Vernissage

Die Kunst der Andeutung: Falk Gernegroß in Bensheim

Die Ausstellung im Museum ist noch bis 10. August zu sehen

Von 
Eva Bambach
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13.6.2025, Museum Bensheim, Falk Gernegroß, Ausstellung "Kurzweil", ,, Bild: Thomas Neu © Thomas Neu

Bensheim. Ein Anker-Tattoo, das sich auf einem nackten Bauch zu spiegeln scheint. Ein liegender Frauenkörper in Badepose – in einem seichten, herbstlichen Tümpel. Ein nackter Mann auf dem Fliesenboden eines Badezimmers, der einen Ping-Pong-Schläger in der Hand hält – oder ist es ein Spiegel? Ein Bildausschnitt, der einen Griff in den Schritt zeigt – gehört die Hand einem Mann oder einer Frau? Voller Merkwürdigkeiten und offener Fragen sind die Kompositionen von Falk Gernegroß. Aber auch voller Witz. „Sunny Side Up“ betitelt er ein großes Tafelbild, das den Oberkörper einer flach auf dem Rücken liegenden Frau zeigt, deren blonde Haare dem Betrachter entgegenzufließen scheinen.

Ein banaler Duschvorhang in einem nüchternen Badezimmer posiert mit einer Dramatik, die eines Barockgemäldes würdig wäre. Und ein Gemälde mit dem Titel „Angler“ zeigt diesen nur ganz klein und weit im Hintergrund. Den Vordergrund dagegen beherrscht eine überlebensgroße Frauenfigur, die dezent ihr T-Shirt lüpft und deren Schambehaarung fast exakt einem auf demselben Bild dargestellten Grasbüschel entspricht.

Das Spiel mit Verhüllung und Freiraum Falk Gernegroß zeigt viel – und zeigt es doch nicht ganz. Da gibt es zum Beispiel Hände, die Kleidungsstücke fassen, um den Blick auf Bäuche freizugeben. Aber nur zum Teil: Ein T-Shirt wird nur unten angehoben oder eine Knopfleiste nur beiseitegeschoben, nicht geöffnet. Ein verrutschter Schlüpfer gibt nur den oberen Ansatz einer Schambehaarung frei.

Die Motive sind prinzipiell nur angeschnitten im Bild – wesentliche Teile sind verdeckt oder außerhalb der Bildfläche. Damit obliegt es dem Betrachter, Zusammenhänge herzustellen, im eigenen Kopf zu ergänzen, was er sieht oder was er gern sehen möchte. Das Rätselhafte der Bilder wird durch eine an Lucas Cranach und seine Zeitgenossen erinnernde Lichtführung unterstrichen, durch die eine unwirkliche, geradezu luftleere Atmosphäre entsteht.

Zweifellos spielt der menschliche Körper, verhüllt, insbesondere aber unverhüllt, die Hauptrolle im Schaffen von Falk Gernegroß. So ganz mag man ihm deshalb nicht glauben, wenn er sagt, die Nacktheit diene vor allem der plausiblen, dreidimensionalen Darstellung der Körper, wie er es in seiner Ausbildung zum Steinbildhauer gelernt habe, bevor er seit 2001 Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig studierte – zunächst bei Arno Rink, später bei Neo Rauch.

Ein weiterer Vertreter der Neuen Leipziger Schule

Mit Falk Gernegroß ist nach etwa Rosa Loy oder Neo Rauch erneut ein Künstler aus dem Umfeld der Neuen Leipziger Schule mit ihrer Betonung der figürlichen Malerei im Bensheimer Museum zu Gast. Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung eröffnete die Ausstellung unter dem Titel „Kurzweil“ am Freitagabend vor trotz des gleichzeitigen Bürgerfests sehr zahlreichen, auch überregionalen Gästen – nicht ohne auf die Verdienste des Museumsleiters hinzuweisen, der immer wieder herausragende Künstler nach Bensheim holt. Jan Christoph Breitwieser seinerseits dankte Matthias Kleindienst von der gleichnamigen Leipziger Galerie für das Engagement zugunsten der Stadt Bensheim. Für die finanzielle Unterstützung dankte Breitwieser der Sparkasse Bensheim, außerdem drei privaten Spenderinnen für den bei der Vernissage ausgeschenkten Wein und Dirk Seidlitz für seinen tatkräftigen Einsatz bei der Gestaltung der Ausstellung.

Im Gespräch mit Breitwieser äußerte sich der Künstler Falk Gernegroß unter anderem zu seiner an der Renaissancemalerei orientierten Maltechnik, die durch deren Brillanz und leuchtende Farbigkeit inspiriert sei, auch wenn er technisch eigene Wege beschreite. Die ebenfalls von den alten Meistern herrührende Tafelmalerei – auf Holz oder, modern, auf MDF-Platten – ziehe er dem Malen auf der grob strukturierten Leinwand vor.

Bei der Vernissage sprach Gernegroß auch über seine Faszination durch Otto Dix, der wie viele Künstler der Neuen Sachlichkeit ebenfalls die altmeisterliche Malerei für sich entdeckt hatte. Im vergangenen Jahr zeigten die Hamburger Deichtorhallen die Ausstellung „Dix und die Gegenwart“, bei der auch ein Bild von Falk Gernegroß vertreten war.

Die Ausstellung ist noch bis zum 10. August zu sehen: donnerstags und freitags von 15 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr. Am 29. Juni um 15 Uhr wird es eine Direktorenführung geben. Zur Ausstellung ist diesmal kein eigener Katalog erschienen, dafür aber ein Linolschnitt in einer Sonderauflage von 20 Exemplaren, die im Museum erworben werden können.

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