Bensheim. Die Sicherheitskräfte beim Bergsträßer Winzerfest können auf einen reichhaltigen Erfahrungsschatz bauen – sprich: Eigentlich haben sie fast alles schon mal erlebt. Was ihnen aber am Samstagabend und in der Nacht zum Sonntag geboten wurde, überraschte dann doch.
„Die Polizei musste ein paar Mal ausrücken, weil sich Leute einfach auf die Straße gelegt und ihren Rausch ausgeschlafen haben“, teilte Thomas Herborn am Montag mit. Der geschäftsführende Vorsitzende des ausrichtenden Verkehrsvereins hatte zusammen mit Vertretern von Stadtverwaltung, Feuerwehr, DRK, Polizei und Sicherheitsdienst zu einem Pressegespräch eingeladen, um das erste Festwochenende zu bilanzieren.
Besonders am Samstag waren die Festmeile und die gesamte Innenstadt brechend voll. Unerwartet kam der Andrang nicht. Einerseits spielte das Wetter mit, andererseits war nach zwei Pandemie-Ausgaben des Weinfests klar, dass der Drang auf kollektive Geselligkeit und Weingenuss groß sein würde. „Da war schon einiges los“, kommentierte Herborn die Lage.
Die größte Auffälligkeit: Besagte Zeitgenossen, die Straßen und Gehwege zu improvisierten Betten umfunktionierten, weil sie auf dem Nachhauseweg entweder die Orientierung verloren oder zu entkräftet waren. Wie viele ihre Nachtruhe ins Freie verlegen wollten, ist nicht überliefert. „Wir haben irgendwann nicht mehr gezählt“, meinte Polizeihauptkommissar Matthias Groh von der Polizeistation Bensheim. Einsätze habe es beispielsweise in der Schwanheimer Straße, der Gartenstraße oder der Lammertsgasse gegeben.
„Haben alle wachgekriegt“
Mit auf die Wache musste keiner. Man habe sie alle wachgekriegt „und auf den Weg gebracht“, so Groh. Aber die meisten waren zunächst mal nicht mehr Herr ihrer Sinne. Woran das in dieser Häufung gelegen haben könnte, darüber können die Verantwortlichen nur spekulieren. „Vielleicht haben einige die Wirkung des Weins unterschätzt – oder zu viel in zu kurzer Zeit getrunken“, mutmaßte Bürgermeisterin Christine Klein. Dazu die verhältnismäßig warmen Temperaturen und schon gingen die Lichter aus.
Nicht auszuschließen ist darüber hinaus, dass beim Vorglühen außerhalb der Festmeile der Rebensaft keine tragende Rolle gespielt hat und der Promillespiegel anderweitig in die Höhe getrieben wurde.
Wie dem auch sei: Die Rathauschefin und Stadtrat Adil Oyan versuchten es am Montag mit einem Appell an die Vernunft der Möchtegern-Kampftrinker. Man soll doch nach Möglichkeit die eigenen Grenzen kennen und nicht verschieben wollen. Schließlich gehe es um den maßvollen Genuss eines hiesigen Kulturguts.
Abgesehen von den gesundheitlichen Folgen dürften auch die Finanzen mittelfristig leiden, wenn man beim Winzerfest-Besuch Wasser wie Wein wegkippt. Die Einsatzkräfte hoffen jedenfalls auf Besserung in den nächsten Tagen.
Neben den Asphaltschläfern beschäftigten einige Schlägereien am Samstagabend Sicherheitsdienst und Polizei. „Die meisten Auseinandersetzungen gab es im Bereich des Rummelplatzes“, fasste Thomas Herborn zusammen. Schwerere Verletzungen zogen sich nach ersten Erkenntnissen keine der Kontrahenten zu. Zumeist war übermäßiger Alkoholkonsum der Auslöser für die Streitigkeiten. Die Polizei musste eine Person in Gewahrsam nehmen, weil sie ein Messer gezogen hatte und keinen festen Wohnsitz nachweisen konnte.
Unterm Strich sei die Zahl der Einsätze und Zwischenfälle aber nicht außergewöhnlich gewesen. „In etwa so wie früher beim Winzerfest auch“, bemerkte Herborn. Wenn viele Menschen unter diesen Rahmenbedingungen zusammenkämen, könne man solche Geschichten nicht ausschließen.
Umzug verlief reibungslos
Reibungslos verlief der Festzug am Sonntag. Weder gab es Störungen im Ablauf noch größere Einsätze, so der Verkehrsvereinschef. DRK-Bereitschaftsleiter Sebastian Engelbrecht sprach von drei Vorkommnissen während des Umzugs in den Reihen der Zuschauer. So mussten die Sanitäter einen verknacksten Knöchel behandeln und eine Person mit Kreislaufkollaps versorgen.
THW und Feuerwehr waren wie immer gefordert bei der Absicherung der Strecke. Das Technische Hilfswerk blockierte mit 15 Fahrzeugen die Zufahrtswege. Die Feuerwehr brachte sich an strategisch günstigen Punkten in Stellung, um bei einem Einsatz schnell vor Ort sein zu können. Am Samstag und Sonntag insgesamt habe man von der Festmeile aus nur eine Person ins Krankenhaus fahren müsse. Die hatte viel zu tief ins Glas geschaut und benötigte professionelle Hilfe.
Ohne großen Ärger verliefen die Kontrollen an den Eingängen zum Rummelplatz und in der Bahnhofstraße Richtung Marktplatz. Dort kontrollierten wie früher auch Mitarbeiter der Firma Pabst. Rucksäcke und Taschen wurden nach Waffen, Glas und Alkohol abgesucht. „Zu 90 Prozent hatte damit auch niemand Schwierigkeiten. Es ist in diesem Jahr auch nicht zum ersten Mal, dass wir dort stehen“, erläuterte Steve Heller von Pabst Security. Sichergestellt wurden unter anderem Alkohol und Drogen.
Fontäne auf dem Marktplatz
„Es geht uns bei der Maßnahme nicht um den Familienvater, der mit seinen zwei Kindern und einem Weinglas unterwegs ist. Vielmehr wollen wir verhindern, dass in den Rucksäcken flaschenweise härterer Alkohol auf das Winzerfest geschmuggelt wird“, betonte Thomas Herborn. Wie viele Besucher am Wochenende in der Innenstadt unterwegs waren, lasse sich nur schwer schätzen. Mehrere Zehntausend dürften es auf jeden Fall gewesen sein – und am gestrigen Tag der Betriebe kam bei gutem Wetter noch der eine oder andere dazu.
Noch bevor das Fest am Samstag eröffnet wurde, kam es zu einer nicht alltäglichen Alarmierung. Am Freitagabend spuckte ein defekter Hydrant am Marktplatz eine Wasserfontäne bis zu 15 Meter hoch. Die Feuerwehr beendete das feuchte Spektakel. Allerdings hatte das Wasser da bereits den Stand mit der Starkstromversorgung geflutet. Während noch am Abend die Firma Klein dort für klare Verhältnisse sorgte, reparierte der Notdienst der GGEW AG am frühen Samstagmorgen den Standrohr-Hydranten. Ursache für den Ausbruch? „Vermutlich ist ein Fahrzeug dagegen gefahren“, sagte Thomas Herborn.
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