Elferratssitzung - GRF starten Kampagne mit kurzweiligem Programm im ausverkauften Bürgerhaus

Funken sprühen vor Witz und Energie

Von 
Thomas Tritsch
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Bensheim. Wer wird der nächste Bürgermeister? "Entweder en Bensemer odder e Fraa!" Souverän, frech und pointiert servierte Ober-Indianer Rolf Weihrich einmal mehr eine launige Momentaufnahme der Bensheimer Verhältnisse. Bei der ersten Elferratssitzung im rappelvollen Bürgerhaus war Weihrichs Auftritt am Samstagabend eine knackige Sternstunde in einem auch ansonsten fein gemixten Programm, mit dem die Grieseler Rote Funken traditionelle Fastnacht mit frischen Elementen ausgarnieren.

Das Publikum beklatschte eine Mischung aus Büttenreden, Gesang und knackigen Tanzeinlagen. Und mittendrin Weihrich mit identifikationsstiftendem roten "Bensem"-Jäckchen und geölter Zunge, die sich erfreulicherweise nicht in höllische Odenwälder Bissreflexe einreihen will. Das wäre ja auch allzu einfach gewesen für einen versierten Fastnachter. Weihrich nur so viel dazu: "Bei Hölle habe ich eigentlich an einen anderen Ort gedacht!" Ein Gruß nach Süden, der Osten bleibt unkommentiert.

Vom Kurzurlaub in der Wetterau

Auch in Bensheim würde man, wie im schlimmen Berlin, an ihm vorbeigehen, wenn er regungslos auf dem Hauptstraßenpflaster läge. "Aber jeder zweite würde sagen: Guggemol, do liegt de Weihrich!" Aber zum Glück war der Erste Vorsitzende bei vollem Bewusstsein und topfit in Form, um über heimatliche Zustände und übers politische Fremdgehen zu plaudern.

Thorsten Herrmanns Kurzurlaub in der "Tourismus-Hochburg" Wetteraukreis, wo sie komisch reden ("Wearrera") und lieber SPD wählen als den schwarzen Direktimport von Lucia Puttrich, die ihren Thorsten schon irgendwo unterbringen wird. "Immerhin hat Herrmann zehn Prozent der Wähler bewegt", so Lehrer Rolf Weihrich über dessen 36 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 28 Prozent.

Für Bensheim überqualifiziert?

Wer daheim ins Rathaus einzieht, verfolgt der Fastnachter mit Spannung. "Die SPD wollte einen echten Klotz gegen ein politisches Schwergewicht", kommentiert er das Duell zwischen Sylvia Kloetzel und Rolf Richter, bei dem sich zuletzt auch Franz Apfel eingeklinkt hat. Die SPD-Frau sitzt in Otzberg in der Gemeindevertretung. "Ob sie da nicht überqualifiziert für unseren Posten ist?" so Weihrich, der nur kurz den Blick über den Tellerrand hebt und auf Berlin justiert: "Die Merkel hat einen Skiunfall, aber die Krücken im Kabinett." Er lästert über die Helm-Frisur der Verteidigungsministerin, die den Krieg familienfreundlich macht ("Mehr Kitas am Hindukusch") und die Bundeswehr mit Krabbelgruppen statt Bodentruppen ausstaffiert. Ins Finale joggt er dann mit einem Dialog seiner Figuren "Kedda un Bawett" - der Saal tobt und fordert mehrere Zugaben.

Die Funken-Fastnacht 2014 kommt flott, ungebremst und ohne inhaltsarme Warteschleifen. Das Menü ist straff, kontrastreich und dramaturgisch gut durchkomponiert. Der Protokoller Heinz Burger servierte eine unaufgedrehte Jahresbilanz von der NSA-Affäre über den Pferdefleischskandal bis zum Abflug der Grünen-Chefin Claudia Roth, in der Burger eine Art unbemannte Drohne erkennt. Auch der Protokoller nahm das Karriereexperiment des Bürgermeisters auf und sieht Herrmanns Zukunft schon "beim Endlager in Biblis".

Es dürfte eine Premiere gewesen sein: Harry Stastny und Sibylle Weihrich in einem Doppel als älteres Ehepaar, das sich an einer Büttenrede die dritten Zähne ausbeißt. Er als ungereimter Wortverdreher, der im schiefen Rhythmus falsch betont und Silben zerkaut. Das Zwingenberger Bütten-As hatte gegen Ende des Abends noch ein großes Solo.

Millionärsgattin landet Volltreffer

Sitzungspräsident Guido Grünhag gab sich erfrischend lakonisch und schenkte die Redezeit lieber dem Bühnenpersonal. Zum Beispiel Anne Vogd, die auch bei ihrem zweiten Auftritt in der GRF-Bütt einen Volltreffer gelandet hat. Als durchweg blonde Millionärsgattin eroberte die Rheinländerin das Publikum im Sturm, als sie über ihren "körperlich expandierenden" Gatten herzog ("Ein menschlicher Seniorenteller") und über die Qualität des Älterwerdens philosophierte: "Lieber 50 Jahre richtig gelebt als 70 Jahre nur dabei gewesen." Die Figur ist ein fleischgewordenes Piccolo im silbern-plüschigen Holzhammer-Jet-Set-Look. Eine unbedingte Bereicherung der Funken-Familie, die sich mit Anne Vogd eine veritable Rampensau angelacht hat.

