Gebietsweinprobe

Experten-Trio mit pfiffiger Moderation

Katja-Simon, Charlotte Freiberger-Rabold und Jan Faber präsentierten mit großem Sachverstand eine kluge Probenauswahl

Von 
Eva Bambach
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Bensheim. Wer jemals an einer Weinverkostung mit einer größeren Gruppe teilgenommen hat, weiß, dass dabei der Geräuschpegel stetig steigt und die Konzentration sinkt. Dass am Ende der diesjährigen traditionellen Bergsträßer Gebietsweinprobe im Bürgerhaus Bensheim trotz 370 Teilnehmern immer noch viele interessante Informationen das Publikum erreichten, lag in erster Linie an der sorgfältig vorbereiteten und pfiffig vorgetragenen Moderation der drei Experten auf dem Podium.

Die aktuelle Gebietsweinkönigin Katja Simon, die ehemalige Gebietsweinkönigin und Weinprinzessin Charlotte Freiberger-Rabold und Jan Faber vom gleichnamigen Zwingenberger Weingut hatten eine kluge Probenauswahl getroffen, die mit zwölf Weingütern nicht nur den Facettenreichtum der Bergsträßer Weinlandschaft abbildete, sondern auch inhaltlich eine gute Gliederung darstellte, bei der vom Secco über die PIWI-Sorten und die Burgunderfamilie bis zum Riesling viele wichtige Themen berührt wurden.

Die Bürgermeisterin freute sich über ein volles Bürgerhaus mit einem großen Anteil junger Leute und begrüßte mit Christine Deppert, Nicole Rauber-Jung und Oliver Roeder Vertreter der Stadtpolitik und mit der Bergsträßer Landtagsabgeordneten Birgit Heitland auch eine Vertreterin der Landespolitik.

Ein lauter Applaus des Publikums galt der Fraa vun Bensem. Fast ebenso lebhaften Beifall bekamen die Mitarbeiter und die Vertreter des Vorstands des Verkehrsvereins Bensheim, namentlich Thomas Herborn, mit dessen Organisation das Winzerfest steht und fällt. „Der Weinbau ist das Aushängeschild der Region“, sagte Bürgermeisterin Christine Klein und richtete damit einen besonderen Dank an die örtlichen Winzer. Dank galt aber auch den rund 35 Damen und Herren der Volkstanzgruppe des Odenwaldclubs Auerbach, der Trachtengruppe der SKG Zell und des Verschönerungsvereins Reichenbach, die für den pünktlichen Ausschank der Probenweine sorgten. Die Moderationspausen füllte Thomas Röth mit bekannten Schlagermelodien.

Das Team auf der Bühne zeichnete sich durch seinen Sachverstand aus. Sowohl Katja Simon als auch Charlotte Freiberger-Rabold stammen aus Winzerfamilien. Die eine befindet sich im Masterstudium Weinbau, Oenologie und Weinwirtschaft an der Hochschule Geisenheim, die andere hat, ebenfalls dort, ihren Masterabschluss schon hinter sich.

Von Secco und Sekt, spontaner Gärung und alten Reben

Jan Faber arbeitet seit 21 Jahren im Weinbau, nämlich seit er 2003 beim Weingut Simon-Bürkle in Zwingenberg als Praktikant angefangen hat und anschließend eine Ausbildung bis zum Meister absolviert. 2006 erwarb er seinen ersten Weinberg und es kamen stetig neue hinzu. Inzwischen bearbeitet Faber – neben seiner Tätigkeit als Kellermeister bei Simon-Bürkle – 2,5 Hektar vorwiegend in Steillagen und produziert auch für den eigenen Verkauf.

Als erstes Probenpaar kamen ein gut zu trinkender, trockener Secco von Weinbau Koob (Heppenheim, Betriebsgröße 6 Hektar) und ein Sekt Brut Reserve aus 20 Prozent Chardonnay und 80 Prozent Pinot Noir von den Hessischen Staatsweingütern Domäne Bergstraße (Betriebsgröße 35 Hektar) ins Glas.

Vor zehn Jahren wandelten Tobias und Christina Lulay, geb. Koob, einen ehemaligen Bullenmastbetrieb in ein Weingut mit Straußenwirtschaft um. Die Domäne dagegen gibt es seit 1945 und gehört heute zu den Hessischen Staatsweingütern Kloster Eberbach. Befand sich der Hauptsitz früher im Rebmuttergarten, so ist er heute in Eltville. Keinen Zweifel ließ Charlotte Freiberger-Rabold an der Bedeutung der Domäne unter Leitung von Heinrich Hillenbrand für die Entwicklung der Qualität des Anbaugebiets. Anhand der beiden perlenden Proben erklärte Katja Simon unter anderem den Unterschied zwischen zugesetzter Kohlensäure (Secco) und endogener, durch Gärung in der Flasche entstandener Kohlensäure.

