Wer auf dem Kirchweg über den Auerbacher Bergfriedhof Richtung Fürstenlager läuft, kommt an einem privaten Wohnhaus mit zwei ungewöhnlich großen Panoramafenstern vorbei. Die spektakuläre Aussicht, die sich von diesen Fenstern aus bieten muss, war in den 1950/60er-Jahren die Hauptattraktion eines dort ansässigen Cafés.
Mehrere Ansichtskarten bewarben den gastronomischen Betrieb als „das gepflegte Café für den verwöhnten Geschmack“ „mit herrlichem Fernblick“. Tatsächlich öffnet sich noch heute von dieser Stelle aus ein schönes Panorama, das den westlichen Teil des Staatsparks Fürstenlager wie damals mit obstbaumbestandenen Wiesen und die gegenüberliegenden Hänge zeigt.
Große Sonnenterrassen
Vor und hinter dem Haus gab es große bestuhlte Terrassen mit Sonnenschirmen zum Draußensitzen. Von der Partie mit dem guten Fernblick allerdings war ein großer Teil überdacht, wohl um den damals noch oft feuchten Sommern zu trotzen.
Das Vorhandensein von Gartenlokalen wurde in der Region als Pluspunkt in Hinblick auf den Fremdenverkehr hervorgehoben, der seinen jährlichen Höhepunkt damals zur Zeit der Baumblüte hatte.
Außer Kaffee und Kuchen bot das Café Fürstenhöhe auch Fremdenzimmer an. Solche Übernachtungsmöglichkeiten, aber auch Privatquartiere waren neben den größeren Hotels hocherwünscht.
Nicht nur das längst vergessene Café Fürstenhöhe zeugt von einer vergangenen Hochzeit des Tourismus an der Bergstraße. In einem Merianheft über die Bergstraße aus dem Jahr 1960 wirbt die Stadt Bensheim mit dem Fürstenlager und Kneippkuren, dem Auerbacher Schloss und „unbelebten Wanderwegen“, einem Kurhotel und den historischen Weinstuben „Dalberger Hof“.
Fremdenverkehr an der Bergstraße
So wie das Café Fürstenhöhe und der Dalberger Hof sind auch Pensionen wie die Klausenmühle in Gronau verschwunden, einst eine „alkoholfreie Erfrischungsstätte“ mit „hübschen Sitzplätzen am rauschenden Mühlrad“, zentralgeheizten Zimmern und einer eigenen Jugendherberge in zwei Gebäuden.
Der Fremdenverkehr spielte für Bensheim und die Bergstraße von jeher eine große Rolle, sei es für Durchreisende auf der Nord-Süd-Achse, wegen regionaler und überregionaler Märkte und Messen oder für Aufenthalte in der reizvollen landschaftlichen Umgebung.
Doch war die Entwicklung des Tourismus als einträglichem Wirtschaftszweig starken Schwankungen unterlegen. Die Eröffnung der Main-Neckar-Bahn brachte ab 1846 mit einer Flut von Tagesausflüglern den Massentourismus an die Bergstraße, bedingte aber gleichzeitig einen Rückgang von Reisenden, die in der Gegend übernachteten: Als Zwischenstopp war die Bergstraße dank erheblich verkürzter Reisezeiten nicht mehr attraktiv.
Allerorten gründeten sich Verkehrsvereine, die sich um die Gestaltung der touristischen Anlagen bemühten – seit der Wende zum 20. Jahrhundert zunehmend in Konkurrenz auch mit den in Mode kommenden Reisezielen Hochgebirge und Meeresküste. Der Erste Weltkrieg hatte einen erheblichen Rückgang des Fremdenverkehrs zur Folge. Letztlich erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der 1950er-Jahre konnte der hiesige Fremdenverkehr wieder zum Laufen gebracht werden, mit jährlich steigenden Übernachtungszahlen.
Bessere Luft im Odenwald
Gab es in Bensheim im Jahr 1956 noch 50 000 Übernachtungen, so waren es 1959 mit 137 000 Übernachtungen schon fast dreimal so viele. Als Erfolg wurde auch verbucht, dass die „Scharnow-Reisen GmbH & KG“, damals der zweitgrößte deutsche Veranstalter von Pauschalreisen, Bensheim in sein Programm aufnahm.
Zunehmend allerdings wurden die Orte im Odenwald als Reiseziele entdeckt. Hier gab es weniger Verkehr und bessere Luft. Außerdem gerieten Ziele im Ausland in den Blick der Reisenden und der Veranstalter wie Scharnow. Der Trend ging schließlich zu immer kürzeren Aufenthaltsdauern.
Gästehaus der 3K-Möbelfabrik
Schon im Jahr 1969 scheint das Café Fürstenhöhe nicht mehr existiert zu haben. Das Haus diente als Gästehaus der 3K-Möbelfabrik, in das Karl Kübel damals mehrere deutsche Unternehmer zu einem Erfahrungsaustausch über ihre gesellschaftliche Verantwortung in der Entwicklungshilfe einlud.
Drei Jahre später gründete Karl Kübel dann seine Stiftung, die gerade ihr 50-jähriges Jubiläum feiert.
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