Chaos in Auerbach - Die Jahrhundert-Hochwasser vom 29. April 1928 und vom 24. Mai 1773

Die Autos versanken im Schlamm

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Auerbach. An einem Sonntag, am 29. April 1928, kam ein Sonderzug mit 400 Ausflüglern aus Freiburg nach Auerbach, um die Bergsträßer Blüte zu bewundern. Die Menschen verteilten sich über den Ort, bis hinauf zum Schloss. Gegen 14 Uhr schob sich eine schwarze Gewitterwand über Melibokus und Schlossberg - und schon bald darauf fing es an zu regnen. Dann kam ein regelrechter Wolkenbruch - es war wie eine Sintflut.

Nach Schilderungen von Hans Wuchenauer, der damals Besitzer der Gaststätte "Zum Auerbacher Schloss" am Schlossplatz war, wurden die Menschen vom Regen überrascht - und alle versuchten, ins Trockene zu gelangen. In seiner Gaststätte und im Saal sah es nach kurzer Zeit aus wie auf einem Schlachtfeld. Völlig durchnässt und verschlammt versuchten immer mehr Menschen, unter ein schützendes Dach zu gelangen.

Wasser stand einen Meter hoch

Mit den Wassermassen wurde alles von den Bergen geschwemmt, was das Wasser erreichen konnte. Das Wasser stand auf der Darmstädter Straße bis zu einen Meter hoch. Es floss vorne in die "Krone" hinein und hinten wieder heraus. Schlamm und Unrat reichten, nachdem das Wasser abgeflossen war, teils bis an die Seitenscheiben der geparkten Autos.

Die Gäste aus Freiburg nahmen teils ihre Frauen auf den Rücken und wateten barfuß durch Wasser und Schlamm die Bahnhofstraße hinunter zu ihrem Zug.

In den Tagen und Wochen nach dem Unwetter hatte die gesamte Bevölkerung von Auerbach mit der Beseitigung der Schäden, vor allem in der Bachgasse, zu tun.

Im Bericht von Rudolf Kunz, der in einer BA-Beilage "Bergsträßer Heimatblätter 44 vom 27. September 1958 erschien, gab es aber am 24. Mai 1773 ein noch viel schlimmeres Unwetter. Der Originalbericht darüber ist noch vorhanden. Der Anfangssatz lautet: "Das gestrige, mit entsetzlichen Donnerschlägen, grausamen Blitzen, erschrecklichen Regengüssen und starkem Hagel vermischte, von Mittag 11 Uhr bis in die späte Nacht anhaltende, recht fürchterliche Wetter, hat leider die hiesige Gegend stark getroffen!

Die Gemeinden Auerbach und Hochstätten sowie Elmshausen und Schönberg hat der Wolkenbruch besonders hart mitgenommen."

Den ganzen Wortlaut des Artikels zu bringen, wäre zu umfangreich, deshalb nur einige Passagen über Auerbach.

Sieben Mühlen lagen still

"Die sieben Mühlen im Hochstädter Tal waren so beschädigt, dass keine mehr mahlen konnte, und alle Stege waren weggerissen.

Beim Bauern Krimmelbein hat es die Scheune zerstört und einige große Weidenbäume wurden weggeschwemmt. Der zwanzigjährige Sohn des Bauers Tobias Wülcken wurde von den Fluten erfasst, durch die ganze Bachgasse, unter Brücke am Haus Dieffenbach bis ins Feld geschwemmt, wo man ihn nur noch tot fand.

Sein Vater, der ihn halten und retten wollte, wurde ebenfalls vom Wasser ergriffen, blieb aber schwerst verletzt am Treibholz an der Brücke beim Dieffenbach hängen. Um seinen Gesundheitszustand musste man lange Zeit bangen."

Das Wasser erreichte in Auerbach eine Höhe von 8 bis 10 Fuß (2,5 bis 3 m). Große schwere Steine sowie die steinerne Brücke (später Kronenbrücke) an der alten Poststraße, heute Darmstädter Straße, wurden vom Wasser weggerissen. Man kann sich leicht vorstellen, welche Schäden, vor allem in der Bachgasse, entstanden. Alle Keller waren vollgelaufen und die Vorräte vernichtet. In vielen Stuben stand das Wasser und hat den Menschen alles genommen.

Das Wasser stand in der gesamten westlichen Gemarkung bis zum Winkelbach, wo auf circa 45 Meter der Damm gebrochen war. Schlamm und Unrat haben die Ernte vernichtet. Es musste eiligst eine hölzerne Behelfsbrücke gebaut werden, um den Nord-Süd-Verkehr aufrecht zu erhalten.

Notweg geschaffen

Die Regierung in Darmstadt schickte den Steuerrat Kolb nach Auerbach, um die Schäden zu begutachten und schnellstens Hilfsmaßnahem einzuleiten.

Über das Grundstück der Witwe Hechler wurde hinter dem Dieffenbachhaus ein Notweg geschaffen, bis die Holzbrücke an der Bachgasse gebaut war.

Kolb berichtet unter anderem, dass das Wehr oberhalb der Dorfmühle und der Weg zum Rossbach (Fürstenlager) total zerstört sind und dass viele tausend Wagen voll Baugrund gebraucht werden, um die ausgespülten Wege wieder instand zu setzen. Alle Auerbacher Bürger hatten monatelang zu tun, um die größten Wasserschäden zu beseitigen.

Seitdem 1985 das Hauptwasser in der Bachgasse unterirdisch fließt, gab es bis jetzt keine Probleme oder größeren Schäden mehr. Wollen wir hoffen, dass kein Jahrhundert-hochwasser wieder über unser schönes Auerbach hereinbricht! Gerhard Lützkendorf

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