Bensheim. Fastnacht pur, gerade heraus, ziemlich frech, ein bisschen frivol und selbstironisch - dafür ist die Bensheimer Frauenfastnacht bekannt. So treffsicher wie in dieser Kampagne haben die Närrinnen allerdings schon lange nicht mehr über Gott und die Welt fabuliert. Höhepunkte herauszupicken ist schier unmöglich - weil das Gesamtpaket und die närrische Mixtur mit alten Hasen und jungem, knackigen Gemüse einfach perfekt sind. Frauenpower eben. Die Premiere war eine Granate. Die Stimmung bombastisch.
Ein Riesenkompliment gebührt Langzeitpräsidentin Renate Petermann (Bild), die gewohnt schlagfertig und charmant dem Publikum im Kolpinghaus ihre Kolleginnen in der Bütt vorstellt. Kleine Seitenhiebe mit inbegriffen. Beispielsweise auf die Stadt Bensheim, die dem weiblichen Elferrat doch tatsächlich drei Flaschen Sekt spendiert hat: "Wir haben ihn in 93 Schnapsgläschen gefüllt", frotzelt Petermann und bedankt sich gleichzeitig bei einem benachbarten Weingut für die großzügige flüssige Gabe.
Die Männerwelt muss sich bei der Frauenfastnacht einmal mehr warm anziehen. Singlefrau Petra Täubel, als forsche Emanze angekündigt, lässt kein gutes Haar am starken Geschlecht. "Eine seltsame Laune der Natur" sei es, die sich "vom stotternden Hahn zum gerupften Federvieh" mutiert hat.
Die beiden schrägen Strandnixen mit dem großen Mundwerk, Ute Bernschneider und Ulrike Meyer, lamentieren auf hohem Niveau, dass sich im Bett nix mehr tut: "Mein Mann kann mich nicht mehr richtig wuschig machen".
Was das Bensheimer "Kreisel-Syndrom" ist, darüber klären die Bauarbeiter Johanna Förg, Martina Pongratz und Hannelore Rapp die Narrenschar auf. Die Handwerksburschen/-mädels machen keinen Hehl aus ihrer Meinung übers Bürgerhaus und auch nicht über den Hessentag. Dass für die Dixie-Klos am Hessenfest 600 000 Euro lockergemacht werden sollen, halten sie für gut angelegtes Geld, denn, "gepinkelt wird schließlich immer".
Und dass die Heppenheimer Straßenfastnacht sich schon zum zweiten Mal mangels Masse einen Schirmherrn in der Nachbarstadt ausleihen musste? Geschenkt, so der Kommentar des Bautrupps. Schließlich sind Herrmann und Tjarks "nur Wahl-Bensheimer. Ein echter Bensheimer wäre ausgebürgert, geteert und gefedert worden".
Von einem ganz anderen Kaliber, schillernd und aufgebrezelt, in Pelz gehüllt und auf High Heels stöckelnd, sind die Russen-Ladies Irina und Tamara, alias Astrid Hoffmann und Diana Mayer. "Das Leben kann so schön und reich sein", hauchen die Diven ins Mikrofon. Die unverfrorene Importware aus dem Putin-Land lässt keinen Zweifel daran, wie sie es in die oberste Shopping-Liga geschafft hat: Ihr Liebe gehört "den Kreditkarten unserer verstorbenen Ölmilliardäre".
Zalando im Abseits
Schon Mal was von den anonymen Online-Bestellern, Schwerpunkt Schuhkauf, gehört? Nein? Dann wird's höchste Zeit. Die schrillen Leder-Fetischistinnen sind einfach unschlagbar - komisch und grundehrlich: "Sie passen immer, ob ich abnehm' oder zu", trällern sie das hohe Lied auf die Treter. Bei der Frauenfastnacht lässt die Selbsthilfegruppe den Therapiestiefel kreisen und gelobt Besserung: Zalando wird ins Abseits gestellt - oder doch nicht?
Mit einem absolut majestätischen Auftritt und betörenden Kostümen bringen die amtierende Handkäskönigin Gitte I. (Brigitte Schmidt) und die Anwärterinnen auf den Handkästhron - Lady Petra Räubel, Rocker-Lilly Sonja Täubel und Chantal (früher Karl) Angela Dosenbach-Douahem - den Saal zum Kochen. Allerdings: Beim Casting um das Handkäsrennen versagen die Jungen komplett. Gitte I. bleibt am Handkäs kleben und geht als Unikat in die Handkäs-Annalen ein.
