Fehlheim. Auf dem Gästeklo lauert ein wilder Stier. Geduldig wartet er hinter der Tür auf ahnungslose Besucher, die ihn nicht sofort bemerken. Der Gehörnte ist das erste Anzeichen dafür, dass man sich in dem Haus eines Verrückten aufhält - eines positiv Verrückten: Angelo Caldone. Der 61-jährige Italiener ist kein Stierzüchter, er sammelt. Und zwar alles, was mit dem weltbekannten Logo mit einem integrierten Stier geschmückt ist. Lamborghini ist seine Leidenschaft - und der wilde Bulle im Gästeklo nicht echt, sondern lediglich auf einem Modellauto.
Verrückt - und er weiß es
Der kleine rote Flitzer ist kein Einzelstück im Hause Caldone. Rund 1200 Modelle hat der Hausherr im Laufe der Jahre gesammelt: groß, klein, winzig - der kleinste Wagen misst gerade einmal drei mal einen Zentimeter - und in allen Farben.
Viele davon hat Angelo Caldone auf Flohmärkten in der Region gekauft, manche hat er aber auch selbst zusammengeschraubt. Mit den Teilen anderer Modellwagen hat er sich als "Mechaniker" versucht. Und wenn der Wahl-Fehlheimer seine Schätze auf vier Rädern präsentiert, bekommen seine Augen ein Funkeln, fast scheint es so, als streichle er die kleinen Wagen, wenn er sie kurz anhebt.
"Klar, bin ich verrückt. Das muss man sein", gesteht der sympathische Mann und versucht gar nicht erst, das Lachen hinter seinem schwarz-silbernen Oberlippenbart zu verstecken. "Il pazzo" nennt er sich dann selbst: der Verrückte. Mehrere Stunden täglich verbringt er in seinen zwei Kellerräumen, in denen er alles hat, was das Lamborghini-Emblem ziert. Von wegen nur Autos: Schlüsselanhänger, Golfbälle, Stierbüsten, Aschenbecher oder Grappaflaschen. Aber das ist ja fast schon das Standardprogramm für einen Sammler. Doch in Caldones Keller sind viele Stücke echte Unikate, zum Beispiel eine Fünf-Liter-Weinflasche. "Die gib es nur ein einziges Mal auf der ganzen Welt", sagt der Italiener ehrfürchtig, als er das riesige Gefäß auf seine kleine Werkbank hievt. Das exklusive Stück war ein Prototyp, bevor sich das Weingut Lamborghini doch für die Drei-Liter-Variante entschieden hatte.
Ein Freund der Familie L.
Überhaupt: das Weingut Lamborghini. Von dort stammen einige besondere Stücke aus der Sammlung des 61-Jährigen. Ein anderes Beispiel gefällig? Caldone besitzt vier Flaschen eines Weines, der zu Ferruccio Lamborghinis erstem Todestag 1994 abgefüllt wurde und von dem es weltweit nur 2000 Flaschen gibt. "Eine hat damals 50 Mark gekostet, heute würde ich sie nicht für das Zehnfache hergeben." Der Sammler sieht eben mehr in seinen Objekten als deren Gegenwert in schnöden Euro-Scheinen. "Alle meine Stücke erzählen eine Geschichte", sagt Caldone. Jedes Jahr zu seinem Geburtstag schenkt ihm Lamborghinis hinterbliebene Ehefrau etwas für seine Sammlung.
Richtig gelesen. Angelo Caldone ist nicht irgendein Sammler, er ist mittlerweile ein Freund der Familie. Ein Stier eben, wie sein Sternzeichen verrät. Und genau das war es auch, das die besondere Verbindung zu dem großen Autobauer begründet hat. Rückblick: 1991, Lago di Trasimeno in Italiens Provinz Umbrien. In einer Ferienwohnung auf dem Weingut Lamborghini übernachteten die Caldones damals und kamen mit einem älteren Herrn in Jeans ins Gespräch - der entpuppte sich hinterher als der berühmte Ferruccio. "Ich habe am 29. April Geburtstag, er hatte am 28., das hat einfach gleich gepasst", erinnert sich Angelo Caldone mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen.
Als der Freund 1993 starb, begann der Wahl-Bergsträßer zu sammeln. Das erste Objekt war dann das Modell eines Miura. "Mein absolutes Lieblingsauto!" Und deswegen fährt Caldone auch einen . . . Daihatsu Materia. Einen Lamborghini hatte er nie, will er überhaupt nicht und saß auch noch niemals hinter dem Lenkrad eines solchen Wagens. "Man sollte sich so ein Auto nur kaufen, wenn man es aus der Portokasse bezahlen kann", sagt der Lamborghini-Fan. Sparen mache keinen Sinn, weil die jährlichen Unterhaltskosten enorm seien. "Außerdem sind die Autos total unbequem."
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