Kultur

Ein Bensheimer Dirigent mit einer Vorliebe für Rares

Dirigent Danilo Tepša leitet seit einem Jahr den Bensheimer Chor ars musica. Der Tenor entspricht allerdings nicht dem klassischen Bild eines Chorleiters, auf der Bühne steht er im Mao-Hemd und in Barfußschuhen.

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Thomas Tritsch
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Dirigent und Tenor: Danilo Tepša leitet seit einem Jahr den Bensheimer Chor ars musica. © Thomas Neu

Bensheim. Wie bringt man einen Tenor um? Man stürzt ihn von seinem Ego auf seinen Intellekt! Oder: Was ist der Unterschied zwischen einer Bratsche und einer Zwiebel? Wenn man eine Bratsche klein hackt, weint kein Mensch.

Zwei von unzähligen Musikerwitzen, die der Dirigent Danilo Tepša gemeinsam mit seinem Berufskollegen Jan Schumacher für einen heiter-klangvollen Reclam-Band zusammengetragen hat. Eine Kollektion mündlich überlieferter Pointen, die einen Eindruck davon vermittelt, wie albern, sarkastisch und selbstironisch es in der sogenannten ernsten Musik tatsächlich zugeht.

Vor allem Dirigenten und Tenöre bieten aufgrund des ihnen nachgesagten Standesdünkels - und einer vielzitierten intellektuellen Fallhöhe - reichlich Klischees für eine humoristische Bearbeitung. Danilo Tepša muss es wissen, denn er ist beides. Aber noch viel mehr: unter anderem Geiger, Cembalospieler und vielfach engagierter Chorleiter.

Klug, geistreich und amüsant

Vor allem aber ein kluger, geistreicher und amüsanter Mensch, der keineswegs zum Stereotyp des seriösen Tonkünstlers passt. Auf der Bühne steht er nicht im Frack, sondern mit Mao-Hemd und Barfußschuhen. Rutschsicher unten, elegant oben. Aber das sind Äußerlichkeiten.

„Ich denke, ich entspreche nicht ganz dem Bild vom typischen Dirigenten“, sagt der Chorleiter des Bensheimer Ensembles ars musica, der vor einem Jahr den Taktstock übernommen hat. Innerhalb weniger Monate hat er in Bensheim Impulse gesetzt, außergewöhnliche Programmideen realisiert und womöglich auch ein neues Klangbewusstsein ausgelöst.

Vor allem das Neue, selten Gehörte und Unbekannte liegen dem studierten Schulmusiker und ausgebildeten Sänger am Herzen, der 1980 in Idar-Oberstein geboren ist und den es bereits in der ersten Klasse zur Geige zog. Die Lehrerin hatte ihn für das Instrument begeistern können.

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Und damit die Weichen für eine Biografie gestellt, die zwar akademisch und musikalisch überaus stringent und konsequent verlaufen ist, aber in einer Persönlichkeit mündete, die sich nicht in allen Normen und Konventionen zu Hause fühlt. Eher selten begegnet man in diesem Genre beispielsweise einer Abneigung für eine Haltung, die der Musik einen Wettbewerbscharakter zugesteht.

Für Danilo Tepša handelt es sich dabei aber nicht um eine Art akustischen Sport im Sinne einer Leistungsschau, die man anhand einer Bewertungsskala benoten und damit qualitativ definieren kann. „Wettbewerbe sind für Pferde, nicht für Künstler“, zitiert er Béla Bartók. In der Musik gehe es aber um Ausdruck, Verständnis und eine emotionale Wirkung, die man nicht mit Kommazahlen messen kann wie die vertikale Distanz, die beispielsweise ein Hochspringer zu überwinden in der Lage ist.

Sein Studium hat er in Mainz absolviert

Nach dem Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz mit dem Abschluss eines Master of Musical Arts und der Konzertreife hatte Tepša einen Lehrauftrag für Alte Musik und Vokalensemble an der dortigen Hochschule für Musik inne. Nach einem dreijährigen Engagement als Charaktertenor am Theater Koblenz und einer regen Tätigkeit als Konzertsänger konzentrierte er sich wieder verstärkt auf das Dirigat.

Seither leitete er verschiedene Kinder-, Jugend- und Erwachsenenchöre sowohl an Theatern wie auch frei - unter anderem in Wiesbaden, Pforzheim und Darmstadt, wo er 2017 die künstlerische Leitung des Ensembles Onomatopoetikon übernahm.

Bereits 2007 führte er den Taktstock beim Convivium Musicum Mainz. „Nebenbei“ wirkte er als Tenor bei Opernproduktionen unter anderen am Stadttheater Aschaffenburg, am Hessischen Staatstheater Wiesbaden sowie am Staatstheater Mainz und der Oper Frankfurt mit.

