Städtepartnerschaft

Streifzug durch die wechselvolle Geschichte Oberschlesiens

Jahresfahrt des Freundeskreises Bensheim-Klodzko führte zum Besucherbergwerk Guido in Sabrze, Museum der Technik in Bielsko-Biala und zur Brauerei Tyskie.

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Interessante Führung durch die Tyskie Brauerei. © Freundeskreis

Bensheim. Sehr informativ und abwechslungsreich war die diesjährige Jahresfahrt des deutsch-polnischen Freundschaftskreises Bensheim-Klodzko nach Oberschlesien. Zu verdanken war das insbesondere Reiseleiter Lukasz Giertler, der nicht nur die deutsche Sprache beherrschte, sondern sich aufgrund seines Geschichtsstudiums auch in der sehr wechselvollen Geschichte dieser polnischen Region bestens auskannte.

Denn im Laufe der Jahrhunderte wurde diese im Herzen Europas liegende Region durch vielfältige kulturelle, sprachliche und politische Einflüsse geprägt. Bereits seit dem Mittelalter lebten auch Deutsche in dem Land rechts und links der oberen Oder. Oberschlesien erlebte mehrere Herrscherwechsel, bevor es unter Friedrich dem Großen bis auf einen kleineren habsburgischen Teil ostpreußisch wurde. Heute liegt das ehemalige deutsche Siedlungsgebiet auf dem Gebiet Polens und Tschechiens.

Eindruck von den Anfängen der Steinkohleförderung

Während des sechstägigen Aufenthaltes tauchten die Reiseteilnehmer in die industrielle Blütezeit der Region ein, aber auch in die Historie und die Folklore der Region Beskiden. Zum industriellen Erbe Schlesiens, dessen Standorte seit 2006 im Süden des Landes auf der Route der Technikdenkmäler verbunden sind, gehören unter anderem auch das Besucherbergwerk Guido in Sabrze (früher Hindenburg), das Museum der Technik und Textilindustrie in Bielsko-Biala und das Museum in der 1629 gegründeten Fürstlichen Brauerei Tyskie in Tychy (Tichau).

Im ehemaligen Bergwerk Guido bekam die Reisegruppe über 300 Meter unter der Erde einen authentischen Eindruck von den Anfängen der Steinkohleförderung bis zur Einstellung des Betriebs nach dem Zweiten Weltkrieg und die Ende der 60er Jahr Wiederbelebung als Versuchsbergwerk. Ende der 80er Jahre wurde die Zeche unter Denkmalschutz gestellt.

In den Anfängen des Bergbaus war das Arbeiten unter Tage nicht nur ein schweres, sondern auch ein gefährliches Handwerk. Wichtige „Mitarbeiter“ waren damals Kanarienvögel, die als Frühwarnsystem dienten, wenn die Luft im Stollen durch Kohlenmonoxid belastet wurde. Interessant waren auch die noch funktionstüchtigen Bergbaumaschinen, aber auch der Besuch in dem tiefst gelegenen Pub Europas, wo man vor der Fahrt zurück ans Tageslicht einkehren konnte.

Ein bedeutendes Woll- und Textilzentrum zunächst Österreich-Ungarns, dann Polens, war über 100 Jahre lang die schlesisch-kleinpolnische Doppelstadt Bielsko-Biala. Seit 1869 wurden hier verschiedenartige Wollgewebe, darunter das berühmte Bielitzer Tuch produziert. Auch Teppiche wurden für einige Zeit hergestellt. Einen informativen Einblick in die Geschichte und Entwicklung Schlesiens gab das Schlesische Museum in Kattowitz und sehenswert war auch die historische Arbeitersiedlung Nikiszowiec mit ihren charakteristischen Wohnhäusern, kleinen Geschäften und Gastronomie.

Eindruck vom Leben der Fürstin von Pless

In die regionale Folklore und Tradition der Region Beskiden tauchte die Reisegruppe am letzten sonnenverwöhnten Tag ein, bevor die restlichen Tage von Regen begleitet wurden. In dem 250 Jahre alten Kawulok Haus erhielt man einen authentischen Eindruck vom Leben der Gorale in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das aus einer Stube bestehende Haus war Küche, Schlafzimmer und Werkstatt zugleich, wobei eine Familie mit bis zu 14 Personen hier wohnte. Bewohnt wurde das Haus bis 1976. Wie schon bei der Reise nach Zakopane gab es auch diesmal beim Besuch einer Schäferei wieder einen Einblick und auch Kostproben in den in Form einer Spindel hergestellten regionalen Schafskäse.

Auch wenn durch das nass-kalte Wetter etwas beeinträchtigt, gab das südlich von Kattowitz gelegene Bielsko-Biala bei der Stadtführung seine Besonderheiten preis. Die Doppelstadt war einst nicht nur ein bedeutender Standort der Tuchmacherei, sie galt auch als eine der wohlhabendsten Städte und war ein Zentrum der Evangelischen Kirche, was sich in dem einzigen Lutherdenkmal Polens widerspiegelt. Zu den beeindruckenden Gebäuden gehört das 1890 errichtete Deutsche Theater, in dem heute das Polnische Theater beheimatet ist. Bemerkenswert auch das Froschhaus, ein Jugendstilbau, über dessen Eingang zwei Frösche an ein Weinfass gelehnt sitzen. Einer raucht Pfeife, der andere spielt Mandoline. Angeblich war das als kleine Spitze gegen die gegenüberliegende Kirche gedacht, die gegen das damalige Bauvorhaben eines Weinhändlers war.

Ein Eindruck vom Leben der Fürstin von Pless gab der Besuch im Schloss Pszczyna, das einst der Familie von Hochberg-Pless gehörte. Es gehört zu den am besten erhaltenen Adelssitzen in Polen und auch in Kontinentaleuropa, denn der größte Teil der historischen Ausstattung stammt aus dem letzten Viertel des 19. Und den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert. Von Bedeutung ist das Schloss auch für die europäische Geschichte, denn während des Ersten Weltkriegs befand sich hier fast zwei Jahre lang das Große Hauptquartier des Deutschen Kaisers.

Faszinierend, vor allem wegen der sehr originellen Führerin, war der Besuch in der Brauerei Tyskie, die als eine der ältesten Brauereien Polens gilt. Wie das weiträumige Gelände verdeutlichte, war die Brauerei früher eine kleine Stadt, denn zwischen Sudhäusern und Tankanlagen gab es Wohnhäuser für Familien, ein Junggesellenhaus mit Casino und mittendrin die Villa des Braumeisters und späteren Brauereidirektors. Das ganz in weiß und blau gekachelte älteste und kleinste Sudhaus entstand zwischen den beiden Weltkriegen.

Interessant ist auch die Grenzstadt Cieszyn, die als eine der ältesten Städte in Schlesien und ganz Polen gilt. Am Ende des Ersten Weltkriegs geriet das damalige Teschen zwischen die Fronten des Polnisch-Tschechoslowakischen Grenzkriegs, was auf beiden Seiten mehrere Tote zur Folge hatte. Erst ein Schiedsspruch der Siegermächte beendete 1920 den Konflikt. Seitdem – mit einer Unterbrechung im Zweiten Weltkrieg - bildet die Olsa die Grenze zwischen dem polnischen und tschechischen Teil. red

Die fürstlichen Räume von Schloss Pless. © Freundeskreis

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