Bildung

Der neue Leiter der Bensheimer Karl-Kübel-Schule im Interview

Von 
Thomas Tritsch
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Michael Steffan ist seit Ende November neuer Leiter der Bensheimer Karl-Kübel-Schule. © Neu

Bensheim. Seit 30. November ist Michael Steffan (48) neuer Leiter der Karl-Kübel-Schule (KKS). Seine Vorgängerin Ulrike Rüger hatte das Berufliche Schulzentrum am Berliner Ring vor knapp einem Jahr Richtung Wiesbaden verlassen, wo sie seit Februar als Referatsleiterin im Hessischen Kultusministerium tätig ist.

Mit dem gebürtigen Lampertheimer, der seit 15 Jahren an der Schule unterrichtet, übernimmt nun ein Eigengewächs die Regie in Bensheim - mitten in der Pandemie, und mitten in der andauernden Sanierungs- und Umbauphase des Standorts, an dem ein zentrales Angebot der beruflichen Bildung konzentriert ist. Aktuell zählt die KKS rund 140 Lehrer und über 1900 Schüler in den Sparten Berufliches Gymnasium, Fachoberschule sowie Berufsschule und Berufsfachschule.

Herr Steffan, haben Sie schon sämtliche Kollegen kennengelernt?

Michael Steffan: Ja, die allermeisten kenne ich tatsächlich. Nach so vielen Jahren an der Schule ist das auch nicht allzu schwierig.

Ihr Start als neuer Schulleiter fällt in eine turbulente Phase für den Bildungsbetrieb generell. Wie haben Sie die vergangenen Wochen miterlebt?

Steffan: Die aktuelle Situation ist relativ stabil. Spätestens nach den Sommerferien hat sich vieles eingespielt. Laut Kultusministerium genießt Präsenzunterricht jetzt oberste Priorität, und das ist richtig so. Denn hybride Lehrformen mit Online-Formaten sind nur dann zu bevorzugen, wenn die Alternative ein schulischer Lockdown wäre. Ansonsten sollte Unterricht vor Ort immer das erste Mittel der Wahl sein. Digitale Lehr- und Lernarrangements können den Präsenzunterricht aber sinnvoll ergänzen.

Wie beurteilen Sie die Regelungen für Schulen im Umgang mit der Pandemie?

Steffan: Klare Planungsszenarien erleichtern das Prozedere, schaffen Transparenz und Gewissheit. Das war in den ersten Monaten nach Ausbruch der Pandemie naturgemäß noch nicht der Fall. Jetzt haben sich viele Prozesse eingespielt. Aus Unsicherheit ist in vielen Bereichen Routine geworden. Die Möglichkeiten der flächendeckenden Testungen erlauben ein hohes Maß an Sicherheit im Schulbetrieb. Als Schule haben wir in der KKS aber auch über die verbindlichen Regeln hinaus agiert, indem wir beispielsweise auch genesene und geimpfte Schüler früh dazu motiviert haben, sich dennoch testen zu lassen. Das erschien uns sinnvoll und wurde von Anfang an sehr gut angenommen.

Sie unterrichten seit 2008 Informatik. Denken Sie, dass digitale Lehr- und Lernformen künftig eine feste Rolle spielen werden? Auch dann, wenn es für Schulen keine corona-bedingten Einschränkungen mehr geben wird?

Steffan: Als integrierte Unterrichtsform in Präsenz ist das denkbar und sicherlich auch in vielen Bereichen sinnvoll, um zusätzliches Potenzial ausschöpfen zu können. Aber keine noch so gute Video-Konferenz kann klassische Lehr- und Lernmethoden ersetzen. Davon bin ich auch als digital affiner Pädagoge überzeugt. Denn Unterricht ist mehr als die Interaktion zwischen Lehrer und Schüler, auch die soziale Komponente im Austausch untereinander darf nicht unterschätzt werden. Vielleicht hat Corona dazu beigetragen, dass der Präsenzunterricht wieder mehr Wertschätzung erlebt, das wäre durchaus wünschenswert. Was man aber dennoch zweifelsfrei feststellen muss, ist, dass die Pandemie dem Thema Digitalisierung einen enormen Schub gegeben hat. Wir wären ohne sie noch nicht so weit. Das ist womöglich das einzig Positive an der Krise.

Die Karl Kübel Schule steckt mitten in einem Umbau- und Modernisierungsprozess, der schon lange vor Corona begonnen hat. Ist das in der gegenwärtigen Situation ein Vorteil auf dem Weg zu einer zeitgemäßen Bildungseinrichtung?

Steffan: Das ist sicherlich ein glücklicher Zufall. Auch deshalb, weil der Kreis als Schulträger im Dialog mit der Schule auf die künftigen Bedürfnisse noch während des laufenden Prozesses reagiert und die Planungen zügig angepasst hat. Jetzt freuen wir uns auf den Umzug in den Neubau, der an Ostern über die Bühne gehen wird. Jeder der 51 neuen Klassenräume ist mit einem Beamer, einem interaktiven Board und mit PCs samt aktueller Software ausgestattet. Vor den Klassenräumen befinden sich Lerncluster, die den traditionellen Klassenraum erweitern. Darüber hinaus erstrecken sich ein Selbstlernzentrum, eine Mediothek und ein Lernbüro über mehr als 400 Quadratmeter Fläche. Dort können Schüler in einem attraktiven architektonischen Umfeld digitale Lerngruppen bilden und schnell Informationen und Materialien austauschen. Die technische und räumliche Struktur richtet sich auch dort konsequent an den didaktischen Bedürfnissen der Schule aus. Das macht uns konzeptuell und pädagogisch zukunftsfähig.

