Zwingenberg. Auf Einladung des Gesangvereins Sängerkranz gastierte am Freitag Walter Renneisen im Zwingenberger Adlersaal. Der Adlersaal war bis auf den letzten der 196 Plätze ausverkauft - dieser Umstand hatte die Parkplatzsuche Renneisens erschwert und zu einer leichten Verspätung beigetragen. Doch der gebürtige Mainzer nahm es mit Humor und Gelassenheit und blieb einfach länger.
Über die geliebten Zischlaute
Das Publikum hätte ihn auch nicht freiwillig gehen lassen, konnte es doch gar nicht genug bekommen von den Geschichten und Anekdoten über die Hessen und ihren Dialekt.
Mit einem geowissenschaftlichen Exkurs begann der Abend. Zunächst erläuterte Renneisen die geografische Entstehung der hessischen Landschaft. Dieser schon immer etwas sumpfigen und feuchten Gegend sei es zu verdanken, dass der Hesse eine Liebe zur Feuchtigkeit habe, und, so erklärte er schmunzelnd, dass überhaupt erst die typisch hessischen Zischlaute entstehen konnten.
Diese Zischlaute erinnern an "einen Fahrradschlauch der Luft verliert" - und wer entwickelt keine romantischen Gefühle bei einem schmachtend gehauchten "Isch liebe disch", das aus dem Munde eines attraktiven Hessen kommt?
Die Hessen sind halt einfach ein liebenswertes Völkchen, fröhlich und manchmal unfreiwillig komisch. Doch sie sind auch "Zorngiggel" mit unbändigem Draufgängertum. Schon Tacitus beschrieb die Hessen (damals Chatten) in seiner Germania als "Menschen mit trainierten Körpern, kräftigem Bau, zornigem Blick und entschlossenem Mut". Für Deutsche hätten sie viel Verstand, so die Einschätzung des Römers.
Die augenzwinkernde Schlussfolgerung Renneisens: Wahrscheinlich hörten daher auch schon die römischen Legionen am Limes den Angst einflößenden Ausruf "Isch haach der uff die Nuss, dass de dorsch die Ribbe schaust wie de Aff dorschs Gidder".
Das bedeutet frei übertragen ins Hochdeutsche so viel wie "Ich schlage dir auf den Kopf, so dass du dann durch die Rippen sehen kannst wie ein Affe durch ein Käfiggestänge".
Berühmte Dichter und Schriftsteller hat Hessen ebenfalls hervorgebracht - da wären Johann Wolfgang von Goethe oder Georg Büchner zu nennen. Oder aber Friedrich Stoltze.
Klavier, Kontrabass und Trompete
Am Klavier, am Kontrabass und sogar auf der Trompete interpretierte Walter Renneisen ein Lied, das den hessischen Zischlaut wie kein anderes beschreibt, immer wieder neu: Friedrich Stoltzes "Wermsche uffm Termsche mit em Schermsche unnerm Ärmsche".
Mal mit flotten und fröhlichen, mal mit ruhigen und melancholischen Melodien brachte er den Saal zum Jubeln. Die Anekdoten, mit denen Renneisen kleine Szenen aus dem alltäglichen Leben der Hessen zum Besten gab, strapazierten die Lachmuskeln der Zuschauer bis aufs Äußerste.
Der Mutterwitz, die Schlagfertigkeit und die Kunst der Vereinfachung sind es, die das Hessische so einmalig machen. Fragt man einen Hessen, was er denn abends noch vorhabe, dann könne die Antwort "Ei, isch mach ins Bett" doch so manchen Nicht-Hessen in die Verwirrung stürzen. Am Ende der Vorstellung war klar, dass der Hesse sich seines Dialektes nicht zu schämen braucht. Die Liebeserklärung Renneisens an die Hessen und das Hessische zeigt: Dialekt ist die Sprache der Heimat, die Sprache der Freunde und sollte mit einem Schuss Selbstironie und Humor auch weiterhin gepflegt werden. sr
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