Bensheimer Marktplatz

Dialog mit den Planern: Eine „Narbe“ braucht Behandlung

Mehr als 80 Teilnehmer beim Werkstatt-Tag im Bürgerhaus / Austausch mit den Fachbüros

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Thomas Tritsch
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Austausch mit den Planerinnen und Planern: Der Werkstatt-Tag im Zuge des Ideenwettbewerbs für den Marktplatz wurde gut angenommen. © Thomas Zelinger

Bensheim. Bensheim. Wie stellen sich professionelle Planer den Bensheimer Marktplatz der Zukunft vor? Der Ideenwettbewerb hat erste Fragen beantwortet und konkrete Modelle serviert. 19 Büros hatten ihre Entwürfe eingereicht und wurden von einem Preisgericht bewertet.

Das Interesse an der Ausstellung in Sankt Georg war vielversprechend. Zeitgleich kamen am Samstag über 80 Gäste ins Bürgerhaus, um aus erster Hand mehr über die drei gleichrangig prämierten Arbeiten zu erfahren, die es bis in die Endrunde geschafft haben. Eine Staffelung gibt es nicht.

Das Interesse der Bevölkerung sei ein gutes Zeichen dafür, dass den Menschen die Entwicklung des zentralen Ortes noch immer wichtig ist, sagte Bürgermeisterin Christine Klein zu Beginn des rund vierstündigen Werkstatttags, der als straffer Workshop konzipiert war. Die Dramaturgie: Information, Dialog, Feedback und Einordnung des Austauschs.

Der Stadt Bensheim ging es darum, den Einwohnern die Möglichkeit zu geben, die Entwürfe zu diskutieren und ein aussagekräftiges Meinungsbild einzuholen. Im weiteren Verlauf sollen sowohl die Empfehlungen des Preisgerichts als auch die gesammelten Anregungen der Bürger auf eine potenzielle Umsetzung geprüft werden.

Eine wichtige Etappe

„Wir sind an einer wichtigen Etappe angekommen“, betonte Moderator Martin Fladt vom Frankfurter Planungsbüro „Umbau Stadt“, der im Auftrag der Stadt den Planungswettbewerb koordiniert hat. Der Marktplatz sei ein öffentlicher Raum, der entwickelt werden müsse. Als Format einer besonderen Art der direkten Bürgerbeteiligung diene der Werkstatttag dazu, der Öffentlichkeit ein plastisches Zwischenergebnis vorstellen zu können. Inklusive der Chance, den Fachbüros unmittelbare Resonanzen zu vermitteln. Die Schlagwörter sind Kooperation, Transparenz und Interaktion.

Es habe keine einschränkenden Vorgaben gegeben, sagte Fladt. Die Architekten und Stadtplaner hatten freie Hand und maximale gestalterische Freiheit. Die potenzielle Spannweite reichte von einer reinen Freiflächenplanung bis zur kompletten Neugestaltung der innerstädtischen Fläche, die am Samstag von mehreren Architekten als „Narbe“ bezeichnet wurde, die es professionell und sensibel zu verarzten gelte. Der Begriff gefiel nicht jedem - vor allem nicht solchen, die den offenen Blick auf die Stadtkirche und den Marktplatz in seinem gegenwärtigen Zustand nicht gerade als Wunde verstehen, die einen chirurgischen Eingriff benötige. Doch für die Stadt ist Stillstand keine Option und die momentane Situation nur ein Provisorium, dem eine Neugestaltung folgen müsse.

Nach weit über vier Jahren seit den ersten Veranstaltungen zum „Marktplatz der Zukunft“ gehe ein langer und schwieriger Prozess jetzt auf die Zielgerade, so Erste Stadträtin und Baudezernentin Nicole Rauber-Jung. Der „Bensheimer Weg“ soll weder eine Sackgasse noch ein Trip in die Unendlichkeit werden.

Klärung der Grundlagen

Der Moderator verwies ausdrücklich auf die Qualität des Ideenwettbewerbs, der als Werkzeug zur Findung konzeptioneller Lösungen sowie zur Klärung der Grundlagen einer Planungsaufgabe - im Gegensatz zu einem Realisierungswettbewerb - ohne konkrete Bauabsicht durchgeführt werde. Die drei gleichrangigen Planungen, die aktuell auf dem Tisch liegen, bilden die Grundlage für alle weiteren Entscheidungen. Eine innere Dynamik, die eine partizipative Phase in Form einer Bürgerbeteiligung erst möglich macht.

In einer kurzen Umfrage zu Beginn des Workshops wollten die Gastgeber wissen, mit wem sie es überhaupt zu tun haben: die Teilnehmer stammen aus dem gesamten Stadtgebiet, haben sich in der Regel schon länger mit dem Thema befasst und besuchen den Marktplatz im Durchschnitt mehrmals die Woche. Der am häufigsten genannte Anlass ist der Wochenmarkt.

