Sparkasse - Ausstellung zur Papierfabrik eröffnet / Eindrucksvolle Fotografien von Stephanie Lunau

"Euler lebt in den Menschen weiter"

Von 
Gerlinde Scharf
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Im Kundenberatungszentrum der Sparkasse ist derzeit die Ausstellung "Erinnerungen an das Ende der Bensheimer Papierfabrik" zu sehen.

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Bensheim. "Man war wichtig für Euler. Euler war eine Institution, und die Kollegen waren ein Stück der eigenen Familie." Helmut Gondolph, der 1960 als 22-Jähriger Jung-Architekt in das Unternehmen einstieg und mehr als 40 Jahre dort gearbeitet und sich mit der Firma und Belegschaft identifiziert hat, brachte auf den Punkt, warum die Papierfabrik bis heute unvergessen und ein Teil der Bensheimer Stadtgeschichte ist. Obwohl sie nach einer Erfolgsgeschichte von mehr als 140 Jahren 2007 für immer ihre Tore schließen musste.

Gondolph war neben Helmut Horaczek und Wolfgang Albrecht einer von drei ehemaligen Euler-Mitarbeitern, die zur Eröffnung der Ausstellung "Was bleibt - Erinnerungen an das Ende der Bensheimer Papierfabrik" mit sehr persönlichen Worten verdeutlichten, was das Besondere an Euler war. Horaczek, der es einst vom Lehrling bis zum Abteilungsleiter gebracht hat, sprach von einer "guten Zeit. Die konnten nur die Fabrik schließen, nicht aber den Euler. Der lebt in den Leuten weiter."

Bis zum 23. März zeigt die Sparkasse im 1. Obergeschoss ihres Kundenberatungszentrums in Kooperation mit dem Freilichtmuseum Hessenpark Fotos der Produktionshallen und Porträts früherer Beschäftigter, die in Textbeiträgen freimütig Lebenserinnerungen und Anekdoten aus ihrer aktiven Arbeitszeit schildern.

Wie viele aus der Belegschaft noch fast zehn Jahre nach dem endgültigen Ende von Euler mit ihrer ehemaligen Arbeitsstätte verbunden sind, wurde bei der außerordentlich gut besuchten Veranstaltung deutlich: Die "Eulerianer-Experten" outeten sich mit Namensschildern, die die übrigen Besucher dazu animieren sollten, nachzufragen und miteinander ins Gespräch zu kommen.

Mittelpunkt und Kern der Ausstellung sind zweifelsohne die großformatigen und faszinierenden Fotografien von Stephanie Lunau. Zwei Jahre nach der Schließung des Werks in der Friedhofstraße unternahm die Fotografin und Kulturanthropologin 2009 mit ihrer Kamera einen Streifzug durch die totenstillen Hallen und erlebte eine Riesenüberraschung. Anstelle der erwarteten leeren, öden Räumlichkeiten entdeckte sie "mit dem Blick von außen auf Euler" authentische Spuren eines Arbeiteralltags: Maschinen, Handwerkszeug oder ein paar zurückgelassene, ausgelatschte Arbeitsschuhe: "Es sind keine Inszenierungen." Tausend Bilder hat Lunau bei Tageslicht und ohne Blitz für das Forschungsprojekt "Netzwerk Industriekultur und Lokales Gedächtnis", das von Wissenschaftlern der Universitäten Frankfurt und Heidelberg realisiert wurde, "geschossen". Ein kleiner Teil davon ist in der Ausstellung zu sehen.

Unterstützt wurde sie von dem Bensheimer Fotografen Tobias Huys, der authentische Mitarbeiter-Porträts in schwarz-weiß beisteuerte, sowie dem vormaligen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Norbert Hebenstreit. Danke sagte sie auch Stadtarchivar Manfred Berg, dem Kreis Bergstraße und den Pfadfindern "Hagen von Tronje", die Interviews unter anderem mit Gondolph, Albrecht, Horaczek und dem Ehepaar Gerda und Wilhelm Samstag ("Es war eine schöne Zeit") geführt haben.

Dr. Eric Tjarks, Vorsitzender des Sparkassen-Vorstands, streifte in seiner Begrüßung auch die Nach-Euler-Zeit, die "über viele Jahre hinweg eine politische Herausforderung bedeutete. Jetzt bewegt sich hier etwas", spielte Tjarks auf den Baubeginn eines neuen Wohnquartiers im Herbst 2016 an.

Professor Dr. Heinz Schilling, Kulturanthropologe an der Universität Frankfurt, erinnerte in seinem Vortrag unter dem Motto "Fabrik als Heimat" an den symbolischen Trauerzug der 120 Euler-Beschäftigten von 2006, als das Ende immer näher zu rücken drohte. "Es bleibt der Euler", lautete sein Fazit über ein Stück Bensheimer Geschichte, die mit "Urvater Euler" 1871 seinen Anfang genommen hat und "durchaus nicht immer konfliktfrei war."

Freie Autorin Seit vielen Jahren "im Geschäft", zunächst als Redakteurin beim "Darmstädter Echo", dann als freie Mitarbeiterin beim Bergsträßer Anzeiger und Südhessen Morgen. Spezialgebiet: Gerichtsreportagen; ansonsten alles was in einer Lokalredaktion anfällt: Vereine, kulturelle Veranstaltungen, Porträts. Mich interessieren Menschen und wie sie "ticken", woher sie kommen, was sie erreiche haben - oder auch nicht-, wohin sie wollen, ihre Vorlieben, Erfolge, Misserfolge, Wünschte etc.

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