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Elektromobilität: Pro und Contra zum Thema Elektroauto

Zwei Automobilexperten sehen beim Themenkreis „50 plus aktiv“ Elektrofahrzeuge als Erfolgsweg zur Mobilitätswende.

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Thomas Tritsch
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Zum Thema Elektromobilität informierten zwei Automobilexperten die Teilnehmer beim Gesprächskreis 50 plus aktiv. © DPA

Bensheim. Die EU will ein Ende des Verbrenner-Motors bis 2035. Der Umstieg auf Elektromobilität ist beschlossene Sache. Doch die Absatzzahlen für Dieselfahrzeuge steigen wieder an, während die Nachfrage nach Elektroautos stagniert. Sowohl in den USA wie auch hierzulande verkaufen sich die sauberen Alternativen nicht so gut, wie sich die Hersteller das erhofft hatten. Werke sind nicht ausgelastet. Das Elektroauto entwickelt sich zum Ladenhüter. Ist der batteriebetriebene Weg eine Sackgasse? Oder die Schnellstraße in eine bessere Zukunft?

Zwei Insider wollten in Bensheim die gängigen Mythen auf eine Probe stellen und „den Versuch einer Richtigstellung“ wagen, wie es in der Ankündigung zu einem Vortrag der Initiative 50 plus-aktiv im Café Klostergarten hieß. Bernd Ritter und Eric Maar sind beide in leitenden Positionen in der E-Sparte von Audi tätig, doch der Termin im Franziskushaus war weder eine Werbeveranstaltung für die Ingolstädter Fahrzeugschmiede noch eine kritiklose Heiligsprechung der Elektromobilität.

Auch ohne Verbrenner-Verbot auf dem Vormarsch

Die zahlreichen Gäste erlebten eine fachlich kompetente Einschätzung von zwei Branchenprofis, die Vor- und Nachteile beider Technologien erläuterten und abwogen. Dass sie beide „E-Traktions-Fans“ sind, stellten sie vorab aber ausdrücklich klar.

Der Themenkreis der Bergsträßer Initiative, der regelmäßig vorwiegend naturwissenschaftliche und technische Fragen behandelt, hatte mit diesem aktuellen Thema offenbar ins Schwarze getroffen – wenngleich es sich bei dem Vortrag mit Dialogmöglichkeit um ein Distanzformat gehandelt hat: Die Referenten waren in Bensheim nicht persönlich anwesend.

Mythos eins: Der ökologische Fußabdruck bei E-Autos ist genauso schlecht – oder schlechter – als bei Verbrennern. Bernd Ritter plädierte für einen differenzierten Blick: Elektro-Autos gelten als umweltfreundlich, weil ihr Fahr-Wirkungsgrad hoch ist. Nimmt man aber den gesamten Lebenszyklus in den Blick, sieht die Sache anders aus. Bevor der Motor läuft, zeigen Elektrofahrzeuge tatsächlich einen höheren CO2-Verbrauch als beispielsweise Diesel-Fahrzeuge.

Ladeplätze für E-Autos: Die Themen Infrastruktur und Reichweite werden kontrovers diskutiert. © dpa

Die Herstellung eines Elektromobils verursacht im Durchschnitt ein Drittel mehr CO2-Emissionen als die Produktion eines konventionellen Fahrzeugs. Grund dafür sind die energieintensiven Verfahren zur Herstellung der verwendeten Lithium-Ionen-Batterien. Es braucht dafür relativ große Strommengen. Doch das Blatt wendet sich mit dem ersten Tag der Nutzung, so Ritter. „Nach zirka 20.000 Kilometern ist der Diesel eingeholt.“

Mythos zwei: E-Mobilität ist eine Mode und wird sich nicht durchsetzen. Falsch, sagt Eric Maar. Aufgrund geringerer Kosten und mehr Effizienz sind E-Autos seiner Meinung nach künftig eine günstige Alternative. Auch ohne Verbrenner-Verbot werde sich die Technik ihren Weg zum Massenprodukt bahnen. Und auch die Weichen sind klar gesteckt: 2035 markiert einen globalen Wendepunkt. Denn nach diesem Jahr dürfen in der EU keine Benziner oder Dieselfahrzeuge mehr zugelassen werden.