Eine heterogene Gruppe mit einem mehrheitlich gemeinsamen Ziel: Den Beteiligten gehe es nicht nur um eine Aufwertung des Ortes, sondern auch um einen ausdrücklich ergebnisoffenen Prozess. Einen solchen hatten Kritiker in der Vergangenheit immer wieder angezweifelt. Und die Baudezernentin hatte daraufhin regelmäßig geantwortet, dass im Rathaus keine fixen Pläne in der Schublade lägen.

Man wolle einen belebten Ort mit einer ganzjährig hohen Aufenthaltsqualität für möglichst alle Nutzergruppen, fasste Fladt den Anspruch der Organisatoren zusammen. Alles andere lag und liegt noch immer in den Händen der Planer, die im Bürgerhaus persönlich ihre Vorstellungen erläutert haben. „Das ist gelebte Demokratie“, lobte der Landschaftsarchitekt Tobias Mann aus Fulda, der es regelmäßig mit Marktplätzen zu tun habe.

Bensheim sei kein einfacher Patient, gab Mann zu verstehen, der ebenfalls von einer Narbe sprach und einen immensen (Be-)Handlungsbedarf erkennt. Seine Idee: ein Baumdach als oberen Abschluss des Marktplatzes, der die Konturen des früheren Rathauses aufnimmt und als grüne Raumkante neu interpretiert, ohne den Blick auf die Kirche zu verbauen. Treppenläufe sollen mit der schrägen Topografie verschmelzen, die multifunktional genutzt werden könne.

Die Berliner Architekten Philipp Rösner und Philipp Quack schlagen einen „Bürgergarten“ vor, der den Marktplatz in einen grünen Treffpunkt verwandeln soll. Ein Forum als Freiraum für unterschiedliche Nutzer und Nutzungen. Ein flacher, eingeschossiger Sockelbau vor Sankt Georg schaffe neue Konturen und eine klare Raumordnung, so die Planer über ihr Konzept, das drei miteinander verzahnte Teilräume definiert.

Viel Grün integriert

Aus dem Stuttgarter Büro Jedamzik & Partner stammt ein Entwurf, der ein Gebäude aus drei giebelständigen Häusern mit einem flexiblen Nutzungsraum vorsieht. Das „neue Stadthaus“ soll multipel bespielbar sein und steht versetzt vor der Kirche, um eine optische Transparenz zu schaffen.

Wie in den beiden anderen Ideen ist hier viel Grün integriert, um den Platz schattig und kühl zu halten. Im Bürgerhaus konnte man die Entwürfe als dreidimensionale Modelle in die Bestandssituation einfügen und so ein plastisches Bild der potenziellen Neugestaltung erhalten.

Die Gäste des Workshops haben sich intensiv und teilweise sehr konzentriert mit den Konzepten und ihren Details auseinandergesetzt. Nach Angaben der Planer habe es gute und konstruktive Gespräche gegeben. Vor allem die Grünflächen und der „freie Schorschblick“, der alle drei Entwürfe mehr oder weniger prägt, wurden von vielen positiv kommentiert. Auch die flexible Nutzung der neuen Flächen sei für alle Generationen attraktiv und damit ein zukunftsfähiges Konstrukt für einen attraktiven Stadtkern.

Kritische Stimmen gab es zur Gebäudehöhe des Stuttgarter Entwurfs, durch die im südlichen Bereich vor dem Museum eine „dunkle Gasse“ entstehen würde. Ein Teilnehmer erkannte in der „Baumdach“-Variante eine ansprechende grüne Lunge und einen „Bensheimer Central Park“, ein anderer sieht im gleichen Konzept eine preisgünstige Lösung ohne Neubaukosten, aber mit hoher ästhetischer Qualität. Allgemein hoch bewertet wurden neben dem unverbauten Kirchenblick die Aspekte Barrierefreiheit, Nutzungsvielfalt, Aufenthaltsqualität und Begrünung.

Der Kostenfaktor spielte am Samstag keine Rolle. Der Stadt geht es im aktuellen Stadium um eine Grundsatzentscheidung und die Frage, wie sich das Zentrum zukunftsorientiert weiterentwickeln lässt. Um planerische Freiheiten zu ermöglichen und den Anspruch der Ergebnisoffenheit zu gewährleisten, sind finanzielle Leitplanken momentan nicht installiert.

Am 24. April sollen die überarbeiteten Entwürfe der Preisträger der Bevölkerung um 19 Uhr im Kolpinghaus vorgestellt werden. Es bleibt spannend. tr

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