Rotzfreche Comedy ohne Tabus

Ebenfalls zum zweiten Mal dabei ist der 18-jährige Lukas Bendig. Der Fehlheimer bricht mit dem klassischen Karneval-Modus und macht rotzfreche Comedy fast ohne Tabus. Als grenzwertiger Reiseleiter verscheuert er Diät-Trips nach Äthiopien und strahlende Urlaubstage in Fukushima.

Musik und Tanz wurden im Bürgerhaus in appetitlichen Dosen serviert. Teuflisch das Kinderballett, glamourös die Mittleren und die Funkengarde, zum Abheben kosmopolitisch das Showballett. Die Bänkelsänger Alfred Hogen und Jürgen Röhrig rockten das Haus mit dreckigen Stromgitarren etwa bei "Hoamgei noch Zell" ("Highway to hell"). Hogen sah aus wie Keith Richards, der in ein "Lewwerworschdebrot" beißt. Der Klassiker durfte bei der Premierensitzung natürlich nicht fehlen.

Blaublütiges Gewimmel

Ebenso wenig die Grieselsänger, ein Konglomerat aus harmonischen Stimmen und würzigen Arrangements, das diesmal als blaublütiges Gewimmel auf die Bühne kommt. Die Bensemer Royals präsentieren bekannte Melodien mit närrischen Texten. Das Gastspiel der königlichen Gesellschaft markierte das lange Finale des ersten Programmteils. Der "Brotworschtwender" von Andreas Rau, den der Sänger als "Thronanwärter" eingeleitet hatte, wurde mit saftigem Beifall belohnt.

In der Pause öffnete die Kölsch-Bar, kulinarisch eine der besten Ideen der Bensheimer Fastnacht. Süffig ging es weiter mit Sibylle Weihrich und ihrem Funken-Quartett, das einen Trip in die Steinzeit inszenierte. Dabei wurde klar, dass man die Evolution nicht austricksen kann. Manche Dinge verändern sich nie. Zum Beispiel die kurzweilige Funken-Fastnacht, die am 8. und am 28. Februar sowie am 1. März drei weitere Runden erlebt. Die Rosenmontagssitzung findet am 3. März statt.

Karten über Klaus Pongratz, Telefon 06251/39589 oder klaus.pongratz@t-online.de

Die Mitwirkenden

Elferrat: Hans Ambos, Moritz Ambos, Rainer Bauer, Andreas Domesle, Rudi Gabelmann, Andreas Gölzer, Mathias Hoppe, Wolfgang Kindinger, Klaus Pongratz, Helmut Reuter, Thomas Stockmann, Markus Strauß, Thomas Voos, Wolfgang Valler, Jakob Voos

Sitzungspräsident: Guido Grünhag

Harlekine: Maybrit Radünz, Marie Molz

Mittelballett: Sarah Eberle, Sophia Lindemann, Tonia Sanner, Caterina Mandel, Mara Schubert, Barbara Stenger, Vivian Wrede, Celine Sumalowitsch, Emma Wenninger; Leitung: Leslie Held

Showtanz: Meike Haas, Caterina Mandel, Johanna Pröckl, Laura Schlappner, Mara Schubert, Anke und Silke Schönauer, Barbara Stenger, Jessica Woißyk; Training: Johanna Pröckl

Kinderballett: Stella Bertuzzi, Lilli Lohölter, Franziska Pawel, Carolina Müller, Florian Ritter, Isabelle Ritter, Emilia Lunscher, Sophia Müller, Catarina Lowin, Mariella Roßner, Clara Mühlum, Katharina Reimund, Julia Thieme, Fabian Ritter; Training: Claudia Bauer, Brigitte Krüger

Gardeballett: Anne-Sophie Gärtner, Nicole Gölzer, Meike Haas, Alina Lerchl, Susanne Pfeifer, Helen Schneider, Mara Schneider, Janina Schödel, Carina Strauß, Elisa Tschapek; Training: Nadja Strauß

Grieselsänger: Anita Mühlum, Elke Opper, Gudrun Nowak, Jörg Tennigkeit, Stefan Rinnenburger, Frank Opper, Andreas Rau, Anke Schönauer, Rolf Weihrich; Leitung: Rolf Weihrich

Kostüme/Ausstattung: Claudia Bauer, Angela Guthier, Stefanie Ritter, Anne Storch, Nadja Strauß, Christina Lauth, Steffi Vandenhoeck, Bettina Weihrich

Kapelle: Tom's Company. tr

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