Bildung

„Es muss nicht immer die Eins vorm Komma sein“

Für 70 Abiturienten der Geschwister-Scholl-Schule beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Feierliche Verabschiedung, Zeugnisübergabe und Ehrungen

Von 
Marvin Zubrod
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An der Geschwister-Scholl-Schule in Bensheim wurden die Zeugnisse an 70 Abiturientinnen und Abiturienten verliehen. © Thomas Neu

Bensheim. Tropische Wälder, endlose Sandstrände, türkisfarbenes Wasser und dazu ein spritziger Cocktail: So paradiesisch könnten die Träume der Abiturienten der Geschwister-Scholl-Schule derzeit aussehen. Denn wer nach 13 Jahren endlich den höchsten Schulabschluss geschafft hat, darf von der großen weiten Welt träumen. „13 Jahre Siesta, jetzt Fiesta“, lautet das Motto des Abiturjahrgangs. Dass die jungen Erwachsenen in den vergangenen Jahren nicht nur „Siesta“ gemacht haben, wurde am Freitagabend bei der Zeugnisverleihung im Forum der Geschwister-Scholl-Schule deutlich.

Fünf Mal gab es die Traumnote 1,0. Außergewöhnlich war die Leistung von Max Vetter, der das Abitur mit 892 von möglichen 900 Punkten abgeschlossen hat, was umgerechnet gar der Note 0,7 entspräche. Der Notendurchschnitt des Jahrgangs beträgt 2,39. Doch der alleinige Blick auf die Abitur-Punktzahl würde den 70 Absolventen nicht gerecht werden. Es sind viele unterschiedliche Lebenswege, die den diesjährigen Abiturjahrgang auszeichnen.

Da ist zum Beispiel Ada Tasdelen, die in Istanbul aufgewachsen und im Jahr 2018 mit ihrer Familie aus der Türkei nach Deutschland gezogen ist. Hier besuchte sie zunächst das Starkenburg-Gymnasium in Heppenheim, ehe sie zur Oberstufe auf die Geschwister-Scholl-Schule wechselte und nun mit dem Migrationspreis der Schule ausgezeichnet wurde.

Dass Noten allein nicht das Wichtigste sind, betonte Schulleiter Thomas Stricker, der in seiner Rede persönliche Einblicke gewährte. Er selbst habe in der Schule und im Studium nicht immer Bestleistungen erzielt, sagte er. „Aber ich habe mich trotzdem durchgekämpft.“ Wichtig sei, weiter an sich zu glauben, selbst wenn es mal nicht gut laufe. „Es muss nicht immer die Eins vorm Komma sein“, sagte Stricker, und linderte damit bei dem ein oder anderen künftigen Studenten vielleicht den Leistungsdruck.

So hob der Schulleiter hervor, dass man es auch mit „Arbeit, Fleiß und Engagement“ weit bringen könne und es nicht nur auf Noten ankomme. Stricker, der als langjähriger Fan des SV Werder Bremen Höhen und Tiefen gewohnt ist, sagte: „Es muss nicht immer die Champions League sein. Man kann auch wieder aufsteigen.“ Die Lacher hatte er damit auf seiner Seite.

Doch den größten Applaus bekam mal wieder Tim Schmöker. Seit einer gefühlten Ewigkeit leitet der Mathe- und Physiklehrer die Oberstufe der Geschwister-Scholl-Schule und es ist angesichts des tosenden Applauses wohl nicht übertrieben zu sagen, dass einige Schüler vor allem ihm das Abitur zu verdanken haben. „Hier sitzen ganz viele Fans von Ihnen“, sagte Abiturient Leo Gebauer, der stellvertretend für den Jahrgang sprach.

Wie groß teils die Bindung zwischen Lehrern und Schülern an der Geschwister-Scholl-Schule ist, zeigte die Rede von Julia Mandel. Die Pädagogin hat zwar den Abiturjahrgang nicht in der Oberstufe unterrichtet, doch weil Mandel viele Schüler bereits begleitet hat, als diese in der achten Klasse waren, wollte auch sie an diesem großen Tag dabei sein. Dabei blickte Mandel auf die Corona-Jahre zurück, als sie zum Beispiel, ausgestattet mit einer Kreidetafel, die Schüler online unterrichten musste. Ohne die Unterstützung der Eltern hätten es einige der heutigen Abiturienten wohl schwerer gehabt, wie Mandel hervorhob. Und zu ihren ehemaligen Schülern sagte sie: „Ich bin stolz auf euch.“

Stolz war auch Tim Schmöker, der die Aufräumarbeiten der Schüler nach dem Abisturm lobte, und mit einem Augenzwinkern hinterherschob, dass die Schule danach sauberer als üblich gewesen sei. Auch Lehrer Andreas Lellinger war gewohnt gut aufgelegt. Viele der Schüler habe er erst vor wenigen Tagen auf dem Abiball so richtig kennengelernt, sagte er, und brachte damit mal wieder den Saal zum Beben.

