Berufsorientierung

Erste Bensheimer Ausbildungsmeile vor den Sommerferien

Es ist ein Piloprojekt, das in Serie gehen soll: Vor den Sommerferien bekommen Schüler bei der ersten Bensheimer Ausbildungsmeile Einblicke in die Unternehmen vor Ort.

Von 
Thomas Tritsch
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Bei der ersten Ausbildungsmeile haben Schüler vor den Sommerferien die Möglichkeit, Bensheimer Unternehmen kennenzulernen. Judith Both (li, Firma Sanner), Reinhold Pfeifer (Dentsply Sirona) und Katja Kramer vom Unternehmerverband Südhessen erläuterten im Gespräch mit dieser Zeitung das Konzept. © Thomas Neu

Bensheim. Die Brücke zwischen Schulen und Unternehmen sollte kurz und stabil sein. Eine gute Berufs- und Studienorientierung kann zum richtigen Zeitpunkt individuelle Perspektiven öffnen und den erfolgreichen Übergang in die Arbeitswelt erheblich erleichtern.

Davon sind die Initiatoren der ersten Bensheimer Ausbildungsmeile felsenfest überzeugt. Vom 5. bis 20. Juli – kurz vor Beginn der Sommerferien – haben Schüler aller örtlichen Schulen die Chance, sich in Bensheimer Betrieben, Behörden und Institutionen aus erster Hand über die Ausbildungs- und dualen Studienmöglichkeiten zu informieren. Ein Pilotprojekt, das nach seiner Premiere in Serie gehen und über Bensheim hinauswachsen soll.

Die Macher setzen dabei auf die Motivation der jungen Leute, selbstbestimmt aktiv zu werden, Betriebe kennenzulernen und Berufe zu erkunden. Denn davon gibt es gerade in Bensheim mehr als genug: Der Wirtschaftsstandort ist vital und sehr facettenreich, vom kleinen Handwerksbetrieb über das Start-up und den Hidden Champion bis zum Global Player ist alles vertreten. Die Ausbildungsmeile soll dazu beitragen, die Unternehmenslandschaft live und vor Ort zu erleben und dabei wertvolle Erkenntnisse für die persönliche Zukunft mitzunehmen.

Rein in die Praxis

„Das Motto lautet: raus aus der Theorie, rein in die Praxis“, betont Katja Kramer, Referentin Kommunikation und Projektmanagement beim Unternehmerverband Südhessen (UVSH). Unter dem Dach des Verbands kümmern sich die Arbeitskreise Schule-Wirtschaft Südhessen als zentrale Nahtstelle vor dem Berufsstart darum, die Kompetenzen aus Schule, Hochschule und Wirtschaft zu vernetzen.

Auch Reinhard Pfeifer ist dort aktiv. Der Manager Vocational Training bei Dentsply Sirona war gemeinsam mit Kollegen des Arbeitskreises im hohen Norden auf ein taugliches Vorbild gestoßen, das jetzt für die größte Stadt im Landkreis adaptiert wird: Ende 2021 hat die Initiative „Schule Wirtschaft Hamburg“ mit Jugendlichen, Eltern und weiteren relevanten Akteuren nach Antworten gesucht darauf, was Jugendliche wirklich brauchen, um sich beruflich orientieren zu können. Dabei gärte der Wunsch nach Raum für Eigeninitiative. Die Schüler wollten dort abgeholt werden, wo sie stehen: an der Kante des Sprungbretts in die berufliche Zukunft.

Daraus war die „Lokale Ausbildungsmeile“ entstanden, die im Hamburger Bezirk Wandsbek aus dem Stand heraus einen hoch erfolgreichen Start erlebt hat. „Die Idee hatte einen Schneeballeffekt ausgelöst“, so Reinhard Pfeifer, der sich ähnliches auch für Bensheim erhofft. Das Konzept bezeichnet er als niederschwellig, praktikabel und ohne großen Aufwand umsetzbar.

Schulen und Unternehmen in Wandsbek waren Feuer und Flamme, um dabei zu sein. Die Betriebe im Bezirk hatten sich zwei Wochen lang für Schüler geöffnet und ihre Ausbildungsbereitschaft signalisiert. Die Jugendlichen haben erlebt, dass sie willkommen sind. Eine zentrale Botschaft, findet auch Pfeifer: „Betriebe müssen sich heute als gute Ausbilder und Arbeitgeber beweisen. Ausbildungsmarketing ist dafür ein wichtiger Schlüssel.“

