Fastnacht

Auf nach Hawaii: Die närrische Reise vergeht wie im Flug

Die BKG sorgte mit einem über vierstündigen Programm im Bürgerhaus für durchgehend gute Unterhaltung

Von 
Thomas Zelinger
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Royaler Besuch im Bensheimer Bürgerhaus: King Charles und Camilla (Petra Petermann und Jürgen Schröder) beehrten die BKG. © Thomas Zelinger

Bensheim. Draußen schwarz-weiß, Nacht und Schnee, drinnen vierfarbbunt – rot, weiß, blau, gelb –, die Farben der Fastnacht. Mit ihrer ersten großen Sitzung 2024 ist die Bensheimer Karneval-Gesellschaft, kurz BGK, am Wochenende in die heiße Phase der Kampagne gestartet. Und da wurde die närrische Messlatte gleich mächtig hochgelegt. Fastnacht vom Feinsten war vom späten Abend bis weit in die Nacht zu erleben und mitzuleben.

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Viel Lokalkolorit, mancher Kalauer, viel Hintersinniges, gesprochen oder gesungen, hallte durch den Saal. Und dazu gab es etliches an Garde- und Showtänzen plus Schlagermusik zum Mitsingen, Schunkeln und ein bisschen auch zum Mittanzen. Ein perfekter Mix, Saalfastnacht, die Traditionspflege und Moderne mit Leichtigkeit verbindet, bei der Stunden wie im Fluge vergehen, ohne dass das Publikum wirklich merkt, wie die Uhrzeiger langsam, aber sicher auf Mitternacht zu rücken. Kurz zuvor das große Finale und alsdann die After-Show-Party. Wunderbar.

Bürgerhaus und weitere Nicht-Projekte ernten Spott

Dass im Verlauf des Abends der Ort des Geschehens, das Bürgerhaus, dabei selbst wiederholt mit süffisantem Spott, aber dennoch freundlichem Ton, bedacht wird, sei hier nur beiläufig bemerkt. Letztlich gehört es zu einer Reihe örtlicher Projekte, oder eben Nicht-Projekte, die sich der karnevalistischen Betrachtung und Kommentierung unterziehen mussten. Und da hat Bensheim bekanntermaßen einiges zu bieten.

Letztlich aber obsiegt bei aller närrischen Strenge doch das Augenzwinkern, wenn es auf der Fast-nachtsbühne um Kurioses, Strittiges oder gar Suboptimales in der Stadt geht. Und dass Politiker, die an diesem Abend in größerer Schar im Saal sind, hier vom Volk mal die Meinung gesagt bekommen und dessen Sichtweise erleben, ist auch ein bisschen Salz in der Fastnachtssuppe. Versalzen wird sie dadurch nicht, im Gegenteil, sie ist nur noch pikanter.

Dabei ist es kein Bild aus der Küche, das die BKG in dieser Kampagne im Zentrum des Geschehens plakatiert, sondern eines aus der großen weiten Welt: „Let’s fly to Hawaii“ ist diesmal Motto. Und damit werden immer mal wieder optische Farbtupfer und musikalische Akzente gesetzt.

Eine ganz besondere Auszeichnung für "einen Motor der BKG"

Das Programm nimmt vom ersten Moment mit dem Einzug der Landsknechte, alsdann gefolgt von den Garden und dem Elferrat, mächtig Fahrt auf. Und das, obwohl zunächst ein formal anmutender, aber in närrischer Selbstverständlichkeit locker absolvierter Programmpunkt die Eingangsagenda bestimmt. Mit Renate Schütz wird nämlich bei der Premierensitzung eine ebenso hochverdiente wie hochsympathische Fastnachterin, ein Motor der BKG, vor großem Publikum – der Saal ist fast ausverkauft – mit einer ganz besonderen Auszeichnung gewürdigt.

Ganz in Rosa und mit blondem Haar: Die Tänzer des BKG-Männerballetts performten zum Barbie-Song und sorgten für viele Lacher. © Thomas Zelinger

Vieles hat Renate Schütz schon gemacht für und bei der BGK, viele Jahre ist sie Erste Vorsitzende gewesen, nunmehr wird sie zur Ehrenvorsitzenden ernannt. Eijo und danke, heißt es von der Vereinsspitze, in Person von Vorsitzendem Michael Zehnbauer, im Beisein des neuen Sitzungspräsidenten Matthias Braun. Viel Beifall gibt es vom Publikum. Und Renate Schütz, sonst zumeist im Hintergrund, nutzt die Gelegenheit im Rampenlicht, um für die Bensheimer Fastnacht und für die BKG zu werben.

Marktplatz und Neumarkt-Center treffen auf prächtige Wortwitze

Im Folgenden ist die Sitzung zugleich selbst die perfekte Werbung für die Saalfastnacht der Karneval-Gesellschaft. Ein großes Gemeinschaftswerk, quer durch die Generationen. Da ist zum Beispiel Matthias Braun in der Rolle des „Till vun Bensem“, im Vorjahr hatte er verkündet, als solcher nicht mehr auf die Bühne zu kommen. Das muss er auch nicht. Er ist ja schon da, als Sitzungspräsident. Also eben mal nach vorne, schon erklärt er dem Publikum: „Wie könnte die schönste Stadt auf Er-den“, gemeint ist Bensheim, „noch schöner werden?“. Alsdann arbeitet er sich durch die städtebaulichen Besonderheiten der Stadt, vom Hoffart-Gelände über den Marktplatz bis zum Neumarkt-Center. Und manch anderes hat er auch im Blick, die Bensheim-App gehört dazu. „Kann man nicht Kreisstadt sein, dann ist man gerne App-enheim“, so seine Sichtweise.

