Bensheim. Am 5. März wurde im Parktheater Bensheim zur Eröffnung der Woche junger Schauspielerinnen und Schauspieler das Stück „Iphigenies Rache“ vom Theater Regensburg aufgeführt, verfasst und gespielt von Lilly-Marie Vogler. Das Stück behandelt zeitlose Themen wie Feminismus, Gesellschaftskritik und Verständnis für und untereinander und zeigt eindrucksvoll, wie relevant diese auch heute noch sind. Der Inszenierung gelingt es, mit moderner Theaterästhetik das Publikum von der ersten bis zur letzten Minute seinen Bann zu ziehen.
Das Theaterstück erzählt die Geschichte von Iphigenie, die für Wind von ihrem eigenen Vater geopfert werden soll. Der zentrale Konflikt entfaltet sich langsam, aber stetig, wobei der Monolog immer wieder mit lustiger Jugendsprache durchsetzt ist. Besonders eindrucksvoll war die Szene, in der Vogler das Publikum mit einbezog, um gemeinsam den ersehnten Wind zu produzieren. Trotz des historischen Ursprungs des Stücks wirkt die Thematik erstaunlich aktuell. Lilly-Marie Vogler legte großen Wert darauf, gesellschaftliche Parallelen zur Gegenwart aufzuzeigen, sei es durch die moderne Inszenierung oder die Aktualisierung des Sprachstils. Dadurch wurde das Werk nicht nur für Theaterkenner, sondern auch für ein jüngeres Publikum zugänglich und nachvollziehbar.
Ein wesentliches Element, das den Abend zu einem besonderen Erlebnis machte, waren die beeindruckenden Schauspielkünste der Darstellerin, die als Solistin nicht nur ihre Rolle, sondern gleichzeitig auch weitere Figuren, wie zum Beispiel Iphigenies Vater und weitere Familienmitglieder dem Publikum greifbar machte. Lilly-Marie Vogler brillierte in der Rolle von Iphigenie, indem sie die Figur mit emotionaler Tiefe und Intensität verkörperte.
Ein weiteres Highlight war die durchdachte ästhetische Gestaltung der Inszenierung. Das Bühnenbild von Christiane Hilmer schuf mit minimalistischen Elementen eine eindrucksvolle Atmosphäre. Besonders bemerkenswert war die Gestaltung von Iphigenies zersägtem Kinderzimmer, welches dadurch wie ihre emotionale Gefängniszelle wirkte. Die Kostüme unterstützten die Charakterzeichnung auf subtile Weise. Die Regiearbeit von Nils Strunk war insgesamt eine der großen Stärken des Abends. Durch die kraftvolle und moderne Interpretation und dem geschickten Zusammenspiel von Musik und Licht gelang es ihm, dem Stück eine eigenständige Handschrift zu verleihen. Besonders die Choreografie der Bewegungen auf der Bühne und der Umgang mit Raum, Lautstärke, Tempo und Publikum zeugten von einer durchdachten Konzeption. Die Reaktionen im Publikum waren durchweg positiv. Besonders in den Szenen, in denen Vogler aus der Rolle Iphigenies austrat und zum Beispiel einen modernen Rap performte. Am Ende gab es großen Beifall mit Standing Ovations. Die Inszenierung von „Iphigenies Rache“ bewies, dass klassische Mythologien auch heute noch relevant sein können – besonders dann, wenn sie so eindrucksvoll und mit einer klaren Vision auf die Bühne gebracht werden.
Insgesamt war der Abend ein bewegendes Theatererlebnis, das sowohl Theaterkenner als auch Neulinge überzeugte. Die Interpretation des Mythos, verfasst als 90-minütiges Solotheaterstück, zeigte eindrucksvoll, wie lebendig Theater sein kann, wenn es mit Leidenschaft, Tiefe und einer klaren künstlerischen Handschrift inszeniert wird. Ein Abend, der lange nachhallt und nachdenklich stimmt – und genau das ist es, was gutes Theater ausmacht.
Die Autorinnen sind Schülerinnen des AKG Bensheim und nehmen am Projekt „Theaterkritik“ der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste teil.
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