Auerbach. Wie soll man diesem Künstler gerecht werden? Ein Tausendsassa auf dem Xylophon – auf einem einzigartigen Instrument mit seiner ganz eigenen Kombination aus Musik und Botschaft.
Alex Jacobowitz will viel auf einmal und kommt an: Noch lange nach dem Konzert in der Auerbacher Synagoge stehen die Besucher um ihn und sein Instrument herum und können sich dem atmosphärischen Sog, den er geschaffen hat, nicht entziehen. Doch sein Ruf eilte ihm voraus: Schon vor dem eigentlichen Konzertbeginn war die kleine Auerbacher Synagoge übervoll und viele Besucher konnten nicht mehr eingelassen werden.
Zwei Schlägel in jeder Hand
Der Auerbacher Synagogenverein lud den Virtuosen zur offenen Kirche im Rahmen des Bachgassenfestes ein. Der Ausnahmekünstler spielte auf dem Xylophon allerdings nicht nur Werke aus der Klezmer-Tradition oder der hebräischen Liturgie, sondern genauso Bach oder Erik Satie. Er zauberte mit seinen vier Schlägeln – zwei in jeder Hand – so dass man vergisst, dass das Stück eigentlich für zehn Finger geschrieben wurde.
„Das war für mich eine jahrelange Herausforderung. Es gibt keine klassische Musik für mein Instrument“, so Jacobowitz. Ein sonderbar dunkler und warmer Klang, der einem erst durch den Magen und dann durch den ganzen Körper geht: Die Synagoge scheint zu vibrieren.
Sein Instrument, das eigens für ihn gebaut wurde, ist allerdings auch fast halb so breit wie der ganze Raum. Ein einzigartiger Klangkörper aus Palisanderholz und Metall, der eine Stunde lang auf- und abgebaut werden muss. Er hatte einst von diesem Instrument geträumt und sich diesen Traum Stück für Stück aufgebaut.
Alex Jacobowitz wurde 1960 in New York geboren und pendelt heute zwischen Jerusalem und Berlin, seiner zweiten Heimat. Während seines Musikstudiums verliebte er sich in den besonderen Klang des Xylophons. Als er seinen Professor fragte, was nötig sei, um ein Weltklasse-Xylophonsolist zu werden, lachte dieser nur und sagte: „So etwas gibt es nicht!“ Also entschied er sich, einfach selbst „so etwas“ zu werden und gewann zahlreiche Preise.
Nach einem Jahr mit dem Jerusalem Symphony Orchestra ließ er das Leben als Orchestermusiker hinter sich und ist seither auf der ganzen Welt als Solist tätig.
Für den gläubigen Juden ist Musik eine Sprache, die ihm dem Schöpfer näher bringt. Deshalb gilt sein Streben nicht nur der Liebe zur Musik, sondern auch danach, den Dienst der Hände als eine Art „Gottesdienst“ zu begreifen.
Doch er hat noch ein weiteres Anliegen: musikalische Völkerverständigung. Dafür geht er auf die Straße, dorthin wo andere anfangen, Musik zu machen.
Straßenmusiker mit Botschaft
Als Straßenmusiker möchte er seine Musik und seine Botschaft mit so vielen Menschen wie möglich teilen. Darum hat er sich für den unmittelbaren Kontakt mit dem Publikum entschieden und bereist jeden Sommer mit seinem Instrument die Großstädte Europas und begeistert mit seiner Mischung aus klassischem Konzert und New Yorker Streetshow. Denn er hat auch ein außergewöhnliches Talent, eigene Erlebnisse und Geschichte zu erzählen. Über die Alhambra in Spanien beispielsweise, in der lange Zeit Christen, Muslime und Juden friedlich zusammen lebten und nicht nur miteinander, sondern auch füreinander beteten.
Die Wintermonate verbringt Jacobowitz mit seiner Familie in Israel, bereitet neue Aufnahmen vor, schreibt seine Geschichten auf und tritt in Konzertsälen auf der ganzen Welt auf. Seit vielen Jahren engagiert er sich zudem in der Bildungsarbeit in Deutschland und tritt in Schulen auf. Dabei kann man allerhand Neues lernen: Wie „Alle meine Entchen“ in einer koscheren Version klingt und dass Klezmer eigentlich keine traurige Musik ist.
Er engagiert sich mit seinem Spiel für Verständigung zwischen Juden und Christen und anderen Religionen. Er lebt auf der Straße vor, wie das Zusammenleben von verschiedenen religiösen oder weltanschaulichen Gruppen funktioniert: Zusammenkommen, zuhören, respektvoll miteinander umgehen und voneinander lernen.
Herzen der Menschen erreichen
Dazu gehört auch ein dickes Fell und Mut, sich immer und überall den Unwägbarkeiten der Straße auszusetzen. Aber das ist sein Lebensinhalt: Mit Musik und Geschichten die Herzen der Menschen erreichen. Für eine Welt, in der Toleranz und gegenseitige Achtung die Oberhand behalten.
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