Geburtshaus Bergstraße - Trägerverein hat eine Immobilie gefunden / Ab 2021 in der bis dahin umgebauten ehemaligen Diakoniestation an der Fehlheimer Straße

Ein „Haus des Lebens“ mitten in der Stadt

Von 
Dirk Rosenberger
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Bensheim. Die größte Stadt im Kreis Bergstraße steht seit knapp einem Jahr ohne Geburtsstation da – was für das lokalpatriotistische Selbstverständnis ein schwerer Schlag war und für viele werdende Eltern eine unbefriedigende Situation ist.

Nachdem am Heilig-Geist-Hospital die Lichter für die Abteilung ausgingen, kam zügig die Idee auf, ein Geburtshaus in Bensheim einzurichten. Erste Kreisbeigeordnete Diana Stolz (Wahlheimat Bensheim, mit einem „Bensheimer durch und durch verheiratet“) ergriff die Initiative und fand in Hebammen und Bürgermeister Rolf Richter schnell Verbündete. Ende Juni gründete sich schließlich (wie berichtet) ein Trägerverein, offen blieb damals allerdings die Frage nach dem Standort.

Seit Freitag gibt es darauf nun eine Antwort. Das Geburtshaus Bergstraße wird sich in der Fehlheimer Straße 62 ansiedeln, in der ehemaligen Zentrale der Diakoniestation Bensheim/Zwingenberg. Das Einfamilienhaus befindet sich im Besitz der evangelischen Michaelsgemeinde, die das Gebäude an den Trägerverein vermieten wird.

„Großer Tag der Freude“

„Es ist ein großer Tag der Freude und ein Meilenstein für den Verein“, erklärte Bürgermeister Rolf Richter, zugleich Vorsitzender. Man habe ein Heim gefunden für den Traum, dass man in Bensheim wieder Kinder auf die Welt bringen kann. Er dankte den vier Hebammen Annett Haase, Sarah Wolff, Kayoko Wallenstein und Birgit Heidkamp, die nicht nur das Herzstück des Vorhabens sind, sondern auch die Herausforderung annehmen, die ein solches Unterfangen mit sich bringt.

Richter bezeichnete die Lage als ideal – innenstadtnah, gut erreichbar, mit Parkplätzen vor der Haustür und einem schönen Garten, der als Erholungsraum dienen kann. „Das wird unser Haus des Lebens“, betonte der Vorsitzende. Bis es so weit ist, muss jedoch einiges in die Immobilie investiert werden. Die Planungen für den Umbau laufen bereits.

Die Sanierungskosten, die von der Kirche getragen werden, belaufen sich nach Auskunft von Pfarrer Christoph Bergner, der von einer sehr guten Lösung sprach, auf 100 000 Euro. „Ich hoffe, dass dies ein guter Ort wird, an dem Leben wachsen und gedeihen kann“, sagte der Geistliche. Der Trägerverein wird in die bauliche Ausgestaltung wohl mindestens 80 000 Euro stecken müssen, hinzu kommen Ausgaben für die Ausstattung. Man sei in Gesprächen mit Spendern und Unterstützern, so Richter. Wichtig sei, dass man nun an den Start gehen kann. Diana Stolz stellte eine finanzielle Zuwendung aus Wiesbaden in Aussicht, nachdem sie Kontakt zum Sozialministerium aufgenommen hatte.

Markus Zimmermann, Bauingenieur und zweiter Vorsitzender, geht davon aus, dass man nach Abschluss der Planung mit den Arbeiten zügig beginnen und diese bis Ende des Jahres beenden kann. „Dann könnte der Betrieb starten, mit den ersten Geburten rechnen wir im zweiten Halbjahr“, ergänzte Richter. Vorgesehen sind drei Geburtsräume, einer davon mit Geburtswanne. „Wir sind froh, dass es mit dem Haus geklappt hat, es ist optimal“, freute sich Sarah Wolff.