Prächtiger Wortwitz bei Matthias Braun wie bei vielen anderen. Torben Schütz ist einer davon. Als Traube steht er auf der Bühne, aus Berlin kommt er, Bensheim ist sein Ziel. Eine Austauschtraube. Für Trauben wie ihn sei Bensheim der ideale Ort zum Gedeihen und, um zu Wein zu werden. Der freie Marktplatz, beste Lage zum Wachsen, das Parkhaus unter dem Neumarkt-Center, dunkel, kühl, gut, um sich als Wein zu entwickeln. Und dann ist, in Teil zwei des Programms, Sabrina Hoffmann da. Obwohl sie eigentlich gar nicht da sein will. Überredet zur Büttenrede. Das macht gar keinen Spaß. Ihr jedenfalls nicht. Sagt sie. Das Publikum erlebt für sich das Gegenteil. Spaß pur. „Ich bin Weinkennerin“, erklärt die Fastnachterin, dabei auf der Bühne hin und her laufend, um hinzuzufügen: „Da trink’ ich und da merk’ ich: Des is’ Wein“. So einfach kann es sein. Oder auch: „Achilles, der is’ bekannt für seine Verse.“ Oder ist es die Ferse? Quietschkomisch, was en passant rüberkommt, das auch, wenn’s um Lokalpolitik und Lokalpolitiker geht. Zugabe-Rufe hier wie immer und immer wieder an diesem Abend.

King Charles und Camilla statten der Sitzung in Bensheim einen Besuch ab

Später folgt hoher Besuch. King Charles und Camilla, Petra Petermann und Jürgen Schröder. Die adeln die Sitzung oder das, wie sie es nennen, „most popular event of Fastnacht“. Es ist ein herrlicher Kauderwelsch aus Englisch und Bergstraßen-Deutsch. Die beiden freuen sich über vieles, auch über die vielen „Gardinen“ bei den Garde-Gruppen der BKG. Und über das heimische Gefühl, das sie an der Bergstraße haben, denn „in every Kaff hier is a Windsor-Family“, so lässt sich Winzerfamilie natürlich auch sagen und verstehen. Munter wird beim Plaudern gepichelt, dann gibt es zur Abwechslung einen Camilla-Tee.

Bunt und fröhlich war die Premierensitzung der Bensheimer Karneval-Gesellschaft im Bürgerhaus – hier im Bild die BKG Voices. © Thomas Zelinger

Eines Motivationscoaches bedarf es an einem solchen Abend eigentlich nicht. Eigentlich. Denn wenn er, wie hier, in Person von Sabine Emig als Cordula G. Schwätzig auf die Bühne kommt, lässt sich sagen: Hätte er gefehlt, der Coach, hätte was gefehlt. MoTILLvationscoach nennt sich Frau Emig, die ihre Welt ganz genderfrei erklärt. Das Mit- und Gegeneinander der Geschlechter ist bei ihr Thema, freiwillige und nicht ganz freiwillige Besuche bei Fastnachtsveranstaltungen auch.

Der morgendliche Blick in den Spiegel ebenso. Sie sagt, wie sich ein jeder motivieren kann und hat Checklisten parat, auch für all jene, die nach dem Besuch einer Fastnachtsveranstaltung Schwierigkeiten haben, das Schlüsselloch an der heimischen Haustür zu finden. Das Publikum ist begeistert und bedankt sich ob der Hilfe mit langanhaltendem Applaus.

Tanz und Gesang sorgen für ein vollständiges Fastnachts-Erlebnis

Aber was wäre Saalfastnacht ohne die Tanzdarbietungen, ohne Musik, Gesang? Bei der Bensheimer Karneval-Gesellschaft ist es das Kinderballett, das Hawaii-Laune zu internationalen Hits schon kurz nach Beginn der Sitzung auf die Bühne zaubert. Beifall und noch mehr Beifall für den Nachwuchs. Und das ebenso für die Tänze der Garde des Tills und der Präsidentengarde und für Showballett, das mit Schwung als Cheerleader-Gruppe übers Parkett tanzt. Und dann sind da noch Sina Meyer mit einem atemberaubenden Gardesolo oder auch das Männerballett zum Barbie-Song.

Der Bogen der Begeisterung lässt sich weiterspannen. Vom Tanz zum Gesang. Jens und Martin, Jens Zimmermann und Martin Frank, stehen gleich zweimal auf der Bühne, bekannte Hits und Bensheimer Themen, Gassenhauer, das Duo hat ein großes Repertoire. Ovationen. Ebenso bei den Batschkappen, Roland Schumann und Peter Scheib. Bekannte Melodien, frechfröhliche Texte, da macht Zuhören Spaß und Mitklatschen geht automatisch.

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Veröffentlicht
Von
red
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Gleiches gilt für die beiden Auftritte der Voices. Die Truppe findet sich am Ende von Teil eins der großen Show, und sie geleitet später ins Finale. Besser lässt sich die Stimmung nicht halten. Großartiger Gesang auch hier. Das ist Fastnacht. Und das Stimmungsbarometer, das gleich zu Beginn ganz nach oben bis zum Anschlag schnellte, bleibt dort bis zum Schluss.

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