Sommertour

Der Bensheimer Wald muss widerstandsfähiger werden

Von 
Thomas Tritsch
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Die CDU-Fraktion traf sich im Rahmen des Sommerprogramms mit Förster Dirk Ruis-Eckhardt zu einem Rundgang im Märkerwald. © Neu

Bensheim. Wald und Wirtschaft haben einiges gemeinsam. In beiden Fällen bildet ein stabiler, ertragreicher und qualitativ hochwertiger Bestand die Grundlage für den Erfolg nachfolgender Generationen. Die strategischen Weichen dafür müssen frühzeitig gestellt werden, um kontinuierlich gut aufgestellt zu sein und Krisen möglichst gut abfedern zu können.

Im komplexen Ökosystem geht es darum, viele unterschiedliche Faktoren und Funktionen im Gleichgewicht zu halten, um eine nachhaltige Forstwirtschaft gewährleisten zu können. Das ist das erklärte Ziel der Stadt Bensheim, die gut 850 Hektar Baumbestandsfläche ihr Eigentum nennt. Betreut wird der Stadtwald seit 1993 von Revierförster Dirk Ruis-Eckhardt, der für das Hessische Forstamt Lampertheim (Hessen Forst) in Bensheim unterwegs ist. Gemeinsam mit der CDU-Fraktion ging es am Dienstag gut zwei Stunden lang quer durch den Märkerwald.

Vom Gronauer Naturparkplatz aus führte die Tour quer durch den Höhenzug, der sich bis Schannenbach im Nordosten und Ober-Hambach im Süden erstreckt und in der Nachbarschaft von kleineren Staats- und Privatwaldflächen flankiert wird. Dabei wurde auch der rund 530 Meter hohe Kesselberg gestreift, der bereits die nördliche Grenze Heppenheims markiert.

Kontrastreich wie das Wetter

Die Struktur und aktuelle Situation in dem rund 300 Hektar großen Waldstück zeigte sich ähnlich kontrastreich wie das Wetter, das die Exkursion recht launisch begleitet hat. Für die hessischen Wälder ist der bislang recht nasse Sommer immerhin eine leichte Entlastung. Und die kühleren Temperaturen tragen außerdem dazu bei, dass sich der Borkenkäfer nicht ganz so stark vermehrt, wie das bei Hitze und Trockenheit der Fall ist. Zurückdrängen lässt sich der Forstschädling dadurch nicht.

Eine Lichtung mitten im Wald. Hier wurde im Frühjahr ein Bestand mit vom Borkenkäfer befallenen Fichten entfernt. Ein ziemlicher Kahlschlag, der dem Revierförster im Grunde gar nicht gefällt: „Solche Bilder möchte ich im Wald eigentlich nicht sehen.“ Denn ein aufgerissener Wald bietet viel Angriffsfläche für Wind und Sonne. Die Folge: Die Bäume am Rand sind extremeren Bedingungen ausgesetzt und deutlich gefährdeter hinsichtlich Hitze- und Sturmschäden.

Von der sogenannten Kahlschlagwirtschaft habe man sich daher immer mehr verabschiedet, so Ruis-Eckhardt, dessen Forsthaus in Gronau steht. Der Förster setzt daher lieber auf kleinflächige und möglichst natürliche Verjüngungsverfahren. Die offene Fläche im Märkerwald soll im kommenden Jahr mit 4800 Jungbäumen bepflanzt werden. Vor allem mit Eichen, aber auch mit Kirschen, Winterlinden und einigen Weißtannen, wie sie etwa im Schwarzwald vorkommen. Ein Baum, der exzellent an höhere Lagen angepasst ist. Auch bei solchen Maßnahmen habe man immer die klimatischen Veränderungen im Blick, so der Experte, der vor Ort auch über die finanzielle Seite informierte.

Bis zu 400 000 Euro Gewinn

Geldverdienen sei ein Teilaspekt der Waldbewirtschaftung. Auch, wenn das von vielen kritisch kommentiert werde, so Ruis-Eckhardt. In den letzten Jahren erbrachte der Bensheimer Wald laut Waldwirtschaftsplan einen durchschnittlichen Gewinn von rund 350 000 bis 400 000 Euro. Zum Vergleich: Die Rodung der beiden Teilflächen im Märkerwald erzielte nach Verkauf der Bäume Einnahmen in Höhe von gut 80 000 Euro. Eine Zahl, die durch einen massiven Anstieg der Fichtenholzpreise deutlich höher ausgefallen ist als erwartet.

Hintergrund ist ein anhaltender Bau- und Exportboom für das Industrieholz. Mit der Folge, dass auch der Waldwirtschaftsplan für 2021 deutlich positiver aussieht als ursprünglich kalkuliert, so der Revierförster, der bei der Tour von der jungen Forstwirtschaftlerin Sabrina Stark – Anwärterin bei Hessen Forst – begleitet wurde.

