Auerbach. Abgebildet wird das reine Leben, „Pura Vida“, wie der Titel der aktuellen Ausstellung der Kunstfreunde Bergstraße im Damenbau lautet. Mit Isabel Leinhos und Kosta Kostow kommt internationales Flair in die Räume im Fürstenlager: Kostow wurde 1964 im bulgarischen Krapets geboren, Leinhos 1968 in Barcelona.
Während die Bilder der heute in Offenbach lebenden Malerin keinen weiten Weg nach Auerbach hatten, gingen Kostows Bilder aus Sofia auf eine lange Reise und kamen erst drei Tage vor der Eröffnung der Ausstellung am Sonntag hier an.
Ermöglicht wurde die Ausrichtung der Ausstellung durch das Engagement von Heidi Riebel und August Hofmann sowie des Ehepaars Hafen-Winkels, wie Sabine Müller, Vorsitzende der Kunstfreunde Bergstraße, bei der Eröffnung sagte. Sie begrüßte unter den Gästen der Vernissage unter anderem den Vorsitzenden des Auerbacher Kur- und Verkehrsverein Reinhard Bauß sowie mehrere Mitglieder der in diesem Verein organisierten Gruppe Kunst im Fürstenlager.
Ungewöhnliche Kombination
Präsentiert wird eine ungewöhnliche Kombination zweier Künstler, die man sich unterschiedlicher kaum vorstellen kann. Nicht nur in Hinblick auf Geschlecht, Herkunft und künstlerischen Stil unterscheiden sich die beiden, die sich zudem nicht kennen, sondern auch hinsichtlich ihres künstlerischen Vorlebens: Während Leinhos erst seit etwa sechs Jahren ernsthaft malt, blickt Kostow auf eine lange künstlerische Laufbahn zurück und ist in Bulgarien Mitglied verschiedener Kunstorganisationen.
„An die wahre Kunst zu glauben bedeutet, dass sich das eigene Leben in einer ständigen Krise befindet, dass man in Einsamkeit, Pessimismus, Verzweiflung, Krankheit, Schmerz und Elend lebt“, schreibt Kostow, der zur Eröffnung nicht selbst kommen konnte, und fährt fort: „Ich will nur daran erinnern, dass die Bohème keine einfache Sache ist. Und oft ist es auch gar nicht angenehm“.
Isabel Leinhos dagegen bezeichnet das Malen als ihre große Leidenschaft, sie brauche „das Malen wie die Luft zum Atmen“.
So groß das Wagnis ist, die beiden so verschiedenen künstlerischen Positionen in einer gemeinsamen Ausstellung zu zeigen, so verblüffend ist die Kompatibilität der Bilder an vielen Stellen. Sabine Müller hat die Bilder nicht in getrennten Räumen gehängt, sondern in einem Nebeneinander, das dem Betrachter manch anregenden Vergleich malerischer Erzählweisen erlaubt.
Im rosa Salon etwa hängen zwei weibliche Halbakte nebeneinander, die wie die anderen Bilder in der Ausstellung völlig unabhängig voneinander gemalt wurden. Leinhos Acrylmalerei zeigt eine Komposition mit fest umrissenen, flächigen Formen: Frau, Tisch, Stuhl, Pflanzen in Blautönen sind vor einem monochrom roten Hintergrund angeordnet und lassen sich klar definieren. Rätselhaft bleibt der Blick der Frau – geht er in die Ferne oder ist er auf den Betrachter gerichtet? Worauf wartet sie?
Das Ölbild von Kostow, mit fast identischen Rot- und Blautönen, entzieht sich solch einfach angelegter Beschreibung. Pflanzen, eine tischartige Fläche, der Körper der Frau, all das lässt sich auch hier ausmachen, zum Teil aber mehr erahnen. Nicht nur das Auge hat viel zu hinterfragen, auch stößt der Blick auf symbolartige Formen, die es zu enträtseln gilt.
Im Gegensatz du der eng begrenzenden Malweise der Künstlerkollegin hat der Betrachter es hier mit einer gewissermaßen entgrenzten Malerei zu tun.
In anderen Bildern, vor allem denen, die im ersten Stock zu sehen sind, treibt der Maler diese Entgrenzung noch auf die Spitze: Was von weitem als eindeutiges Motiv, etwa als eine Stadtkulisse auszumachen ist, löst sich beim Nähertreten geradezu auf, der Betrachter verliert das Motiv buchstäblich aus den Augen und sieht nur noch pastose Farbflecke, amorph auf die Leinwand geworfen.
Unkompliziertes Vergnügen
Überwiegend bietet Kostow dem Ausstellungsbesucher aber mit seinen Meeresmotiven, den Stillleben und Schilderungen südlicher Lebensart (und daher dem hiesigen Betrachter meist als Urlaubserinnerung willkommen) dennoch ein unkompliziertes Kunstvergnügen mit leuchten Farben, lustvollen Pinselstrichen und heiteren Motiven, die hin und wieder in karikaturhafte Charakterisierungen münden, etwa bei Darstellungen eines Metzgers, eines Pianisten oder von Schach- und Kartenspielern.
Die Bilder von Isabel Leinhos dagegen, die sich nach ihren eigenen Worten am Surrealismus und Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin 1910 bis 1932 orientiert, sind erheblich kühler. Sie vereinen Aspekte der Volkskunst mit der Glätte urbaner Eleganz, etwa in der Kleidung der makellosen Frauenfiguren, und es ist weniger die Malweise als die Frage nach dem Fortgang der dargestellten Szenen, die den Betrachter beschäftigen mag.
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