Die Hebammen werden dort künftig nicht nur Kinder zur Welt bringen, sondern auch Vorsorgeuntersuchungen anbieten, Fortbildungen, Vorbereitungs- und Rückbildungskurse abhalten. Platz ist ausreichend vorhanden. Die Ausstattung der Geburtsräume ist ähnlich wie in einem Kreißsaal, „aber mit Wohnzimmercharakter“, verdeutlichte Annett Haase.

Geburtshäuser seien eine sehr gute Anlaufstelle für Schwangere, die nicht in eine Klinik wollen, aber auch nicht zu Hause gebären möchten. Sollte es im Vorfeld absehbar sein, dass es zu Risiken bei der Niederkunft kommt, ist eine Entbindung im Geburtshaus nicht möglich. „Wir wollen die Risiken minimieren“, verdeutlichte Annett Haase. Einen Arzt gibt es nicht im Haus, bei der Geburt wird aber eine zweite Hebamme zugegen sein. „Sie haben dann eine 2:1-Betreuung.“

Mit 60 Geburten im Jahr sowie den zusätzlichen Angeboten und Leistungen wie Wochenbettpflege, Stillberatung oder Familienplanung soll ein wirtschaftlicher Betrieb gewährleistet sein. Rolf Richter rechnet damit, dass dies im zweiten oder dritten Jahr der Fall sein wird.

Diana Stolz, vom Bürgermeister zur Patentante des Hauses ernannt, freute sich über den Fortschritt des Projekts und sprach von einer „hervorragenden Zusammenarbeit“ mit den Hebammen im Kreis. Aufgrund ihrer vielen Kontakte wisse sie, dass ihnen vor allem ein Versammlungsort bislang gefehlt habe. Das würde sich nun ändern. In ihrer alten Heimat in Idstein gebe es bereits ein Geburtshaus, das dort eine Bereicherung und ein zusätzliches Angebot zur stationären Versorgung sei.

Der Besuch im Taunus zu Jahresbeginn sei für alle Teilnehmer sehr prägend gewesen. „Ich hätte nicht gedacht, dass es uns gelingt, hier ein ebenso schönes Haus zu finden. Besser geht es nicht“, zeigte sie sich von der Bensheimer Lösung begeistert. Wobei die Bensheimer Lösung nicht nur für Bensheimer vorbehalten ist, wie schon der Name nahelegt. Das Geburtshaus Bergstraße ist ein Angebot für Schwangere aus dem Kreisgebiet – mit dem positiven Nebeneffekt, dass (abgesehen von Hausgeburten) ab 2021 wieder regelmäßig gebürtige Bensheimer das Licht der Welt erblicken.

Doris Walter wünscht sich viele Mitglieder

Doris Walter engagiert sich als zweite Vorsitzende im Trägerverein für das Geburtshaus. Ihr großes Anliegen ist es, Menschen aus Bensheim und der Region zu motivieren, Mitglied zu werden. „Bei der Gründung habe ich gesagt, dass ich gerne 1000 Mitglieder hätte.“

Sicherlich ambitioniert, aber wer Doris Walter kennt, weiß, dass es ihr weder an Kontakten noch an Engagement mangelt, um das Ziel zu erreichen. Zumal der Jahresbeitrag mit 24 Euro bewusst niedrig angesetzt ist. „Das sind zwei Euro im Monat, also weniger als zwei Tafeln Schokolade. Und wir sind süßer und noch besser“, machte sie beim Ortstermin am Freitag Werbung.

Immer willkommen sind neben den Mitgliedern Sponsoren und Unterstützer, die sich vielleicht nicht finanziell, aber mit Einsatzbereitschaft einbringen wollen. So hat der Verein Oald Bensem schon zugesagt, sich um den Garten kümmern zu wollen. Der hat Potenzial, jedoch muss einiges an Arbeit reingesteckt werden.

Nachfragen gibt es laut Doris Walter schon einige, viele freuen sich auf die Möglichkeit, in Bensheim zu entbinden. Zeitnah soll deshalb zudem eine Homepage mit allen Informationen und einer Beitrittserklärung an den Start gebracht werden. dr

Konto des Trägervereins für Spenden bei der Sparkasse Bensheim: DE 53 5095 0068 0002 1547 22

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