Am Wegesrand

Ein „Kurpark“ sollte 1934 zur Zierde der Bergstraße werden

Wer zu Fuß geht, der kann viel erleben und nicht nur nette Menschen zum Plausch treffen, sondern an allen Ecken auch (meist) steinerne Zeugen vergangener Zeiten. Genau besehen, ist das gesamte Bensheimer Stadtgebiet ein Freiluftmuseum.

Von 
Eva Bambach
Lesedauer: 
Im Jahr 1910 war der Garten des Rodensteiner Hofs schon ziemlich verwildert. Erst 1934 wurde hier der Bensheimer Stadtpark (damals „Kurpark“) angelegt. Den Pavillon im Moller-Stil gibt es noch heute und auch die kleine Pforte im Norden hat sich – in veränderter Form – bis heute erhalten. Die schlichte Mauer wurde von den Gestaltern des Parks mit steinernen Vasen und Putten dekoriert. © Stadtarchiv

Bensheim. Wie ein kleines Skulpturenmuseum im Freien könnte einem auch der Stadtpark mit seinen vielen steinernen Denkmälern vorkommen. Doch bis auf wenige Stücke handelt es sich um Kopien von Originalen aus dem Rokoko, die der Hofbildhauer Ferdinand Dietz im 18. Jahrhundert für den Schlossgarten des Schlosses Veitshöchheim bei Würzburg angefertigt hatte. Originale des 18. Jahrhunderts dagegen sind wohl die beiden Grenzsteine an der Maueröffnung zum Kirchberg, über deren einstigen Standort man nichts weiß.

Bemerkenswert an diesem Park ist seine Lage am Ritterplatz – einem der nicht erst heute autoverkehrsreichsten Plätze – und zugleich direkt unterhalb der Weinberge. Der Park wurde 1934 eröffnet, als „Kurpark“, eine Zierde nicht nur Bensheims, sondern der ganzen Bergstraße, wie der Bergsträßer Anzeiger es damals beschrieb. Als grüne Lunge, wie in den damals schon eng besiedelten Großstädten, als Spiel- und Bewegungsraum der städtischen Bevölkerung war er nicht gemeint.

Blick auf den Stadtpark vom Moller-Pavillon aus – links der Rodensteiner Hof, im Hintergrund der Kirchberg. Als „Kurpark“ wurde die Anlage im Jahr 1934 eröffnet. © Eva Bambach

Die umgebende Landschaft war schon lang für Spaziergänge und zum Verweilen hergerichtet worden, mit Aussichtspunkten auf den Anhöhen und interessanten, gut begehbaren Wegen. Um den Wambolder Sand war nur wenige Jahre zuvor ein Wäldchen zur Erbauung angelegt worden, das im Wesentlichen noch heute existiert.

Und man scheint damals auch schon länger darüber nachgedacht zu haben, einen direkten Zugang von der Stadt zum Blütenweg zu schaffen, der nicht über die Kalkgasse führte.

Der Park wurde gleichzeitig mit dem Bensheimer Schwimmbad im Bestreben angelegt, die Stadt als Kur- und Badeort für den Fremdenverkehr attraktiv zu machen, ja sogar von dem Ziel einer „Fest- und Kongressstadt“ war, mit Blick auf das Winzerfest, die Rede. Zwar kamen schon damals Heerscharen aus allen Richtungen mit Bussen und Automobilen, um die Blüte an der Bergstraße und die Rebenhänge zu bewundern. Aber man wollte die Menschen auch zum Verweilen anregen. An den Ausbau zum Kurbad hatte man schon länger gedacht. Unter anderem hatte Ende der 1920er Jahre die Basinusquelle als Heilbad etabliert werden sollen. Ein Plan, der allerdings scheiterte.

Ein neuer Zeitabschnitt

Die Eröffnung des Parks wurde im Bergsträßer Anzeiger mit mehreren Artikeln im Mai 1934 breit gewürdigt. Ein neuer Zeitabschnitt der Verkehrswerbung sei angebrochen, jubelte der Referent des Städtischen Verkehrs- und Bauwesens Josef Stoll in einer langen Abhandlung zum Thema. All das erreicht unter „dem ersten Bürgermeister im dritten Reich“ Heinrich Nachtigall. Der Kurpark sei ein besonderer Anziehungspunkt in zentraler Lage und mit dem alten Baumbestand und den vielen Bänken ein dem Fremden willkommener Aufenthalt.

