Bensheim. Shakespeare ist der wohl meistgespielte Autor nicht nur auf deutschen Bühnen. „Ein Sommernachtstraum“ wiederum dürfte unter den Stücken des elisabethanischen Dichters eines der beliebtesten sein, ein zuverlässiger Publikumsmagnet auch wegen der häufig romantischen Kostüme und opulenten Kulissen der Inszenierungen.
Das Münchner Ensemble Persona gastierte am Donnerstag auf Einladung der Stadtkultur Bensheim im Parktheater und setzte auf andere Qualitäten der Komödie, die nach mehr als 400 Jahren noch immer die Zuschauer fasziniert – und bestens unterhält.
Regisseur Tobias Maehler nutzt vor allem die Kraft der Blankverse und der im Stück angelegten überraschenden Wendungen. So erklärte er es dem Publikum beim Warm-up, bevor die Schauspieler eigentlich loslegten.
Mit seiner in Kooperation mit dem Scharoun-Theater Wolfsburg und mit der Dramaturgin Elisabeth Kerschbaumer erarbeiteten Inszenierung betont der Regisseur den Charakter des Volkstheaters wie es im Stück selbst von der Theatertruppe der Handwerker repräsentiert wird.
Bewusst wird an die Tradition des elisabethanischen Theaters angeknüpft. Damals saß man vermutlich nicht artig auf den Stühlen, sondern ging umher und mischte sich ins Bühnengeschehen ein – genau weiß man es allerdings nicht. Das Ensemble Persona jedenfalls animierte sein Publikum erfolgreich zum Mitmachen. Schon am Eingang verteilten die Schauspieler bunte Eggshaker, die dann, dirigiert von Puck, im Verlauf des Abends reichlich zum Einsatz kamen.
Es geht um verschmähte Liebe
Thematisch passende, wunderbar schnulzige Schlager zum Mitsingen von „Marmor, Stein und Eisen bricht“ bis „Tränen Lügen nicht“ wurden durchaus stimmgewaltig gewürdigt. So waren es nicht nur die schön gespielten, wirklich lustigen Passagen des Texts, die das Ganze zu einem Riesenspaß werden ließen.
Die Handlung ist so bekannt wie überaus schwer nachzuerzählen. Es geht nicht nur um die unheilvolle Verstrickung von vier Beziehungspaaren, sondern auch um mehrere Handlungsebenen mit ganz unterschiedlichem Realitätsgehalt: Während der Hochzeitsvorbereitungen für Theseus und der Amazonenkönigin Hyppolita am Hof von Athen kommt der Konflikt zweier junger Paare zur Sprache. Es geht um eine vom Vater arrangierte Heirat und viel verschmähte Liebe.
Paarprobleme habe auch die Elfen Oberon und Titania, diese sollen mit einem trickreichen Zauber gelöst werden – der natürlich schief geht und für reichlich Verwirrung sorgt, bis das Ganze zum Schluss in glückliche Bahnen gelenkt und eine dreifache Hochzeit gefeiert werden kann. Zwischendrin sorgen die Handwerker, die sich als Schauspieler versuchen, für Heiterkeit. Durchgängig sehr präsent ist der von Anja Neukamm überragend und klischeefern gespielte Puck als Elf und Hofnarr Oberons. Traum und Fantasie, Wirklichkeit und Schauspiel – und Schauspiel im Schauspiel – sind so kunstvoll ineinander verwoben, dass der mittendrin sitzende Zuschauer manchmal fast nicht mehr weiß, ob er das Publikum ist oder es nur selbst spielt.
Geradezu wie ein eigenes Kammerspiel im Stück ist das Zusammentreffen der vier jungen, unglücklich liebenden Hermia (Chiara Penzel), Helena (Acelya Sezer), Lysander (Yannick Zürcher) und Demetrius (Benedikt Schulz) gestaltet. Sorgfältig durchchoreografiert tauschen die vier Gehässigkeiten aus. Auch die einstigen Freundinnen Helena und Hermia werfen sich Gemeinheiten an den Kopf, dass es nur so kracht. Und das buchstäblich, denn zwar sind Requisiten und Kulissen (Bühnenbild: Tobias Maehler, Claudia Weinhart, Kostüme: Antal Büki) stark reduziert, dafür thront aber hoch oben über der Bühne ein Schlagwerk mit dem famosen Perkussionisten Donald Manuel. Als Drummer betont er die rhythmische Konstruktion des Stücks, setzt ein andermal dramatische Akzente und erschafft beeindruckende atmosphärische Bilder vom süßen Sphärenklang bis zum penetranten Fliegengesumm.
Derbe Töne, obszöne Vorlagen
Die Aufführung scheut tatsächlich auch keine derben Töne – solche prägen zum Beispiel die destruktive Beziehung von Titania (Eva-Maria Piringer) und Oberon (David T. Schneider). Und auch die obszönen Vorlagen spielt die Inszenierung genüsslich aus, nicht nur sprachlich, sondern auch überaus anschaulich, etwa als Schattentheater der erotischen Begegnung des in einen Esel verzauberten Zettel mit Titania.
Nicht alle im Publikum wussten das alles zu schätzen, einige Wenige gingen in der Pause. Wer blieb, war offenkundig begeistert und belegte das mit ausdauerndem Applaus und teilweise großem Jubel.
Im Pressegespräch am Rande des Theaterabends erläuterte Regisseur Tobias Maehler seine Vorliebe für ein poetisches Volkstheater – „süffig und saftig und mit offenem Visier gespielt“. Seine Schauspieler nutzen für die Auf- und Abtritte den gesamten Zuschauerraum. „Das ist wichtig, damit das Ganze nicht nach hinten abmufft“, sagte Maehler. Toll am Theater sei das gemeinsame Erleben, eine gemeinsame Gegenwärtigkeit von Jung und Alt, die ihn immer wieder fasziniere.
Für Shakespeare und dessen Stoffe nehme ihn einerseits dessen Spiel mit Paradoxien ein, das ständige Gegenüber von Widersprüchlichem, wie etwa dem von Schein und Sein. Andererseits outet sich der Regisseur als großer Fan der gebundenen Sprache, die für ihn geradezu magische Wirkung entfalten kann.
Schon im Februar nächsten Jahres wird das Ensemble Persona übrigens wieder im Parktheater zu erleben sein, wieder mit einem bekannten Stoff. „In 80 Tagen um die Welt“ erzählt die Geschichte von Jules Verne mit viel Musik und einem circensischen Charakter.
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