Holz hat ein super Image

Als Baum und als Rohstoff habe Holz ein super Image, betonte der Förster. Die öffentliche Kritik an der Forstwirtschaft werde meistens erst auf dem Weg vom Wald ins Sägewerk laut. „Damit müssen wir wohl leben.“ Im Wald würden sich viele Wahrheiten treffen, die immer stark von der jeweiligen Perspektive abhängig seien. Die vielfältigen Aufgaben der Waldpflege erforderten aber eine differenzierte Sichtweise, die viele verschiedene Faktoren berücksichtigen müsse. In erster Linie das Prinzip der Nachhaltigkeit, das quasi im Wald geboren wurde.

Die Arbeit der nächsten Jahre werde entscheidend sein für die Anpassungsfähigkeit des Stadtwalds an die veränderten klimatischen Bedingungen, ist Dirk Ruis-Eckhardt überzeugt. Ziel müsse sein, den Forst widerstandsfähiger zu machen. Der Wald der Zukunft sei ein artenreicher, naturnaher und standortgerechter Mischwald. Eine natürlich aufgebaute Altersstruktur mit Pflanzen in allen Entwicklungsstadien. Mindestens vier verschiedene Arten seien dafür nötig. Eine Naturverjüngung biete zudem erhebliche Vorteile, was die genetische Qualität angeht: Da die jeweilige Vorgänger-Generation bereits an einen bestimmten Standort angepasst sei, zeige in der Regel auch die folgende ein vergleichbares Wachstum und eine ähnliche Widerstandskraft.

Vom Urwald lernen

Der Begriff des Dauerwalds stehe dabei für eine ganzheitliche Betrachtung als sich selbst erneuerndes, vielgestaltiges und dynamisches Ökosystem. Der Forst wird als ein dem Standort und der natürlichen Waldgesellschaft angepasster, ungleichförmig strukturierter und „ungleichaltriger“ Wald gesehen, in dem die natürlichen Prozesse des Wachstums und der inneren Dynamik (Regeneration, Mischung, Differenzierung) beachtet und integriert werden. Für Dirk Ruis-Eckhardt die „Best Practice“ in punkto Baumerhalt: „Für mich zeigt sich eine ideale Waldbewirtschaftung auch darin, dass man sie nicht auf den ersten Blick erkennt.“ Nachwuchs und Entnahme halten sich in etwa die Balance. Eine intelligente Waldwirtschaft müsse von den Prozessen des Urwalds lernen.

Die Stadt Bensheim hat außerdem beschlossen, dass manche Exemplare als sogenannte Habitat- oder Methusalembäume von der Nutzung ausgenommen werden und so Insekten, Vögeln und Kleintieren als Zuflucht dienen. Man lässt sie sozusagen sterben, um Leben zu erhalten.

Wildverbiss verursacht massive Schäden an Bäumen

Eine Naturverjüngung spare Kosten und ermögliche eine optimale Anpassung der Bäume an den Standort, so Revierförster Dirk Ruis-Eckhardt. Erschwert wird diese Strategie allerdings von Wildverbiss. Die Schäden durch Rehwild seien massiv, betonte der Revierförster im Märkerwald.

Wie sich junge Bäume ohne solche tierischen Einflüsse entwickeln, lässt sich durch ein sogenanntes Weisergatter verdeutlichen: Eine wilddicht umzäunte Fläche, die durch einen direkten Vergleich eine Beurteilung des Wildeinflusses auf die Naturverjüngung des Waldes erlaubt. Im Gronauer Wald zeigt sich, dass das Wachstum innerhalb des geschützten Bereichs erheblich höher und vielgestaltiger ausfällt. Birken und Kirschen sind außerhalb des Gatters praktisch nicht zu sehen.

Auch die Strauchschicht ist im geschützten Bereich sichtlich besser ausgebildet. Die Jungbäumchen erreichten im Alter von eineinhalb Jahren eine Höhe von bis zu drei Metern. Außerhalb fand man nur „Bonsai-Bäumchen“ vor, die etwa zehn Jahre alt sind, aber kaum größer als 50 Zentimeter. Laut Ruis-Eckhardt führen diese Wildschäden zu einer starken Entmischung des Bestands, die dem Ziel eines vielgestaltigen Dauerwalds entgegenstehe und damit auch dessen natürliche Stabilität gefährde.

Für den Förster ist das ein handfestes Argument für eine verstärkte Bejagung des Rehwildbestands. Dessen gezielte Begrenzung wirke sich positiv auf die Artenvielfalt des Waldes aus. Es komme daher darauf an, forstliche und jagdliche Interessen bezüglich der Naturverjüngung und des Wildbestands auszugleichen. Ein Dialog, der bislang noch nicht so erfolgreich war, wie sich der Revierförster das wünschen würde.

CDU-Stadtverordneter Bernhard Stenger begrüßte die Teilnehmer der Exkursion. Drunter auch den Gronauer Ortsvorsteher Stefan Hebenstreit. Die CDU setze sich dafür ein, die Wälder klimastabil und zukunftsfähig auszurichten, sagte er. Beim Rundgang ging es der Fraktion in erster Linie darum, aktuelle Informationen über den Bestand und die künftigen Herausforderung der Waldbewirtschaftung zu erfahren. Der Forst sei neben Weinbergen, Äckern und Wiesen ein charakteristischer Bestandteil des Landschaftsbilds an der Bergstraße. Dies gelte es dauerhaft zu erhalten. tr

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