Familienzentrum - Digitale Gesprächsrunde zu den schrecklichen Ereignissen in der Ukraine / Verschweigen kann keine Lösung sein

Familienzentrum Bensheim: Mit Kindern über den Krieg reden

Von 
Thomas Tritsch
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Wie spricht man mit Kindern über den Krieg? Darum ging es bei einer Online-Veranstaltung des Familienzentrums. Unser Bild entstand bei der Friedens-Kundgebung am Samstag auf dem Bensheimer Marktplatz. © Neu

Bensheim. Die aktuelle Situation in der Ukraine beschäftigt auch Kinder und Jugendliche. Es geht darum, die Sorgen der Kinder ernst zu nehmen und sie mit ihren Ängsten nicht allein zu lassen, so das Familienzentrum Bensheim.

In einer Online-Gesprächsrunde wurde das Thema jetzt im Dialog vertieft. In kleiner Runde tauschten sich einige Mütter über die Herausforderung aus, wie man über den Konflikt in Osteuropa sprechen kann, ohne junge Menschen zu überfordern. Denn, so der Konsens der Runde, ein Verschweigen des Kriegs gegenüber seinen Kindern kann keine Lösung sein.

Einordnung für Kinder schwierig

Jürgen Breustedt hat lange Jahre als evangelischer Pfarrer im In- und Ausland gearbeitet. Als Regionalmanager war er bei der Christoffel Blindenmission (CBM) angestellt und zuständig für diverse Projekte im Nahen Osten und in Nordafrika. Er ist Mediator, Systemischer Berater und Therapeut und dem Familienzentrum seit langem eng verbunden. „Wie sprechen wir mit Kindern über den Krieg?“ lautete die Überschrift der Veranstaltung, die am Freitagabend via Zoom stattgefunden hat. Auch Nadine Asmus aus der Verwaltung des Familienzentrums nahm daran teil.

„Entkommen“ kann man den Informationen ohnehin nicht. In Radio und Fernsehen, aber auch in „sozialen“ Medien, in der Schule und in der Kita werden Kinder und Jugendliche mit Nachrichten vom Krieg in der Ukraine konfrontiert. Diese Eindrücke können verunsichern und Ängste auslösen, da insbesondere kleine Kinder das Gehörte und Gesehene meist nur schwer einordnen können, so Breustedt.

Weil jeder Mensch anders mit seinen Wahrnehmungen und Emotionen umgeht, komme es zunächst darauf an, die Reaktionen – sofern erkennbar – zu beobachten und entsprechend darauf einzugehen. Eine altersgerechte Sprache sei dabei ebenso wichtig wie die Bereitschaft, eigenen Unsicherheiten und Sorgen zu kommunizieren, um gegenüber dem Kind authentisch zu bleiben.

Jürgen Breustedt führt aus, dass sich bereits kleine Kinder oftmals schon sehr intensiv mit dem Tod auseinandersetzen. „Tod und Sterben werden meist als großes Rätsel empfunden.“ Die Verbindung zwischen Älterwerden und Sterben sei ihnen sehr bewusst. Etwa ein Drittel der Kinder bis sechs Jahren wollten daher „nicht groß werden“, so der Therapeut.

Für Jüngere stehe der Tod zudem synonymisch für eine vorübergehende Abwesenheit in jedweder Form. Dies sei relevant, um eine vermeintlich drastische Aussage wie „Ich will, dass du tot bist!“ richtig einordnen und gelassen darauf reagieren zu können.

Die Aussagen der Gesprächspartner zeigten teilweise deutliche Parallelen: Siebenjährige wollten wissen, ob „der Krieg jetzt auch hierher kommt“ oder ob jetzt ein dritter Weltkrieg beginne. Auch im Kindergarten sei das Thema von einer Erzieherin zur Sprache gekommen, was von einer Mutter durchaus kritisch gesehen wird. Der achtjährige Sohn einer weiteren Teilnehmerin male regelmäßig Panzer.

Zwischen Abschottung und Nähe

Während sich der eine eher abschottet, suchen andere Kinder häufiger die Nähe der Eltern, wenn sie der Krieg emotional oder intellektuell beschäftigt. Während der eine eher Trost benötigt, suchen andere nach einer Erklärung.

„Manchmal werden die Auslöser von Ängsten über die Erwachsenen transportiert“, so Jürgen Breustedt über Situationen, in denen Kinder Gespräche mithören oder nonverbale Reaktionen wahrnehmen. Dies könne zu Unsicherheit und negativen Gefühlen führen. Im konkreten Fall sei es außerdem wichtig, nicht von den „bösen Russen“ zu sprechen, sondern klar zu differenzieren, um Verallgemeinerungen und Vorurteile zu verhindern.

Dies sei keineswegs einfach, denn das Denken in Schwarz und Weiß beziehungsweise in Gut und Böse seien typische Kategorien, die (nicht nur) junge Menschen nutzen, um Sachverhalte besser einordnen zu können, so der Vater von drei erwachsenen Töchtern.

Um kindlichen Gefühlen einen konkreten Ausdruck zu verleihen, hatte Breustedt einige ganz pragmatische Vorschläge mitgebracht. Man könne beispielsweise eine Kerze ans Fenster stellen und so sein Mitgefühl für die Menschen in der Ukraine zeigen. Eine andere Möglichkeit ist es, in der Schule oder bei der Verwandtschaft Geld zu sammeln und es als Spende ins Kriegsgebiet schicken.

Kleinkinder können ihre Gedanken oftmals besser über ein selbst gemaltes Bild als über Sprache vermitteln. Derlei Rituale seien ein klares Zeichen für Solidarität oder Mitleid, das auch Kindern „ein gutes Gefühl“ vermitteln könne, so der Berater. Ältere Kinder könne man auch zu Anti-Kriegs-Kundgebungen mitnehmen, wenn sie dafür ein Interesse zeigen.

Grundsätzlich sei es gut und richtig, wenn Kinder und Jugendliche erkennen, dass ihre Eltern an dieser besonderen Situation Anteil nehmen. Dies vermittle das Gefühl, dass sie mit ihren Sorgen nicht alleine sind und jemanden an ihrer Seite wissen, der sich offen und ehrlich mit diesem Thema auseinandersetzt. Es gehe darum, zuzuhören und Gefühle anzuerkennen. „Jeder hat das Recht, traurig zu sein“, so Jürgen Breustedt.

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