Die Schulumgestaltung mit einem Gesamtvolumen von rund 50 Millionen Euro läuft seit fast 15 Jahren und hat Kollegium wie Schülern einiges an Geduld abverlangt. Nach den Etappen Sporthalle, Nordtrakt, Multifunktionsgebäude und Krankenpflegeschule geht es jetzt langsam ins Finale. Es war von Anfang an eine Operation am offenen Herzen. Sind Sie erleichtert, wenn es vorbei ist?

Steffan: Das Kollegium ist zuversichtlich, dass sich der Aufwand gelohnt haben wird. Aber es dauert noch circa zwei Jahre, bis der Schulcampus sein neues Gesicht zeigen wird. Nach dem Umzug in den Neubau gleich hinter dem alten Hauptgebäude folgt dann zeitnah der Abriss des Bestands. Danach wird der Nordtrakt um sechs Klassenräume erweitert. Den Abschluss macht die Neugestaltung der kompletten Außenanlage.

Nur ein Jahr nach dem Start der Umbaumaßnahmen 2007 wurden Sie Studienrat mit vollem Deputat. Wann fiel bei Ihnen persönlich die Entscheidung, nach dem Abschied von Ulrike Rüger die Hand zu heben?

Steffan: Ich war seit 2016 Abteilungsleiter für die Teilzeitberufsschule und damit Teil des Schulleitungsteams. Dennoch habe ich mich lange Zeit überhaupt nicht mit der Option der Wahrnehmung einer Stelle als Schulleiter beschäftigt - ganz gleich, an welchem Standort. Als der Nachwuchs dann erwachsen wurde - meine Tochter ist 21, der Sohn 18 -, habe ich diese Frage neu überdacht. Die Abordnung ans Fachreferat Berufsschule im Hessischen Kultusministerium ab 2019 hat sicherlich dabei geholfen, die Gesamtheit und Vielfalt der Aufgaben eines Schulleiters besser einordnen zu können. Man weiß Zusammenhänge ganz anders einzuschätzen. Ohne die Zeit in Wiesbaden hätte ich mich sehr wahrscheinlich anders entschieden.

Sie waren einst selbst Schüler an den Kaufmännischen Schulen des Kreises Bergstraße, die dann 1995 in Karl-Kübel-Schule umbenannt wurden. Sehen Sie das als Vorteil?

Steffan: Ich habe hier von 1992 bis 1994 während meiner Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann die Berufsschule besucht. 2006 kam ich dann zunächst als angestellte Lehrkraft zurück. Der Standort ist in der Tat sehr stark mit meiner eigenen Biografie verbunden. Man kennt interne Strukturen, Köpfe und Mechanismen. Vor allem das duale System als Bildungsweg liegt mir bis heute sehr am Herzen. Eines der Kernangebote unserer Schule. Die Kooperation und der Austausch mit den Ausbildungsbetrieben und Kammern in der Region ist mir ein wichtiges Anliegen.

Was hat es mit dem Konzept „Zukunftsfähige Berufsschule“ auf sich, das ab 2026 landesweit greifen soll?

Steffan: Es gibt aktuell 326 Ausbildungsberufe in knapp 600 Fachrichtungen, aber nicht alle sind gleichermaßen gefragt. Das führt zu teilweise sehr kleinen Klassen, in denen die Qualität der Beschulung nicht immer sichergestellt werden kann. Das Kultusministerium will mit einer Umstrukturierung den Fortbestand aller Ausbildungsberufe in Hessen sichern und weiterhin eine möglichst betriebsnahe schulische Bildung ermöglichen. Die Bündelung der Auszubildenden an regionalen Standorten ist dabei eine von mehreren Maßnahmen. Meiner Meinung nach ein angemessenes Konzept. Aber man muss abwarten, wie es umgesetzt wird. Die Karl-Kübel-Schule ist hier gut aufgestellt. Die Anmeldezahlen sind nach wie vor recht stabil. Auch das neue Angebot E-Commerce wird seit 2019 sehr gut angenommen. Die KKS ist einer von zwei Standorten in Hessen, an denen Kaufleute für den Online-Handel ausgebildet werden.

Wie lauten Ihre persönlichen Wünsche für die KKS im neuen Jahr?

Steffan: Es ist leider momentan so, dass die alltäglichen Herausforderungen im Kontext der Pandemie die Frage der Schulentwicklung oft in den Hintergrund drängen. Ich würde mir wünschen, dass sich die Schulgemeinde wieder stärker auf ihr kreatives Potenzial und das aktive Gestalten konzentrieren kann und weniger als Getriebene nur auf äußere Umstände reagieren muss. Die positive Dynamik innerhalb des Kollegiums durch den pandemiebedingten Digitalisierungsschub möchte ich nutzen, um die räumlichen und technischen Möglichkeiten des Neubaus optimal für einen modernen und qualitativ hochwertigen Unterricht zu nutzen.

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