Doch auch die Emotionen kamen in diesen Minuten nicht zu kurz. Christina Schmitt, die für die Eltern sprach, sagte: „Das ist einer der Momente, wo man am liebsten die Zeit anhalten möchte. Weil es ein perfekter Moment ist.“ Studiendirektor Stefan Trier zitierte eine Freundin, um den Abschied erträglicher zu machen, und sagte: „Verabschiedungen gehören dazu.“ Sie seien Teil des Lebens. Trotzdem dürfte nicht jedem der Abschied leichtgefallen sein. Dafür brachte die Schulband mit ihrem musikalischen Programm die Emotionen herüber, die nur schwer in Worte zu fassen sind, zum Beispiel mit „Lass es Liebe sein“ von Rosenstolz und „Don‘t Stop Believin‘“ von Journey.

Selbst wer die Schüler bis zu diesem Freitagabend nicht kannte, konnte in diesen Minuten ein Gefühl dafür entwickeln, wie groß der Zusammenhalt in diesem Jahrgang war. „Ihr habt euch immer gegenseitig unterstützt. Das macht euch stark“, sagte Oberstufenleiter Schmöker. Prägend waren auch die Reisen nach Auschwitz und Israel. Mit diesen Erfahrungen sind die Absolventen der Geschwister-Scholl-Schule vielen Menschen ihres Alters voraus. Schmöker wünscht sich daher, dass die Abiturienten der Gesellschaft etwas zurückgeben, sich zum Beispiel im Sportverein oder in der Freiwilligen Feuerwehr engagieren. „Demokratie braucht Schutz – und sie braucht euch.“

Einige werden den Rat von Schmöker vielleicht sofort annehmen und ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren. Andere wiederum dürften sich zunächst auf Ausbildung oder Studium konzentrieren, manch anderer reist vielleicht um die Welt. Doch egal, welchen Lebensweg die Abiturienten einschlagen, sie alle eint, dass sie an der Geschwister-Scholl-Schule immer willkommen sind. „Wir freuen uns auf ein Wiedersehen. Vielleicht sogar als Lehrer“, sagte Schmöker.

Bevor die Abiturienten an ihre ehemalige Wirkungsstätte zurückkehren, werden sie wohl erst die neue Freiheit genießen. Passend dazu spielte die Schulband zum Abschluss „Summer of 69“ von Bryan Adams. Wer dann das Forum der Schule verließ, mit den Reden und den Klängen der Musik im Ohr, hatte das Gefühl, dass es auch für diesen Jahrgang ein unvergesslicher Sommer werden könnte.

Die Ehrungen im Überblick

Besonderes Engagement: Leonhard Carl Bucher, Liv Fischer, Leo Ferdinand Gebauer, Sajal Rashid, Sophia Anna Schmitt, Leonard Schöll (alle in der Schülervertretung).

Migrationspreis: Ada Tasdelen.

Beste Fachleistungen: Matti Michel Wohlfart (Merck-Biologiepreis), Emily Engeln (Merck-Physikpreis und Physik-Buchpreis), Sophie Kathrin Suchy (Merck-Mathematikpreis, Physik und Mathe-Buchpreis), Jonathan Michael Bersch (Preis Gesellschaft Deutscher Chemiker), Steyn Olav Vaanholt (Mitgliedschaft Deutsche Physikalische Gesellschaft), Jarno Leander Volk (Physik-Buchpreis), Alisha Johanna Philipp (Geschichtspreis), Liv Fischer, Leo Ferdinand Gebauer, Max Vetter (jeweils Powi-Preis).

Beste Durchschnittsnoten: Finn Gehbauer, Sajal Rashid (beide 1,5), Mohammad Yassin Zubair (1,3), Emily Engeln, Liv Fischer, Sophie Kathrin Suchy, Leo Ferdinand Gebauer (alle 1,0), Max Vetter (1,0 und „Eule der Weisheit“). maz

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