Bensheim. Der Keller war voll und auf der Bühne gab es „geballte Blechpower“ – aber definitiv keine Big Band, die den Zuhörern am Sonntagabend die Ohren aus dem Kopf geblasen hätte, sondern eine Art Kammer- oder Taschenversion davon: Pocket Brass nennt sich das Trio aus Bernd Lechtenfeld (Posaune), Ralph „Mosch“ Himmler (Trompete) und Achim Fink (Tuba).
Die drei Blechbläser brachten zwar ordentlich genug Nachdruck mit, das Besondere waren aber die eher leisen Töne und die mitunter zarten Plaudereien zwischen den drei Instrumenten, die in ihren Eigenheiten und Potenzialen in der quantitativen Beschränkung differenziert zur Geltung kommen konnten. „Power“ stimmte aber auf alle Fälle, auch in Hinblick auf die Qualität der Musiker, alle drei sind Mitglieder in vielen namhaften Ensembles und auch mit großen Namen auf der Bühne gewesen, bis hin zu einst Miles Davis beim Jazzfest Berlin 1985.
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Ein Genuss wurde der Abend nicht zuletzt für die Liebhaber der tiefen Töne. Selten hat man Gelegenheit, die Tuba in ausführlichen solistischen Passagen zu erleben. Bei Pocket Brass aber gibt es das, nicht nur in den Eigenkompositionen von Bernd Lechtenfeld, sondern auch in den Arrangements, die dieser für das Trio geschrieben hat. Zum Beispiel die Version des Standards „Comes Love“, bei der die Tuba die Melodie hat und es – wie in vielen anderen Stücken ebenso – auch lautmalerisch zur Sache geht.
„Man kann auch mit wenigen Tönen gute Sachen machen“, kommentierte Tubist Achim Fink. In der Tat. Und man kann für bestimmte Instrumente geschriebene Musik mit Gewinn auf andere übertragen. Das zeigte unter anderem Lechtenfelds Interpretation von „Do Like Eddie“ von John Scofield, das ursprünglich von dem sehr individuellen Sound des Jazz-Gitarristen geprägt ist.
Ganz neu, ein bisschen schräg und mit einer guten Portion Spott und Witz klang dann das von dem Jazz-Posaunisten Juan Tizol zusammen mit Duke Ellington in den 1930er Jahren geschriebene und damals von Tizol mit viel Vibrato versehene „Caravan“. Mit Ennio Morricones Filmmusik zu „Cinema Paradiso“ aus dem Jahr 1988 verließ Pocket Brass den Bereich der Jazz-Standards – doch in Lechtenfelds Arrangement mit einigen Ergänzungen passte es gut ins Programm.
Spannend auch die Aneignung von drei Stücken des Akkordeonisten Richard Galliano, warm und temporeich zum Beispiel beim „Tango pour Claude“ – und eine spieltechnische Herausforderung: „Auf dem Akkordeon geht das viel leichter“, monierte der Posaunist.
Kann man das Pausenzeichen des Deutschlandfunks zum Grooven bringen? Ja, wenn man es kann, so wie die drei auf der PiPaPo-Bühne, als „Welturaufführung“ in Es-Dur (Tuba und Posaune beziehungsweise transponiert in F-Dur (Trompete). Begeisternd im zweiten Teil war nicht zuletzt Paul McCartneys „Blackbird“ – Bravo-Rufe hier und ein nachdrücklicher Applaus am Ende des musikalisch erlebnisreichen Abends mit sich sehr nahbar gebenden Musikern brachten zwei Zugaben ein, darunter Billy Prestons „You are so beautiful“, zärtlich geblasen. Im nahezu ausverkauften PiPaPo-Keller ein schöner Ausklang für einen Musikabend in entspannter Club-Atmosphäre.
Einen Monat später als üblich hat damit die Jazz-Reihe des Förderkreises für Kleinkunst und Kultur begonnen, die Verzögerung war diesmal nicht der Pandemie geschuldet, sondern der Teilnahme am Jazz-Sommer.
Als Nächstes steht am Sonntag, 27. November, um 19 Uhr mit dem Axel Schlosser Trio ein Konzert einer eigenen Formation des gefragten Trompeters an. Mit Thilo Wagner am Klavier und Jean-Philippe Wadle am Kontrabass setzt er sich mit den Anfängen des Jazz auseinander – ein Tribut an Louis Armstrong und Duke Ellington und absehbar ein Leckerbissen für alle Fans der Jazztrompete.
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