Woche junger Schauspieler - Hadi Khanjanpour begeistert sein Publikum mit einer intensiven One-Man-Show

Die ganz persönliche Stunde der Wahrheit

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Auf leerer Bühne wagte Hadi Khanjanpour den Sprung ins kalte Wasser und bescherte der Woche junger Schauspieler einen brillanten Auftakt.

© Lotz

Bensheim. Die theatralische Ouvertüre der Woche junger Schauspieler entwickelte sich am Samstagabend zu einer intensiven Personality-Show, die vom Publikum mit begeistertem Applaus kommentiert wurde: Eine Stunde lang rollt der Newcomer Hadi Khanjanpour die Stationen seines Lebens auf - authentisch und vital, glaubwürdig und in jeder Sekunde originell.

Der 30-Jährige füllt die vollkommen leere Bühne mit starker Präsenz und einer coolen Souveränität, die man von einem frischen Absolventen der Schauspielschule so nicht erwarten würde.

Tragisch und emotional

Als akademische Aufgabe ist das Stück ein Experiment: Was macht ein Schauspieler, wenn er eine Stunde lang mit nur einem Requisit (hier ein Stück Kreide), in privater Kleidung, ohne Musik und auf sich allein gestellt von sich selbst erzählen muss? Hadi Khanjanpour, Absolvent der "Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg", gelingt eine bewegende, komische, berührende und heftige Retrospektive. Ein kühner Sprung ins kalte Wasser auf splitternackter Bühne. Ernst und komödiantisch, tragisch und emotional. Der Schauspieler schafft es vom ersten Moment an, den leeren Bühnenraum mit seiner starken Präsenz zu füllen. Was die knackige Performance so enorm eindringlich macht, ist die Verbindung aus schauspielerischer Professionalität und gespeicherten Erlebnissen, die er unverbogen, ohne Pathos und bemühte Ernsthaftigkeit auf die Bühne bringt. Ein improvisationsgefärbtes Häppchen junges Theater, das der 18. WJS einen brillanten Auftakt beschert hat.

Nun ging es endlich los im knapp halb gefüllten Parktheater. Und zwar mit einem jungen Mann, der noch vor drei Jahren an gleicher Stelle laut darüber nachgedacht hat, den Sprung vom Laiendarsteller zum professionellen Schauspieler zu wagen. Damals war er mit der Frankfurter Theaterperipherie und dem Stück "Ehrensache" zu Gast - eine Inszenierung, die wegen ihrer herausragenden schauspielerischen Leistungen von der Jury mit dem Günther-Rühle-Preis belohnt wurde.

Hadi Khanjanpour ist in der Zwischenzeit nicht nur im Frankfurter Raum durch verschiedene Rollen recht bekanntgeworden. In dieser Eigenproduktion erzählt er seine ganz persönliche Bildungs- und Sozialisationsgeschichte. In verschiedenen, sehr plastisch gespielten Situationen zeigt er, wie er mit fünf Jahren aus dem Iran nach Deutschland kommt, wie er ins Bildungssystem eingespeist wird und sich immer wieder mit seinem exotischen Status auseinandersetzen muss.

Glänzend, wie flott der Akteur die Perspektiven wechselt und sich selbst von außen wahrnimmt: Er selbst kommt in diesem lebensprallen Stück nur in der dritten Person vor - Hadi hier und Hadi dort. Als tendenz-assimilierter Ausländer erlebt er tätschelnde Kindergartentanten, übermotivierte Tennislehrer und stocksteife Universitätsprofessoren.

Er träumt, leidet und liebt

Was diese menschlichen Kollisionen so unterhaltsam macht, sind nicht zuletzt Khanjanpours rotzfreche Parodien seiner neuen Umgebung. Er beherrscht Dialekte und soziale Codes, imitiert steife Amtsschimmel und die Migranten-Kids aus der Nachbarschaft.

Dabei gelingt es dem Schauspieler, aus einem für Theaterverhältnisse eher unspektakulären Stoff eine große und facettenreiche Geschichte zu bauen. Auch bei ihm kommen Elemente aus der Tragödie und der Komödie vor, nimmt das Leben durch dramatische Wendungen in teils grotesken Situationen seinen spontanen Lauf.

Doch sind es hier die kleinen, stillen Momente, in denen der stets unsichtbare Protagonist träumt und leidet, liebt und verzweifelt. Trotz dieser notwendigen Offenbarung wir das Persönliche nie auf eine peinliche Weise privat.

Die biografischen Szenen kann man auch als Abziehbild einer deutschen Jugend betrachten. In Khanjanpours Geschichte dürften sich viele Migrantenkinder ein Stück weit wiederfinden.

Am Ende schließt sich der Kreis. Das Finale des Stücks ist sein Beginn. Der Schüler soll sein Leben inszenieren. Aus der akademischen Herausforderung wird ein egozentrisches Kammerspiel mit existenziellen Fragezeichen: Wer bin ich? Was will ich? Warum bin ich so geworden?

Theater als Selbstreflexion und psychologische Analyse. Auf jeden Fall aber das wunderbare Solo eines kraftvollen Jungschauspielers. Langer, verdienter Beifall. So kann es weitergehen. Thomas Tritsch

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