Fehlheim. „In den nächsten 50 Jahren sollte eines der großen deutschen Top-Talente aus Fehlheim kommen“, sagte Tischtennis-Bundestrainer im Dorfgemeinschaftshaus. „Wir brauchen Talente und Idole, um den Sport populär zu halten“, betonte Jörg Roßkopf bei der Jubiläumsfeier zum 50-jährigen Bestehen der Tischtennisabteilung im VfR.
Und da Südhessen ohnehin als Nest für erstklassige Spieler gilt, wäre ein Star aus Fehlheim geradezu ideal, so der gebürtige Dieburger. „Wir arbeiten daran“, so Jochen Köhler im Gespräch mit dem Europameister und fünffachen Olympiateilnehmer.
Auch als Erfolgstrainer des deutschen Teams war der heute 52-jährige fünf Mal bei den Spielen dabei. Aus Tokio brachten seine Jungs Silber mit nach Hause. Am Ende mussten sich Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll, Patrick Franziska und Ergänzungsspieler Benedikt Duda gegen die Tischtennis-Weltmacht schlechthin geschlagen geben. „Ein Sieg gegen China bleibt das ganz große Ziel“, sagte Roßkopf in Fehlheim, wo am Abend eine große Jubiläumsfeier über die Bühne ging.
Aushängeschild in der Region
Für seinen Besuch hätte sich der Nationaltrainer keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können. Gerade erst haben die Herren ihre Premiere in der 3. Bundesliga Nord gefeiert. Die Aufstiegsstimmung ist im Club weiterhin spürbar. In den vergangenen Jahren war die Abteilung zu einem der sportlichen Aushängeschilder Bensheims und des ganzen Kreises Bergstraße avanciert, wie auch Bürgermeisterin Christine Klein im Gemeinschaftshaus betonte.
Sowohl im Jugend- wie auch im Erwachsenenbereich mehrten sich die Erfolge. Mittlerweile gehören die Grün-Weißen zu den angesehenen Vereinen in Hessen. Jetzt hoffen alle, dass die Rahmenbedingungen wieder einen möglichst normalen Trainings- und Wettkampfbetrieb zulassen, so Abteilungsleiter Claudio Schubert vor zahlreichen Aktiven von damals und heute.
Im Jubiläumsjahr will sich die Abteilung neben dem Einstand im deutschen Tischtennis-Oberhaus aber auch um die Nachwuchsgewinnung im Ort kümmern. Der VfR will noch mehr heimische Talente an die Platte führen – ganz im Sinne des Bundestrainers. 2006 hatte Schubert als Jugendleiter mit der Mädchenmannschaft den Hessenpokal und die Deutsche Meisterschaft nach Fehlheim geholt. Daran will der Verein jetzt auf lange Sicht anknüpfen.
Der langjährige Abteilungsleiter Rainer Willems hofft, dass durch das Neubaugebiet frisches Tischtennisblut in den Verein fließen wird. Und auch, dass die Liga-Heimspiele ein treues und großes Publikum finden werden. Die Begegnungen finden in der AKG-Sporthalle statt.
Claudio Schubert hat die Biografie der Abteilung wie kaum ein anderer mitverfolgt. Von den 50 Jahren hat er selbst 42 miterlebt. Im Sommer 1971 sei nicht absehbar gewesen, welche Erfolgsgeschichte der kleine Club schreiben würde. Bereits ab 1975 habe Leiter Albert Schilling die wesentlichen Weichen gestellt, sagte er in seiner kurzen Retrospektive. Später hatte er viele Spieler aus der Anfangszeit wieder zum VfR geholt.
Sein Sohn Matthias hat diese Arbeit erfolgreich weitergeführt. In den 90er Jahren ging es dann weiter aufwärts. Zunehmend machte sich ein leistungsorientiertes Denken breit, die erste Herrenmannschaft wurde für starke Spieler interessant. Immer wieder war es gelungen, talentierte Eigengewächse in den Seniorenbereich einzugliedern.
Für Schubert ist das eines der Erfolgsrezepte der Abteilung, die in der Bundesliga mit Routiniers und jungen Gesichtern gut aufgestellt sei. Die Pandemie habe trotz massiver Abstriche keine bleibenden Schäden verursacht, der Zusammenhalt im Verein sei nach wie vor hervorragend, blickte Schubert optimistisch in die Zukunft.
Erstklassige Leistungen
In den Nuller-Jahren hatte er den Jugendbereich als zuständiger Leiter maßgeblich nach vorn gebracht und eine erfolgreiche Entwicklung eingeleitet. Bei den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften konnte man sich wiederholt unter den Besten platzieren. Auch die Teams in den unteren Spielklassen liefern seit Jahren erstklassige Leistungen ab, feiern regelmäßig Aufstiege und Meistertitel. Für seine kontinuierlich gute Arbeit wurde Claudio Schubert am Freitag besonders gewürdigt.