Die Idee: kurze Wege mit nachhaltiger Wirkung. Mit den Praxis-Schnuppertagen will man eine weitere Plattform für erfolgreiches Ausbildungsmarketing schaffen, ohne dabei mit etablierten Formaten in einen Konkurrenzkampf zu treten. Denn am Ende geht es beim Thema Berufsorientierung immer darum, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und sich konstruktiv zu ergänzen, so Katja Kramer, die sich von der Premiere wichtige Impulse erhofft: „Es geht bei der Ausbildungs- und Berufswahl immer um ein gutes Matching“, verweist sie auf den hohen Stellenwert eines möglichst idealen Abgleichs von Arbeitsplatzanforderungen sowie den persönlichen Eigenschaften und Kompetenzen von Bewerbern. „Das passiert in den seltensten Fällen rein zufällig.“

Für die Schüler ist das Dating verpflichtend, die Besuche in den Unternehmen werden vorab genau mit den Schulen abgestimmt. Dafür werden vom jeweiligen Betrieb mehrere Zeitfenster sowohl am Vor- und am Nachmittag geöffnet, um die Visiten logistisch sauber über die Bühne zu bringen. Die Slots reichen von 8 bis 11.30 Uhr sowie von 12.30 bis 16 Uhr.

Täglich 300 Schüler unterwegs

Laut Reinhard Pfeifer werden pro Tag rund 300 Schüler unterwegs sein. Durch den Termin vor den Sommerferien können die Kapazitäten an den Schulen bereitgestellt werden – die Schüler verpassen keinen Unterricht, sondern lernen aktiv die Wirtschaft vor der Haustür kennen. Bislang sind alle weiterführenden Schulen dabei, von der Hauptschule über die Realschule bis zum Gymnasium und Beruflichen Gymnasium.

Das Besondere: Das Angebot richtet sich an Jugendliche im Jahr vor ihrem Schulpraktikum, damit sich Schüler frühzeitig – und rechtzeitig – orientieren und die für sie richtige Unternehmensauswahl treffen können. Zielgruppe sind daher Schüler der Klassen acht bis elf. Die Anmeldephase für Schüler startet Anfang Juni über die Plattform „Ausbildung-Bergstrasse.de“. Über diese Website können sie Unternehmen und Zeitfenster auswählen. Die Unternehmen erhalten daraufhin eine Mail-Benachrichtigung.

Auf dem gleichen Portal definieren interessierte Unternehmen die Zeitfenster, die sie anbieten möchten. Da die Veranstaltung während der Schulzeit stattfindet, ist es sinnvoll, auf jeden Fall auch ein Vormittagsfenster anzubieten. Auch die Anzahl der verfügbaren Plätze und ein paar Infos zum Unternehmen sind über die Internetseite abrufbar.

Für die Schüler bietet sich die Chance, an zwei Tagen bis zu vier Betriebe zu besuchen. Statt anonymer Schnelldurchläufe sollen dabei ausführliche Einblicke auf dem Programm stehen, versichern die Initiatoren. Auch der bindende Charakter des Formats sorge dafür, dass die Ausbildungsmeile den gewünschten Effekt erzielen wird, so Judith Both, Director Human Resources bei der Sanner GmbH.

„Eine frühe Berufsorientierung lebt von guten Kontakten in die Wirtschaft“, sagt die Personalleiterin. Reinhard Pfeifer sieht das genauso. Gerade während der Pandemie habe sich der Dialog mit den Bildungshäusern als äußerst wertvoll erwiesen. In einer Zeit, in der Praktika und Ausbildungsmessen nicht möglich waren oder durch distanzierte Online-Formate kaum ersetzt werden konnten, sei der direkte Draht zu Schulen enorm wichtig gewesen. Im Falle von Dentsply Sirona habe dies – als einer von mehreren Faktoren – mit dazu geführt, dass die Bewerberzahlen nach Corona nun wieder nach oben weisen.

Dass die Schüler bei diesem Angebot selbstbestimmt aktiv sein und eigenständig Ausbildungs- und Praktikumsplätze finden können, hält Judith Both für einen der zentralen Vorteile. Denn noch immer wird die Studien- und Berufswahl vieler Jugendlicher teilweise maßgeblich von den Eltern beeinflusst. Das muss nicht grundsätzlich schlecht sein, kann aber auch den Kurs in eine falsche Richtung führen und offene Pfade verbauen.

Auf eigene Faust losziehen

Die Branchenvielfalt in Bensheim sei groß genug, um mit Neugier und Motivation auf eigene Faust loszuziehen, so Judith Both. Für die Unternehmen wiederum biete sich die Möglichkeit, mit potenziellem Nachwuchs ins Gespräch zu kommen und dabei wertvolle menschliche Ressourcen für die Zukunft zu sichern. „Die Ausbildungsmeile ist eine Chance für die Hidden Champions in unserer Region, zu zeigen, was sie können und junge Menschen für sich zu gewinnen“, kommentiert Dirk Widuch, Geschäftsführer der Unternehmerverbände Südhessen.

Für Unternehmen, die bei der Ausbildungsmeile im Sommer in Bensheim mitmachen möchten, ist die Registrierung bereits möglich unter: https://meile.ausbildung-bergstrasse.de/anmeldung-unternehmen/.

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