ein Beispiel: Obwohl oder gerade weil die Schule im Bensheimer Westen für religiöse Vielfalt steht und viele Schüler muslimischen Glaubens hat, pflegt sie seit einigen Jahren enge Beziehungen nach Israel. Es sei wichtig, „das Politische vom Menschlichen zu trennen“, sagte Stricker zu den Gästen. Darunter waren viele Oberstufenschüler, die wenige Jahre zuvor noch den Haupt- und Realschulzweig der GSS besucht hatten. Ein Zeichen dafür, wie gut die individuelle Entwicklung der Schüler gefördert wird.
Dann trat Minister Schwarz nach vorn und berichtete von Antisemitismus in Deutschland. So erzählte er von einer „Horde junger Männer mit wehenden Palästinaflaggen“, die ihm zwei Tage nach dem 7. Oktober 2023 in Berlin begegnet sei und gefeiert habe. Zur Erinnerung: Die Hamas hat an diesem Tag Israel überfallen. Schwarz war im September in Israel zu Gast. Eine Erkenntnis aus seinem Besuch: Raketenalarme gehören zum Alltag der Schüler. Selbst während seines Besuchs habe er einen solchen Alarm erlebt, sagte Schwarz. Dem Minister zufolge gibt es derzeit 20 Partnerschaften zwischen Schulen in Hessen und Israel, bis Ende des Jahres sollen es 25 werden.
Die Geschwister-Scholl-Schule ist bekanntlich schon jetzt dabei, weshalb der Minister die Bildungsstätte als „Leuchtturm“ des internationalen Austauschs bezeichnete. Zudem hob der ehemalige Lehrer hervor, dass Demokratie vom Mitmachen lebe. So motivierte er gleich mehrfach die Schüler dazu, sich mehr zu engagieren, zum Beispiel in den Jugendverbänden der Parteien, um die Zukunft in der Heimatregion mitzugestalten. Auch sprach er den Schülern Mut zu, sich gegebenenfalls für die Kommunalwahl im nächsten Jahr aufstellen zu lassen und sagte: „Die Zukunft des Landes befindet sich in den Klassenzimmern.“
Schüler haben reingere Aufmerksamkeitsspanne
Diese Äußerungen nahmen die souveränen Moderatoren Jonas Celik, Lotte Gebauer und Florian Czyrt auf und legten in der Fragerunde einen Schwerpunkt auf Bildungspolitik. Jonas Celik wies darauf hin, dass soziale Medien von extremistischen Gruppierungen ausgenutzt würden und wollte vom Minister wissen, welche Rolle digitale Medien im hessischen Lehrplan spielen. Schwarz sagte, dass es für Lehrer mehr Fortbildungen als früher brauche und plädierte für einen kritischen Umgang mit Antworten, die von künstlicher Intelligenz kommen. Etwa 30 Prozent seien fehlerhaft, so Schwarz. Dazu kämen die sozialen Medien als weitere Gefahr, die Informationsflüsse verändert und die Aufmerksamkeitsspanne der Schüler verkürzt hätten.
Moderatorin Gebauer widmete sich der sogenannten Holocaust-Education, einem Schwerpunkt der Geschwister-Scholl-Schule. Zwar lehnte der Minister einen verpflichtenden Besuch von Gedenkstätten ab, plädierte stattdessen für einen „niedrigschwelligen Zugang“, sagte aber auch: „Wer einmal in Auschwitz oder Theresienstadt war und diese Kälte erlebt hat, vergisst das nicht. Wer das einmal erlebt hat, der ist verändert.“ Zudem bleibe durch einen Besuch im Gedächtnis, „was Menschen mit Menschen machen können“.
Schwarz empfahl, sich mehr mit Lokalgeschichte zu beschäftigen. Man müsse nicht immer nach Auschwitz fahren. „Es gibt so viele Gedenkstätten und Biographien vor Ort, mit denen man sich auseinandersetzen kann.“ Im Geschichtsunterricht solle nicht nur auswendig gelernt werden, stattdessen müsse der Unterricht „mit Leben gefüllt werden“, um „nachhaltiger“ zu sein.
Bereits zuvor hatte der Minister die Arbeit der Geschichtswerkstatt der Geschwister-Scholl-Schule gelobt, in der Schüler seit etwa drei Jahrzehnten zur Lokalgeschichte forschen. Überhaupt wurde in diesen rund 90 Minuten viel historisches Wissen vermittelt, verbunden mit einem Hauch Heimatstolz. Schwarz ließ es sich nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass die am 1. Dezember 1946 durch einen Volksentscheid angenommene Verfassung des Landes Hessen älter ist als das Grundgesetz. Damit ist sie zudem die älteste Landesverfassung, die noch in Kraft ist.
Moderator Czyrt wies dann noch auf ein anderes Thema hin: die mentale Gesundheit der Schüler. So zitierte er eine Studie, wonach etwa ein Fünftel der Schüler psychisch belastet ist. „Corona hat etwas verändert in dieser Gesellschaft“, der persönliche Kontakt habe in den vergangenen Jahren gelitten, sagte Schwarz. Wenngleich der Minister für mehr gesellschaftliches Engagement plädierte, war seinen Ausführungen zu entnehmen, dass es bei der Freiwilligkeit bleiben soll.
Sich zum Beispiel nach dem Schulabschluss für zwölf Monate zu engagieren, sei zwar „sehr, sehr vernünftig“ und „hilfreich“, doch für ein soziales Pflichtjahr sprach sich der Minister nicht aus. Stattdessen wählte er ein Zitat des ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy, um seiner Position Nachklang zu verleihen: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst.“
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