Lesung

Eine Reise durch fernöstliche Welten mitten in Bensheim

Rafik Schami erzählt vor großem Publikum im AKG aus seinem neuen Buch

Von 
Thomas Tritsch
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Begnadeter Erzähler: Rafik Schami stellte am Freitagabend in der Mensa des AKG sein neues Buch vor. © Thomas Zelinger

Bensheim. „Wenn er erzählt, erblüht die Wüste“, hat der Literaturkritiker Denis Scheck den fast genauso betitelten neuen Roman von Rafik Schami kommentiert. Die Gäste in der vollbesetzten Mensa des Alten Kurfürstlichen Gymnasiums konnten sich am Freitag selbst davon überzeugen – auch, wenn die Wüste nur in den Köpfen der Zuhörer blühte. Zwei Stunden lang erlebte man die hohe Kunst des freien Geschichtenerzählens von einem der Besten seiner Art.

Mit einer konventionellen Lesung hatte dies – wie immer – nichts zu tun: Der syrisch-deutsche Schriftsteller spazierte neugierig und assoziativ durch die Dramaturgie seines Buchs und schlug dabei nicht nur die belebten Hauptverkehrsadern und prächtigen Boulevards ein. Auch in den Seitengässchen, auf den abgelegenen Basaren und in den lauschigen Cafés seiner Literatur erwartet den Gast stets eine Begegnung der besonderen Art.

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Schami, der auf Einladung der Bücherstube Deichmann zum wiederholten Male nach Bensheim kam, besucht in einem arabischen Land des 19. Jahrhunderts den weisen König Salih. Als seine Königin bei einem Attentat stirbt, versinkt die einzige Tochter Jasmin in eine lange und tiefe Melancholie.

Damit nicht genug: Die sanfte Thronfolgerin hat sich in einen armen Fischer verliebt, was sie vor dem Vater geheim halten will. Als ein Kaffeehauserzähler von ihrem Leiden erfährt, beschließt er, die Prinzessin zu heilen. Denn wem dies gelingt, dem ist die Hand der Prinzessin versprochen.

Allabendlich versammelt der Erzähler Karim erzählfreudige Menschen im Palast, um die junge Frau durch die schillerndsten Geschichten wieder ins Leben zurückzuholen. Inhaltlich geht es – wie so häufig beim Autor – um Kontraste: um Mut und Feigheit, Freundschaft und Feindschaft, um bedingungslose Liebe und nüchternes Kalkül. Das Buch ist eine einzige Hommage an die Erzählkunst, und somit auch eine ausgestreckte Hand des Schriftstellers an das eigene Genre.

Der 1946 in Damaskus geborene Schami erzählt Geschichten aus der Welt von Tausendundeiner Nacht, die er aus dem Fundus seines Vaters zusammengestellt hat. Dieser war ein leidenschaftlicher Büchersammler, in seiner Sammlung befanden sich etliche Erstdrucke, Handschriften und seltene Ausgaben historischer Werke, die im Sommerhaus der Familie nördlich von Damaskus gelagert wurden.

Nur sechs Bücher gerettet

Im Jahr 2014 dann der Schock: Das Haus brannte, nur sechs Bücher wurden gerettet. Darunter der Roman „Wenn du erzählst, erblüht die Wüste“, geschrieben von einem anonymen Verfasser im 19. Jahrhundert. Schami hat ihn bearbeitet und ein Stück weit neu erfunden. Ein buchstäblich märchenhafter Kosmos arabischer Erzählungen, der auf eine sehr plastische und poetische Weise alle menschlichen Befindlichkeiten abdeckt und den Leser (oder Hörer) wie von Zauberhand in eine fremde Welt entführt.

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Hans-Dieter Fronz
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Ein facettenreicher und kunstvoll gestalteter orientalischer Teppich aus Geschichten, vom Autor fein verwoben und kunstvoll aneinandergereiht. Das Publikum im AKG erlebte den ätherischen Augenblick im Spannungsgefüge gesprochener Literatur – und ein feines Gastspiel auf einer Lesereise, die Schami bis Jahresende durch mehr als 40 Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz führen wird. Vor drei Jahren hatte er die Tour wegen der Pandemie abbrechen müssen. tr

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