Nächster Programmpunkt: Feinherber Rotling (aus gemeinsam gekelterten roten und weißen Trauben) vom Weingut Faber versus trockener Cabernet Sauvignon Weißherbst (zu 100 Prozent aus einer einzigen roten Rebsorte bestehend, aber wie Weißwein verarbeitet) vom Weingut Hanno Rothweiler (Betriebsgröße 5,5 Hektar). Der Cabernet Sauvignon stammt aus 2011 am Fürstenlager angelegten Rebflächen, aus denen Rothweiler, der sich als Sorten- und Cuvée-Freak bezeichnet, nicht nur Weißherbst macht, sondern auch einen im Barrique ausgebauten Rotwein.

Es folgten ein spontan vergorener Silvaner aus dem seit 2016 existierenden Weingut Schönberg (mit inzwischen 17 Hektar) und ein trockener Fidelio vom 90 Jahre älteren, als Heppenheimer Familienbetrieb in dritter und vierter Generation bestehenden Weingut Freiberger (16 Hektar). Das Weingut Schönberg möchte den Fokus langfristig auf Burgunderweine legen und arbeitet viel mit Spontangärung, also ohne zugesetzte Zuchthefen. Spontan vergoren und bis Mai auf der Vollhefe liegend, präsentierte sich der Probenwein mit durch biologischen Säureabbau verminderter Säure aus einer traditionsreichen Rebsorte, die lang die meist angebaute Rebsorte in Deutschland war. Fidelio dagegen gibt es erst seit 2021 als anerkannte Rebsorte und wurde 1981 gekreuzt, um eine gegen den Mehltau resistente Rebe zu erzeugen, die weniger Pflanzenschutzmittel erfordert. Ober er den Silvaner einst ablösen können wird? Mit milder Säure und erdig-würzigen Tönen konnte der Fidelio bei der Gebietsweinprobe jedenfalls überzeugen.

Aromatisch und vollmundig zeigte sich der trockene Graue Burgunder Alte Rebe vom Weingut Jäger (18 Hektar, zu 90 Prozent Weißwein) nach sechs Monaten auf der Vollhefe, der gemeinsam mit einem halbtrockenen Weißen Burgunder vom Heppenheimer Weingut Amthor (6,5 Hektar) verkostet wurde. Das Weingut Amthor setzt auf feinherbe, also nicht trockene Weine und Cuvées mit fantasievollen Namen und hat als erstes Bergsträßer Weingut einen Weinautomaten und eine Bag-in-Box-Abfüllung. Innovativ, so Moderator Jan Faber, ist auch das in zweiter Generation als Weingut funktionierende Weingut Jäger, das hochwertige Weine hervorbringe: „Die haben Bock, und das schmeckt man auch“.

Dann ging es zu der Königin der Rebsorten, dem Riesling. Wenn die Welt an deutschen Wein denke, dann denke sie an Riesling, die Rebe sei ein Stück Kulturgut wie der Kölner Dom. Das gelte es zu bewahren – durch Trinken. Das wärmer werdende Klima könne diese lang reifende Rebsorte vertragen, zumal man neue Weinberge heute statt nach Süden nach Westen anlegt.

Als klassischer Riesling mit Pfirsich- und Zitrusnoten war der durch selektive Lese in den Lagen Wolfsmagen und Paulus gewonnene trockene Gutswein des Weinhauses Mohr (15 Hektar) vertreten – nach einer langen Tradition als Familienbetrieb gab es hier 2020 einen Eigentümerwechsel mit Martin Simon als Geschäftsführer.

Ebenfalls trocken ausgebaut, dennoch völlig anders: Der präsentierte Riesling Alte Reben vom Weingut Dingeldey mit einer prägnanten Säure und lang am Gaumen bleibend, insgesamt kräftiger. Die Trauben wachsen in einem 1974 angelegten Weinberg, der aufgrund seines Alters weniger ertragreich ist und deshalb gehaltvollere Trauben hervorbringt. Die Familie Dingeldey bewirtschaftet zwei Hektar auf Zeller und Gronauer Gemarkung in zweiter und dritter Generation im Nebenerwerb – Volker Dingeldey ist Kellermeister beim inzwischen im Besitz des Weinguts Jäger befindlichen Weingut der Stadt, Tochter Eva weintechnisch im Rheingau unterwegs.

Zum Schluss zwei Rote

Schließlich gab es noch einen schönen, behutsam per Hand gelesenen und verarbeiteten Spätburgunder des 1991 gegründeten Zwingenberger Weinguts Simon-Bürkle (12 Hektar) der im Barriquefass in dritter oder vierter Belegung einen sanften Holzton annehmen konnte. Die Bergsträßer Winzer eG ist eine rund 300 Winzerfamilien umfassende Erzeugergemeinschaft, die mit 230 Hektar etwa die Hälfte der Bergsträßer Rebflächen bewirtschaftet.

Von hier kam zum Schluss der Gebietsweinprobe noch einmal eine PIWI-Sorte, die so neu ist, dass sie noch keinen richtigen Namen hat, als wine4future aber mit grünem Pfeffer und einem gewissen Körper für sich einnehmen konnte.

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