Schwerpunkte seiner Arbeit sind unter anderem die Werke von Komponisten, die nicht bei Namensnennung inneren Applaus oder automatisiertes Nicken auslösen. Eine Herzensangelegenheit ist ihm auch die Unterstützung und Wiederentdeckung von Komponistinnen. Beispielhaft nennt er Fanny Hensel, Felix Mendelssohns ältere Schwester.

Auch bei seiner Premiere in Bensheim im Oktober 2022 im Rahmen der Bensheimer Musiktage gehörte Hensel zum musikalischen Angebot, das er dem Publikum in der Stadtkirche Sankt Georg serviert hat. Eingebettet in eine unkonventionelle Stückauswahl mit Kompositionen von Gabriel Fauré und weiteren romantischen Raritäten.

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An der Chorarbeit schätze er vor allem den Moment, wenn im Kollektiv aus einer Idee Klang wird. Mit den rund 40 Sängerinnen und Sängern von ars musica habe es von Beginn an gut funktioniert. „Ein nettes Umfeld mit aufgeschlossenen Menschen und einer Menge Potenzial“, kommentiert er nach dem ersten Jahr, das sehr positiv verlaufen sei. Der Kontakt kam damals über eine personelle Brücke von Darmstadt nach Bensheim zustande.

Aktuell laufen die Vorbereitungen für das Frühjahrskonzert in der Auerbacher Kirche Heilig Kreuz. Geprobt wird dienstags in der Stephanusgemeinde.

Am 21. Mai wird der Chor mehrere Vertonungen des „Te Deum“ darbieten. Das Ensemble durchstreift die englische Musikgeschichte und betrachtet die verschiedenen Vertonungen aus den einzelnen Jahrhunderten mit den jeweiligen unterschiedlichen Stilen und Schwerpunkten - vom polyphonen Stil des Thomas Tomkins über die Romantik eines Charles Villiers Stanford und John Ireland bis ins 20. Jahrhundert zu Amy Beachs Historismus und Karl Jenkins’ lateinischer Fassung im zeitgenössischen Look.

Über den Reichtum der anglikanischen Kathedralmusik

Ein Konzert, das laut Dirigent die Historie und die Tradition, aber auch den gesamten Reichtum der anglikanischen Kathedralmusik zum Ausdruck bringen wird. Gregor Knop begleitet das Konzert an der Orgel. Der Vorverkauf hat gerade begonnen.

Am 29. Oktober dann steht das Konzert „Chandos Anthems“ im Parktheater (Musiktage) auf dem Spielplan. Eine Sammlung von elf Kantaten, die Georg Friedrich Händel in den Jahren 1717 und 1718 auf dem Schloss Cannons des Herzogs von Chandos James Brydges komponiert hatte. Die Orchesterbegleitung übernimmt das Kammermusikensemble Laubenheim: Ein junges, dynamisches Ensemble mit rund 25 Mitgliedern, das sich selbst Kamel nennt und mit dem Danilo schon häufiger zusammengearbeitet hat. Doch der vielseitig interessierte Musiker schätzt auch das Experimentelle.

Drei entscheidende Elemente für ein gelungenes Konzert

Mit dem Darmstädter Onomatopoetikon hat er im letzten Jahr die „How-dare-you?“-Rede von Greta Thunberg vor den Vereinten Nationen in Klang gegossen. Er könnte sich vorstellen, künftig auch in seiner Bensheimer Chorarbeit solche neuen und unerwarteten Musikspezialitäten zu realisieren.

Bislang habe ars musica seine Konzertideen und musikalischen Eingebungen sehr interessiert aufgenommen. Ein gelungenes Konzert müsse eine dramaturgische Idee und einen inneren Zusammenhang sowie einen Spannungsbogen aufweisen, sagt er. Man könne dem Publikum durchaus auch Neues zumuten. Dies sei auch für den Chor und den Dirigenten allemal aufregender, als ständig aus der gleichen Repertoire-Kiste die üblichen Standards herauszufischen.

Dass sich ein solcher Freiberufler und Freigeist in jungen Jahren freiwillig bei der Bundeswehr verpflichtet hat, hätte man vielleicht nicht gleich erwartet. Danilo Tepša, der als Sohn kroatischer Eltern die Sprache spricht, ließ sich als Dolmetscher nach Bosnien versetzen. „Für mich eine sinnvolle Aufgabe damals.“ Und auch auf dem Balkan spielte die Musik eine tragende Rolle: Im Feldlager Sarajevo leitete er nicht nur den Soldatenchor. Er saß auch an der Orgel.

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