Als „Errungenschaft einer opferbereiten Bürgerschaft“ wird der Park in einem anderen Text gelobt, aber auch als Leistung des ersten Jahrs der nationalsozialistischen Amtsführung, die das „Steuer herumgerissen“ habe. Und so wurden zur Eröffnung des Parks die Volksgenossen zahlreich erwartet, um ihre Verbundenheit mit der nationalsozialistischen Verwaltung zu zeigen. Deren Leistung sei es auch gewesen, die städtischen Finanzen zu schonen: Der Park wurde im Wege der bezuschussten Notstandsarbeit unter Verwendung von Wohlfahrtserwerbslosen als vollbezahlte Arbeiter geschaffen.

Die beschwingte Tänzerin im nördlichen Teil des Parks kann leicht übersehen werden. Sie gehört zu den 1934 angekauften Kopien. © Eva Bambach

Doch warum wurde überhaupt ein neuer Park angelegt? Schließlich gab es in der Mitte der Stadt schon seit dem 19. Jahrhundert die zunächst nach Kaiser Wilhelm, später nach Paul von Hindenburg benannte „Anlage“ auf dem ehemaligen Graben zwischen Bahnhof und Altstadt – nichts anderes als ein Park. Dieser jedoch musste zum Teil für das 1929 erfundene Bensheimer Winzerfest weichen: 1934 wurde der Teil südlich der Bahnhofstraße geschottert, um als Festplatz für Fahrgeschäfte und anderes dienen zu können. Damit verlor der begrünte Teil der „Anlage“ seine stattliche Größe. Die Anlage sei ohnehin nur noch eine verwilderte Grünanpflanzung gewesen, voller Gestrüpp und eine Brutstätte für Schnaken. Die alten Bäume seien morsch gewesen und mussten aus Sicherheitsgründen gefällt werden, hieß es – was offenbar für Protest gesorgt hatte.

Stattdessen also wurde nun der Garten des Rodensteiner Hofes ertüchtigt. Er war schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Park gestaltet worden, mit dem Pavillon im Moller-Stil direkt am Ritterplatz. Mit Teilen des benachbarten Gartens der Villa Müller (Nibelungenstr. 6) wurde das Gelände jetzt bis an den Blütenweg erweitert.

Der Garten des Rodensteiner Hofs war schon 1905 in den Besitz der Stadt gelangt. Damals hatte die Witwe des Heinrich Überbruck von Rodenstein das Anwesen mit einem für sie selbst äußerst nachteiligen Vertrag an die Stadt verkauft. Doch hatte weder die Stadt zunächst Verwendung für die Immobilie mit 11 000 Quadratmetern Fläche, noch fand sie einen Käufer dafür. Die Räume wurden unterschiedlich genutzt und noch in den 1920er Jahren hatte man keine rechte Funktion dafür gefunden. Ab 1933 wurde das Gebäude von der Kreisleitung der NSDAP in Anspruch genommen.

Scheußliches „Kreisehrenmal“

Die propagandistische Funktion der Parkanlegung kommt in zeitgenössischen Pressetexten hinreichend zum Ausdruck. Vielleicht spielte also auch die räumliche Nähe zur nationalsozialistischen Kreisleitung eine Rolle – die zudem 1936 an der höchsten Stelle des Parks ein scheußliches „Kreisehrenmal“ für sechs zwischen 1929 und 1933 umgekommene Nationalsozialisten errichtete. Dieses Denkmal wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zwar umgestaltet, überdauerte aber bis zur Umgestaltung des Parks im Jahr 2000.

Ein bloßes Gedankenspiel ist die Überlegung, ob die „sozialistischen“ oder anti-kapitalistischen Anteile aus den Anfangsjahren der Nazi-Ideologie bei der Inbesitznahme des ehemaligen Adelshofs und seines Gartens eine Rolle gespielt haben könnten. Dagegen spricht jedoch schon der Umstand, dass man auf Betreiben Josef Stolls ein Konvolut an Skulpturen zur Dekoration kaufte, das auf die höfische Welt des 18. Jahrhunderts zurückgeht. Teile davon grüßen noch heute die Passanten von der Mauer herunter.

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

  • Winzerfest Bensheim