Dass sich die Frauenfastnacht um ihren Nachwuchs keine Sorgen machen muss, beweisen Mona Ramsauer als sexy Friseuse Samantha und Simone Cattarius als anspruchsvolle Kundin. Da bleibt kein Auge trocken, wenn die sich schlagfertigen Zicken Gemeinheiten um die Ohren hauen. Zur gewünschten Typveränderung der Kommentar der Haardekorateurin: "Zaubern kann ich net". Und wenn bei der Botox-Injektion was schief gehen sollte, na dann gibt's danach 20 Prozent Rabatt.
Bevor Sitzungspräsidentin Renate Petermann die Saal-Narren um Mitternacht nach Hause entlässt, hat sie noch ein köstliches Schmankerl parat. Die unvergleichlichen, wunderbaren "Golden Girls" der Bensheimer Frauenfastnacht, Olga und Mariechen, alias Anja Pohl und Angela Schmidt. Die eine wie immer perfekt gestylt und in glamouröses Zebra gehüllt, die andere im Schlamperlook.
Das Publikum liebt die beiden dollen Ollen mit dem frechen Mundwerk und den staubtrockenen Dialogen.
Zu welchen Missverständnissen es kommt, wenn man nicht richtig hinhört und Carport mit Abort verwechselt, machen die beiden Charmebolzen unmissverständlich deutlich. Und noch etwas stellen Olga und Mariechen unter tosendem Applaus klar: "Wenn Blödheit knallen tät, wär bei dem das ganze Jahr über Silvester". Gemeint ist der "Zugezogene", der einer Bensheimer Institution das Aus beschert hat: der Weiberfastnacht beim Mohr. gs
Schrille Punks und süße Mäuse
Was wäre die Frauenfastnacht ohne Garde und Ballett? Ganz sicher um eine Augenweide und tolle Auftritte ärmer! Aber soweit kommt es ja Gott sei Dank nicht. Die Bensheimer Frauenfastnacht kann richtig aus dem Vollen schöpfen: Sie hat eine Menge Potenzial wie die aktuelle Kampagne zeigt.
Als schrille Punks rockt das Jugendballett die Bühne, und die acht Gardemädchen schwingen die Beine hoch in die Luft. Einfach zum vernaschen sind die handlichen Kirschpralinchen "Mon Cheri", die nicht nur fetzig rappen, sondern zudem nicht auf den Mund gefallen sind: "Schokolade mit allen Sinnen genießen", heißt das Motto der unendlichen süßen und zarten, kugelrunden Verführerinnen.
Die sexy Powerfrauen vom Showballett und die niedlichen, ganz und gar nicht mausgrauen Mambomäuse beweisen, wie viel Temperament und Fantasie in ihnen steckt. gs
Sitzungspräsidentin: Renate Petermann.Jugendballett: Sophie ...
Sitzungspräsidentin: Renate Petermann.
Jugendballett: Sophie Bartoschek, Luisa Gürtelschmied, Pauline Glanzner, Clara Kissel, Charlotte Rönnau, Maria Samstag, Vera Sartorius, Lena Scholl; Choreografie Mona Ramsauer und Carina Pongratz.
Showballett: Simone Cattarius, Jasmin Hundsdorf, Anika Melzer, Carina Pongratz, Mona Ramsauer. Juliane Ritsert, Nadine Speckhardt, Nikola Weber; Choreografie Katharina Schmidt.
Mon Cherie: Margit Cattarius, Johanna Förg, Anja Pohl, Martina Pongratz, Hannelore Rapp, Petra Rettig, Jutta Schader, Angela Schmidt, Anja Schuh; Choreografie Birgit Gürtelschmied.
Mambomäuse: Petra Ahlers, Irene Bernschneider, Heike KIndinger, Sylvia Volk, Monika Piecha-Wenzel; Choreografie Veronika Schwarz.
Internetstammtisch: Beate Jakob, Sigrid Linke, Annette Sattler, Heike Sattler-Kriz, Birgit Schläfer-Mosis, Conny Schön, Sonja Zillig, Rita Zimmermann.
Handkäskönigin: Angela Dosenbach-Duahem, Brigitte Schmidt, Petra und Sonja Täubel.
Büttenrednerinnen: Ute Bernschneider, Simone Cattarius, Johanna Förg, Astrid Hoffmann, Diana Mayer, Ulrike Meyer, Anja Pohl, Martina Pongratz, Mona Ramsauer, Hannelore Rapp, Angela Schmidt, Petra Täubel.
Maske: Petra Ahlheim.
Mischpult: Martin Schuster.
Musik: Norbert Sudheimer. gs
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