Besichtigung

Wie die Gerberei in Bensheim zur Stadtbibliothek werden soll

Nicht alle Medien werden im historischen Gebäude in der Platanenallee untergebracht werden können. Teile des Untergeschosses sind nicht nutzbar. Jetzt wurde die Planung angepasst.

Von 
Anna Meister
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Am Dienstagabend besuchten die Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung die Alte Gerberei. © Thomas Neu

Bensheim. Aus zwei mach eins – das dachte sich die Mehrheit der Bensheimer Stadtverordneten, als sie im Oktober relativ überraschend beschlossen, den Übergangsstandort für die Stadtbibliothek in der Schwanheimer Straße 151 doch wieder zu kippen (wir haben berichtet). Zu diesem Zeitpunkt lief der Mietvertrag für das Gebäude bereits einige Monate. Zurückgerudert war das Gremium wegen der hohen Kosten für die Renovierung und die nötigen Elektroinstallationen in dem Gebäude, das sich nicht in städtischer Hand befindet.

Hauptkritikpunkt war in diesem Zusammenhang, die Verwaltung habe die anfallenden Kosten für die Umbaumaßnahmen nur häppchenweise dargereicht. Dies weist Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung allerdings zurück: Für eine genaue Kostenschätzung brauchte es detaillierte Vorarbeiten, Analysen und externe Gutachten. Diese wiederum konnten erst nach Freigabe der zur Beauftragung nötigen Mittel durchgeführt werden.

Aktuell prüft die Stadt, wie man sich mit dem Eigentümer auf eine faire Lösung einigen kann. Initiiert wurde der Ausstieg aus dem Mietvertrag von der Koalition, auch BfB und VuA stimmten zu. Grüne und FWG indes waren mit ihrem Antrag, die Stadtbibliothek im Neumarkt zu reaktivieren, gescheitert.

Erste Aufträge zur Umgestaltung sind ausgeschrieben

Nun muss man also – für die einen zur Freude, für die anderem zum Verdruss – mit dem arbeiten, was übrig geblieben ist: die Alte Gerberei. So mancher kennt die Räumlichkeiten noch aus Varieté-Tagen, damals in schummriger Atmosphäre. Wie die Räume bei Tageslicht wirken, davon konnte man sich dieses Jahr bei einem Bücherflohmarkt einen ersten Eindruck verschaffen.

Mit dem Einzug der Stadtbibliothek soll noch mehr Helligkeit die Alte Gerberei durchfluten. Die ersten Aufträge zur Umgestaltung sind ausgeschrieben. Am Dienstagabend kamen in dem historischen Gebäude zahlreiche Mitglieder der Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung zusammen.

Nicole Rauber-Jung, Architektin Nicole Fabian vom städtischen Team Gebäude und Freiflächen sowie die mit den Planungen beauftragte Architektin Doris Gölz aus Bensheim standen für eine Führung bereit und beantworteten Fragen. Weshalb die Begehung nicht vor der Entscheidung, sich von dem zweiten Übergangsstandort zu verabschieden, stattfand, blieb an diesem Abend unbeantwortet.

Die Theke soll weichen, um Platz für weitere Regale zu schaffen

Nicole Fabian stellte den Gästen die Ergänzungen vor, die sie und ihr Team gemeinsam mit Gölz erarbeitet haben. „Wir haben noch einmal genau geprüft, wie viele Medien in der Gerberei unterkommen können.“ So könnte durch den Rückbau der Theke im Erdgeschoss zusätzlicher Platz für etwa 2400 Bücher entstehen. In der ursprünglichen Planung sollte sie erhalten bleiben, das gibt die Platznot allerdings nicht mehr her. Derzeit sind 37 000 Medien im Besitz der Stadtbibliothek, für 10 000 bietet die Alte Gerberei Platz.

Spannend bleibt, ob der Theken-Rückbau ebenerdig erfolgen kann – das hängt von der darunter gelegenen Bausubstanz ab. „In einem alten Gebäude wie diesem müssen wir behutsam vorgehen und den Bestand Stück für Stück demontieren.“ Vor Ort haben hierzu bereits einige Schreiner-Termine stattgefunden. Nicht nur die Bausubstanz, auch die Unterhaltungskosten für die Alte Gerberei mit ihren hohen Decken könnten im Betrieb für Überraschungen sorgen.

Statische Prüfung läuft derzeit

Um weiteren Platz für Medien zu schaffen, haben die Planerinnen auf der Galerie im Obergeschoss zusätzliche Regale eingeplant. Ob das umsetzbar ist, müsse die statische Prüfung zeigen, die derzeit läuft. „Erst, wenn das OK vorliegt, können weitere Bücher untergebracht werden“, ergänzte Doris Gölz. Das sei unabhängig von den vorangegangenen Planungen, für die alle nötigen Genehmigungen vorhanden sind.