Dass unter den Gratulanten auch der Bundestrainer war, hat den 24. September 2021 schon jetzt tief in die Vereinschronik eingraviert. „Wir haben bei ihm angefragt und er hatte Zeit“, kommentierte Schubert den Besuch von Jörg Roßkopf, der sich entspannt den Fragen von Jochen Köhler stellte.
Der Linkshänder war für sein aggressives Spiel berühmt und über viele Jahre der beste deutsche Spieler. 1992 war Roßkopf Weltranglisten-Vierter. 1989 sicherte er sich bei der WM in Dortmund mit Steffen Fetzner im Doppel-Finale die Goldmedaille. Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona reichte es für Silber. 1992 wurde Roßkopf Europameister im Einzel. 2012 betreute er erstmals als Bundestrainer deutsche Spieler bei Olympia. Der Hesse ist längst ein Idol der Szene.
Seine Karriere begann im Alter von fünf Jahren. Die Tischtennis-Legende Helmut Hampel hatte ihn entdeckt und gefördert. Hampel hat auch die Talente Timo Boll und Patrick Franziska gleichsam wachgeküsst und zu Top-Spielern entwickelt. „Er hat mich enorm motiviert“, so Roßkopf in Fehlheim. Seine prägende Zeit verbrachte er im Leistungszentrum Borussia Düsseldorf.
Talente optimal aufbauen
Heute würde er sich wünschen, dass es in Deutschland mehr Spezialisten gibt, die Talente optimal aufbauen können. In China werde nahezu jedes Spiel aufgezeichnet und ausgewertet. Ein bisschen von diesem Geist würde der nationalen Szene guttun, ist der Bundestrainer überzeugt, der die Phase zwischen fünf und 15 Jahren als entscheidende Periode definiert, in der aus guten Spielern eine internationale Spitze gefördert werden könne. „Harte Arbeit zahlt sich aus.“ Dass Deutschland heute die zweitbeste Tischtennis-Nation ist, liege genau darin begründet.
In dieser Woche ist „Rossi“ mit seinem Team bei den Europameisterschaften in Rumänien dabei. Gleich nach dem Abstecher nach Fehlheim wurden die Koffer gepackt. Die WM findet im November in Houston statt. Etwa 35 Turniere weltweit stehen auf dem Terminplan des Trainers. „Tischtennis wird immer und überall gespielt“, kommentiert er den Reiz des Sports auch im Freizeitbereich.
Dies zeige sich auch darin, dass sich bei den Olympischen Spielen auch andere Sportler mit den Tischtennisspielern gerne messen. Es geht darum, wer den Aufschlag eines Topspielers retournieren kann. Von Handball-Ass Uwe Gensheimer hätte Jörg Roßkopf das durchaus erwartet. „Aber er hatte keine Chance“, so der Trainer, der in der Oberliga Hessen noch immer bei den Amateuren mitspielt.
Besondere Wein-Versteigerung für einen guten Zweck
Die 62. Deutschen Tischtennis-Einzelmeisterschaften fanden im März 1994 in Bensheim statt. Mit dabei auch das damals erfolgreiche Herren-Doppel Hans-Jürgen Fischer und Thomas Roßkopf, der drei Jahre ältere Bruder des heutigen Bundestrainers.
Das offizielle Plakat des Wettbewerbs stammt von Hans Borchert. Der Maler und Zeichner lebt und arbeitet in Fehlheim. Borchert hat insgesamt rund 20 Illustrationen und Grafiken zu hochkarätigen Sportveranstaltungen gestaltet, unter anderen für die WM der Frauen im Modernen Fünfkampf oder den Tennis-Daviscup.
Anlässlich des 50-jährigen Geburtstags der VfR-Tischtennisabteilung hat der Künstler das damalige Motiv in ein eigens angefertigtes Jubiläumsplakat integriert und dem Verein übergeben. „Er weiß, wie Bewegung geht“, so Claudio Schubert über Hans Borchert, den der menschliche Körper in seinen unterschiedlichen Bewegungsstadien künstlerisch schon immer interessiert hat.
Für ihn sind Sportler Bewegungskünstler in einem konkret physischen Sinn. In seinen Arbeiten hält er die Dynamik und Flüchtigkeit des Moments in beeindruckender Weise fest.
Im Rahmen der Jubiläumsfeier wurden unter anderem zwei Flaschen Bergsträßer Wein versteigert, die Borcherts Tischtennis-Motiv aus den frühen 90er Jahren zeigen. Der Künstler hat die Etiketten nachträglich signiert. Insgesamt ergab die Aktion einen Erlös von rund 300 Euro, der an die neue Initiative Aquarius geht, die sich demnächst als Verein gründen will.
Ziel ist es, benachteiligten Kindern die Teilnahme an Sport und Bewegung zu ermöglichen. Aquarius wird das Geld der Kirchbergschule in Bensheim zur Verfügung stellen, wie Vereinsmitglied Wolfgang Bund mitteilte. tr
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