Bergsträßer Weinfrühling - Sensorik-Experte Martin Darting übersetzte Aromen in Geschmacks-Bilder

Ein Bild von einem Wein

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Edle Tropfen als Augenweide: Sensorik-Experte Martin Darting übersetzte Weinaromen in Farben und Bilder.

© Lotz

Bensheim. Eine grüngelb glitzernde Farbexplosion in der Nase, gefolgt von weichen Ocker- und mineralischen Blautönen, die sich im Mund mit pastellig-cremigen Noten und süßlichen roten Funken vereinen. So hat Winzer Jan Faber seinen Wein noch nicht "getrunken". Ein Zwingenberger Riesling als dynamisches Geschmacksgemälde. Visualisiertes Aromenspiel mit Pinsel. Ein Bild von einem Wein.

Aromenspiel mit Pinsel

"Mal sehen, wie er schmeckt." Ein vorfreudiger Kommentar, der die Sache ausnahmsweise Mal wirklich auf den Punkt gebracht hat. Aufgeschnappt an einem besonderen Abend, bei dem der Sensorik-Experte Martin Darting zwei Bergsträßer Weine in ihre Einzelteile zerlegt und bildhaft dokumentiert hat. Eine Komposition im leichten Rhythmus des Aromenspiels, die am Freitag rund 60 Gäste schwer beeindruckt hat.

"Wein in Farbe" lautete der Titel des Abends, den die Weingilde Bergstraße und der Lions Club Bensheim in der Sparkasse Bensheim organisiert hatten. Jan Faber sorgte für die Diskussionsgrundlage. Der Kellermeister des Zwingenberger Weinguts Simon-Bürkle hatte jeweils drei Weine von Simon-Bürkle und seinem eigenen kleinen Gut mitgebracht. Zwei der vorgestellten Weine "übersetzte" Darting in Farbe. Zunächst einen knackigen Riesling aus dem Jahr 2013.

In wenigen Minuten hatte der Winzer, Berater und Qualitätsanalytiker aus Wachenheim dem Wein eine Sprache gegeben - und zwar eine, die jeder versteht. Denn, so Dartings Ansatz, zwischen dem jeweiligen Wein und seiner visuellen Beschreibung herrscht eine Wiedererkennungsquote von mindestens 80 Prozent. Die primär sensorische Empfindung ist bei jedem Menschen annähernd gleich - egal, ob erfahrener Weinkenner oder ahnungsloser Gelegenheitstrinker. Fast alle Menschen bringen bestimmte Geschmacksnoten mit den gleichen Farben in Verbindung: Süße erscheint gelb und rot, sauer strahlt grüngelb, und mineralische Noten wirken oftmals blau.

Darting interpretiert nicht, er dokumentiert auf der Grundlage einer gemeinsamen Wahrnehmungskompetenz. Wem das Bild gefällt, dem schmeckt auch der Wein. Und umgekehrt. Die Trennung von Duft- und Geschmacksbild verläuft auf dem Bild von links oben nach rechts unten. Der Verlauf offenbart die Harmonie der wahrnehmbaren Stoffe, die Intensität der Farben vermittelt deren Wucht.

Die Idee kam dem Bad Dürkheimer Winzersohn während seiner Seminare, als er spürte, dass die Komplexität des Weins die verbale Sprache an ihre Grenzen schubst. Statt eines lyrischen, abstrakten und allzu blumigen Vokabulars, wie es viele Wein-Nasen gerne ausatmen, wollte er eine präzise und klare Ausdrucksform etablieren, die in ihrer Artikulation der aromatischen Dynamik des Weins gewachsen ist: Seine Bilder reflektieren die Entwicklung des Weins in Nase und Mund und sind deshalb keine statischen Gebilde, sondern visuelle Live-Mitschnitte dessen, was beim Riechen und Schmecken sensorisch alles abgeht. Immerhin besitzt ein Wein etwa 10.000 riechbare Aromen und 1200 mündlich schmeckbare Stoffe. Alle 0,3 Sekunden prallen bei seinem Genuss rund zwölf Millionen Wahrnehmungsdetails auf uns ein. Mit "lecker" ist diese Fülle denkbar ungenau kommentiert.

Links das Weinglas, rechts der Pinsel. Zum Neutralisieren der Feder nutzt Martin Darting ein Pfälzer "Dubbeschobbeglas" - Reminiszenz an die Heimat. "Das muss sein." Mit Aquarell-, Acryl- und Temperafarben entstehen die Bilder in einer Nass-in-Nass-Technik. Darting benutzt Pigmente, um die Leuchtkraft zu betonen. Bitumen, Feldspat und Gouache, Blattgold und Silberfetzen. Ein subtiler Bronzeschimmer für die pointierte Barrique-Note im PAN von Simon-Bürkle. Eine Rotweincuvée aus 70 Prozent Spätburgunder und 30 Prozent Cabernet Sauvignon. Ein dichter Wein, der eine Menge Farbe benötigt. Darting drückt auf die Tube. In der Nase frisches Violett, zeigen sich im Mund dunkle erdige Nuancen. Viel braun und dunkelrot. Wein als Augenweide. Die Gäste in der Sparkasse konnten sich kaum sattsehen. tr

Zur Person

Martin Darting

Gelernter Winzer, Dozent, Autor von "Sensorik" und verschiedener Fachbeiträge zu den Themen menschliche Wahrnehmung und Kommunikation. Zu Dartings Arbeitsfeld gehört unter anderem die Ausbildung zum Sommelier. Der Pfälzer berät große Handelsketten und Weingüter weltweit in Sachen Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung und marktspezifische Produktentwicklung. Seine Spezialität ist der Dreiklang von Wahrnehmung, Genuss und Kommunikation.

Martin Darting arbeitet mit der von ihm entwickelten Methode der visuellen Duftanalytik. Seine sensorischen Produktbilder dokumentieren nicht nur Lebensmittel wie Wein und Käse, Schokolade und Olivenöl, sondern auch Parfüm, Kosmetik und Waschmittel. tr

1000 Euro für die "Tafel"

Wein-Malen und Gutes tun: Martin Dartings Bilder waren noch längst nicht getrocknet, als sie im Rahmen einer kleinen Benefiz-Auktion für die Bensheimer Tafel versteigert wurden. Für den Lions Club übernahm Karl-Heinz Schlitt diese Aufgabe.

Pro Bild kamen 260 Euro für den guten Zweck in die Kasse. Im Namen der Sparkasse Bensheim erhöhte Axel Noé von der Unternehmenskommunikation des Gastgebers die Summe auf glatte 1000 Euro.

Der Vorsitzende der Weingilde Bergstraße, Dr. Roland Turowski, moderierte die malerische Weinprobe. Für den Lions Club begrüßte Vize Herbert Baunach die Gäste. tr

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