Franziskushaus

„Die AfD hat die treuesten Wähler“

Die „Initiative Vielfalt.Jetzt“ hatte zu einer gut besuchten Podiumsdiskussion zum Thema rechtsextreme Parteien eingeladen.

Von 
Jeanette Spielmann
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27.06.2025, Bensheim, Klostercafe, Die „Initiative Vielfalt.Jetzt!“, der auch das Evangelische Dekanats Bergstraße angehört, und weitere Kooperationspartner laden für Freitag, 27. Juni, 18.30 Uhr, zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema „Warum wählen ganz ,normale Leute‘ ,Rechtsaußen‘-Parteien?“ ein. Veranstaltungsort ist das Klostercafé des Franziskushauses der Caritas in Bensheim (Klostergasse 5a); Vortragende und Gesprächspartnerin ist Prof. Dr. Eva Walter. Frau Prof. Dr. Eva Walther (links) ist Sozialpsychologin an der Uni Trier. ,, Bild: Thomas Neu © Thomas Neu

Bensheim. Die Frage, warum ganz „normale Leute“ Rechtsaußen-Parteien wählen, bewegt viele Menschen. Entsprechend groß war am Freitagabend auch das Interesse an einer Veranstaltung im Klostercafé des Franziskushauses, zu der die „Initiative Vielfalt.Jetzt“ zusammen mit weiteren Kooperationspartnern eingeladen hatte. Zum Thema war Professor Dr. Eva Walther eingeladen, die seit Jahren an der Universität Trier zur Psychologie der Rechtsradikalisierung forscht und dazu zusammen mit Professor Rothmund im vergangenen Jahr auch ein gleichnamiges Buch herausgegeben hat. Aktiv mit eingebunden waren auch drei Schüler des Goethe-Gymnasiums, die im Anschluss an den Vortrag gemeinsam mit den Gästen diskutierten.

Im Rahmen der Vorbereitung dieser Veranstaltung hatten sie Wert darauf gelegt, im Titel die „normalen Leute“ in Anführung zu setzen, weil man Menschen nicht in normal oder unnormal einteilen sollte. Eine ebenso bemerkenswerte Haltung, wie die Feststellung, dass die Politik zu wenig auf das große Ganze und die Gemeinsamkeiten schaue und sich stattdessen zu sehr mit den parteipolitischen Unterschieden beschäftige. Dem stimmte auch die Referentin zu, die darin ein Grundproblem sah: „Wenn eine faschistische Gefahr droht, müssen alle demokratische Parteien zusammen stehen“.

Denn die Sozialpsychologin ist davon überzeugt, dass die AfD bleiben wird. Sie habe die treuesten Stammwähler. Ihr ist die Feststellung wichtig, dass die von ihr vorgetragenen Erkenntnisse keine Meinung darstellen, sondern das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung und Untersuchungen sind. Anders als bei diesen wissenschaftlichen Studien hat die zunehmende politische Verschiebung nach rechts viel mit Emotionen zu tun.

Durch die Fülle an Krisen, mit denen die Menschen in den vergangenen Jahren (Kriege, Pandemie, globale Erwärmung, Migration) konfrontiert wurden, wachse das Gefühl, dass alles sich verändert und schlimmer wird. Auch wenn es auf Probleme keine wirklichen Antworten gebe, wachse bei den Menschen die Unsicherheit. Das Gefühl der Benachteiligung, die Angst vor dem Verlust der Existenz, die mangelnde Identität mit der Gesellschaft und das verlorene Vertrauen in die Politik steigere die Wut. Da sei es „schmerzlindernd“, wenn rechtsextreme Gruppen dafür andere, vermeintlich böswillige Akteure verantwortlich machen. Seien es die Eliten oder Minderheiten.

Rechtsextreme Ideologien arbeiten mit Emotionen und vereinfachten Deutungsstrukturen. Die AfD verstehe sich entweder als Opfer oder als Held und sie schüre die emotionale Einstellung, dass früher alles besser war und nur andere Akteure für die Veränderungen verantwortlich sind. Den Eindruck zu erwecken, dass nur gut ist, was deutsch ist, sei die „anstrengungsloseste Selbstaufwertung“. Für die AfD sei die Migration das wichtigste Thema, da sie dazu auch Angebote mache, wie beispielsweise Abschiebung oder Abschottung.

Die Gründe für die Zustimmung zur AfD sieht Professor Walther aber nicht nur in subjektiv wahrgenommenen sozioökonomischen Nachteilen der AfD-Wählerinnen und Wähler: „Es gibt eine grundlegende starke Unzufriedenheit, die sich auch in starken Emotionen wie Wut, aber auch Angst ausdrückt.“

Wichtig ist für sie in diesem Zusammenhang die emotionale Bildung, die angesichts der sozialen Medien wie beispielsweise der „Emotionsschleuder“ TikTok, hinterherhinke. Auch die Politik müsse die Emotionen aufgreifen, denn der öffentliche Raum dürfe nicht der AfD überlassen werden. Demokratie müsse als individuelle Verantwortung begriffen werden. Zwar gebe es diesbezüglich viele unterschiedliche Formate in der Gesellschaft, aber die finanzielle Unterstützung dieser Projekte sei ein Problem.

In der anschließenden Diskussion wurde insbesondere das Thema Emotionen angesprochen. Das war auch für den Goethe-Schüler wichtig, der in diesem Jahr zum ersten Mal an einer Demonstration der „Omas gegen rechts“ teilgenommen hatte, die ihm sein anfänglich unsicheres Gefühl genommen hatten. Traudel Billig von der Organisation war es daher auch ein Anliegen, Mut zu machen, solidarisch zu sein und sich zu vernetzen. Eine Haltung, die auch die Referentin unterstützte, denn das Trainieren des „Hoffnungsmuskels“ sei auch für die Selbstfürsorge wichtig.

Für die Vorsitzende der SPD Bensheim, Julia Hamm, war die an den Infoständen ihrer Partei immer wieder gemachte Feststellung wichtig, dass die AfD inzwischen „salonfähig“ und Teil der Gesellschaft geworden sei. Ihre Frage, wie man damit umgehen solle, bezeichnete Professor Walther als die „Eine-Million-Euro-Frage“.

Interessant auch die Schüler-Meinung bezüglich der Haltung vieler Menschen, dass man zu einer Veränderung erst bereit sei, wenn es sich auch lohne. Er appellierte an die Bereitschaft, die eigene Komfortzone zu verlassen, um eine positive Veränderung zu erreichen.

Freie Autorin

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