In anderen Teilen der Welt sieht es ähnlich aus. Ab 2030 beginne der Ausstieg aus der Verbrennungs-Ära, so der Ingenieur. Neben Europa haben sich auch China und die USA durch klare Vorgaben und Gesetze auf diesen Kurs geeinigt. Neben den technischen und ökonomischen Entwicklungen der E-Mobilität würde dieser Prozess durch steigenden Spritkosten noch beschleunigt. Erklärtes Ziel sei das Nullemissionsauto, so Maar mit einem Ausstoß von null Gramm pro Kilometer. Und es geht bereits massiv weiter bergab – im positiven Sinne.

Power Charger: Reichweite bleibt ein wichtiges Themen

Und auch die Infrastruktur entwickelt sich weiter. Die Region Bergstraße und Rhein-Main sei bereits heute gut ausgestattet. Für den Alltagsgebrauch eines E-Autos genüge eine Wallbox oder gar eine übliche Haushaltssteckdose. Besser sind Power Charger, die das Fahrzeug in wenigen Minuten mit relativ viel Energie tanken. Die Reichweite bleibt ein Thema: Umfragen zeigen, dass neben dem Anschaffungspreis auch Ladedauer und maximale Kilometerleistung bei Langstrecken ausschlaggebende Kriterien für oder gegen den Kauf eines Elektroautos sind. Die Sorge, auf einer Langstreckenfahrt zu unnötig langen Pausen gezwungen zu sein, gilt bei vielen als Kaufblockade.

Durchschnittlich zwei bis vier Stunden braucht der Akku eines E-Autos an einer einfachen AC-Ladesäule mit Wechselstrom, um komplett aufgeladen zu werden. Das geht an einer DC-Schnellladesäule mit Gleichstrom wesentlich schneller: In der Praxis bedeutet das, dass die Stromer in 30 bis 60 Minuten wieder vollgeladen sind. „Ich habe bis jetzt immer eine passende Ladesäule gefunden“, sagt Bernd Ritter, der einräumt, dass elektrisches Reisen etwas Planung erfordere. In der Regel müsse man alle 300 bis 500 Kilometer mit Ladestopps kalkulieren.

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dpa/lhe
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Weitere Sorgenfalte ist das Thema Sicherheit. Aktuell gebe es keinerlei Hinweise darauf, dass Elektroautos mit oder ohne Unfalleinwirkung eher zum Brennen neigen als Autos mit Verbrennungsmotor, so Eric Maar. Untersuchungen des TÜV und der Feuerwehr sowie die Statistik des Gesamtverbands der Versicherer kommen hier zu gleichen Ergebnissen.

Dieser Aspekt sei somit ganz klar zu vernachlässigen. Ebenso verhält es sich bei der Lebensdauer der Batterie. Sie verliert mit zunehmendem Nutzungsgrad an Leistungsfähigkeit, altert durch Lade- und Entladevorgänge und durch die Zeit selbst. Doch nach ihrer Karriere im Auto könne – und wird – der Akku oftmals als stationärer Speicher weiter genutzt, was die Ökobilanz weiter verbessere, so Bernd Ritter: „Sie hat ein zweites Leben!“

Die Gesamtbilanz der Insider fällt also positiv aus. E-Fahrzeuge seien langfristig die bessere Mobilitäts-Alternative, betonen beide. Und noch ein weiterer Aspekt sei entscheidend, dem Verbrenner adieu zu sagen: die Freude am Fahren. Stammt zwar nicht von Audi, sei für E-Autos aber grundsätzlich zutreffend.

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