Das bauliche Konzept sieht wie folgt aus: Im Eingangsbereich soll die Medienausleihe mit Selbstverbucher-Theke unterkommen, die Bühne wird mittels einer Sitzstufe in den Raum integriert. Alle Elemente auf der Bühne werden auf Rollen stehen, um die Fläche weiterhin für Veranstaltungen, in erster Linie für Kinder, nutzen zu können.

Die Angebote, die an die Jugendlichen adressiert werden sollten, hatten ihren Platz ursprünglich in der Schwanheimer Straße und müssen nun in das Konzept in der Alten Gerberei integriert werden. Wie das geschehen soll, bleibt dem Team der Stadtbibliothek überlassen. Ein Vorteil des Standortwegfalls: Dort hätten neue Regale beschafft werden müssen. Das sei in der Alten Gerberei kaum notwendig, da viele Elemente aus dem Bestand im Neumarkt wiederverwendet werden können.

Die Alte Gerberei ist nicht barrierefrei

Die Ornamente, die derzeit die Fenster zur Straße hin zieren, sollen weichen, sodass mehr Licht in den Raum dringen kann. Im hinteren Bereich des Erdgeschosses ist eine Abtrennung für einen Materialraum geplant. Die Toiletten bleiben wie bisher im Untergeschoss. Zwar gibt es auch ein Behinderten-WC im Gebäude, das macht die Alte Gerberei aber bei weitem nicht barrierefrei.

Hierfür bräuchte es unter anderem Rampen für Menschen im Rollstuhl oder mit Gehbehinderung. Die würden allerdings nur ins Erdgeschoss führen, die Galerie bliebe trotzdem nur über die Treppe erreichbar. Dies wurde seitens der Verwaltung bereits vor mehreren Wochen kommuniziert. „Leider können wir das in der Alten Gerberei nicht darstellen“, sagte Rauber-Jung. An dieser Stelle gestattete sie sich den Kommentar, dass das in der Schwanheimer Straße anders ausgesehen hätte.

Dort waren ursprünglich auch die Arbeitsplätze für die Mitarbeitenden vorgesehen. Ein kleines Büro in der Alten Gerberei zur Vorbereitung von Veranstaltungen kann nur bedingt Abhilfe schaffen. Die weitere Entwicklung sei auch von der personellen Struktur im Team der Stadtbibliothek abhängig. Wer dieser Tage die Stellenanzeigen in dieser Zeitung studiert hat, könnte bemerkt haben, dass der Eigenbetrieb Stadtkultur zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine neue Leitung der Institution sucht. Aktuell, informierte Fabian, sind die Mitarbeiterinnen der Einrichtung im Rathaus untergebracht. Möglicherweise müssten weitere Räume angemietet werden.

Was soll mit den anderen Medien passieren?

Stichwort weitere Räume: Wo sollen die Medien unterkommen, für die in der Alten Gerberei kein Platz ist? Zumindest ein Teil könnte Nicole Rauber-Jung zufolge im Stadtarchiv in der Darmstädter Straße eingelagert werden. „Dann wären sie der Öffentlichkeit allerdings nicht zugänglich“, merkte sie an. Das Einlagern von Medien ergebe nur bedingt Sinn, denn nach drei bis fünf Jahren sei der Bestand veraltet.

„Das Team der Bibliothek wird abwägen müssen, welche Medien künftig angeboten werden sollen. Die Einrichtung kann sich Neuanschaffungen nicht verschließen und so wird es im Bestand immer eine gewisse Fluktuation geben.“ Rauber-Jung hofft an dieser Stelle auf gewinnbringende Impulse der neuen Leitung. Bleibt zu wünschen, dass sich schnell eine Person findet, die diese Herausforderung annimmt.

Kellergeschoss und Wintergarten sind ungeeignet

Abhilfe beim akuten Platzmangel kann auch das Kellergeschoss der Alten Gerberei nicht schaffen. Einst wurde der „Rieselkeller“, wie Fabian ihn nannte, gastronomisch genutzt. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit können dort aber unmöglich Medien, egal ob Bücher, CDs oder DVDs, eingelagert werden. Auch für die Schaffung von Arbeitsplätzen sei das Gewölbe mangels Tageslicht nicht geeignet. Das alles habe man mehrfach geprüft. Nach den Toiletten sei im unteren Stock Schluss.

„Der bauliche Aufwand, den es bräuchte, um zusätzliche Lagerflächen zu schaffen, wäre enorm und stünde in keinem Verhältnis zum Nutzen.“ Die Bücher dort unten einzulagern, ohne etwa für ein trockenes Raumklima zu sorgen, wäre nicht zielführend. „Sie würden davon schnell starken Schaden nehmen.“ Zudem wäre die Erweiterung des Brandschutzkonzeptes nötig, würden im Kellergeschoss kistenweise Bücher stehen. Ähnliche Probleme stellten sich auch im an das Gebäude angrenzenden Wintergarten dar. Entsprechend frustriert ob dieser Nachrichten verließen die Fraktionsmitglieder das Kellergeschoss schnell wieder. Nun bleibt also abzuwarten, wie die Stadtbibliothek sich in diesem (sehr) begrenzten Raum entfalten kann.

Redaktion

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