Weststadthalle - Comedian Bülent Ceylan präsentierte vor 2000 Zuschauern sein neues Bühnenprogramm / Forderung an den Bürgermeister

Das „Luschtobjekt“ berauscht die Fans in Bensheim

Von 
Eric Horn
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Bensheim. Der Mann hat leicht reden. „Bensem, ich liebe Euch, aber Ihr braucht eine neue Halle“, ruft Bülent Ceylan. „Sagt das Euerem Oberbürgermeister. Sonst kommt ‘de Türk’ und reißt die Halle ab.“

Erstens: Bensheim hat gar keinen Oberbürgermeister, sondern „nur“ einen Bürgermeister. Und zweitens: Wenn in „Bensem“ ein städtisches Gebäude umgestaltet oder neu gebaut werden soll, kann sich das durchaus etwas länger hinziehen. Also lieber Ball flach halten in dieser Angelegenheit.

Noch ohne Abrissbirne

Am Freitagabend gastiert Bülent Ceylan, noch ohne Abrissbirne, dafür aber mit seinem neuen Programm „Luschtobjekt“, seinem zwölften, in der mit 2000 Besuchern ausverkauften Weststadthalle. Das Heimspiel entwickelt sich für den Mannheimer Comedian zu einem Triumphzug mit stellenweise ekstatischen Ausmaßen. „Das ist ja wie bei Hare-Krishna“, freut sich der 44-Jährige über die rauschhafte Stimmung auf den Rängen, die die Halle zwar nicht zum Einsturz, aber doch ins Wanken bringt.

Was findet Bülent eigentlich doof an der Weststadthalle? Die Akustik zum Beispiel. „Meine Techniker holen wirklich das Beste raus.“ Oder die sanitären Anlagen in der Garderobe beziehungsweise Umkleidekabine. Wenn Ceylan in der Weststadthalle auftritt, hat er stets einen Föhn im Gepäck, weil sich, er spricht aus Erfahrung, nie abschätzen lässt, welche Energien WC-Spülung oder Wasserhahn gerade entfalten. In der Pause war für ihn nach dem Händewaschen jedenfalls mal wieder eine Runde Kleiderföhnen angesagt. „Ich war komplett nass.“

Die Entwicklung von und zu einem „Luschtobjekt“ ist für Ceylan ein hartes Stück Arbeit gewesen. Acht Kilogramm hat er extra für die Tour abgenommen und sich Brust- und Rückenhaare entfernt. Nach frenetischer Eröffnung zu Heavy-Metal-Klängen dauert es nicht lange, bis er seine schwarze Lederjacke fallen lässt, oben rum komplett blank zieht und stolz den durchtrainierten Body inklusive Sixpack präsentiert.

„Luscht“ ist also das Thema. Klar, dass er ein paar Schlüpfrigkeiten, etwa über den „Balzruf“ von Männer in unterschiedlichen Kulturen, im Gepäck hat. Wichtig ist Ceylan in diesem Zusammenhang, auf die Bedeutung der Sexualaufklärung für Heranwachsende durch die Eltern hinzuweisen. Seine eigene Einführung fiel eher knapp aus. Seine Mutter, katholische Deutsche, wollte ihn während seines ersten körperlichen Erregungszustandes zum Arzt schleppen. Sein Vater, türkischer Muslime, sah das Ganze nicht so hart. „Fahrstuhl is’ normal.“

Das ganze Gerede von Lust schwappt teilweise auf Ceylans Figuren über. Vollpfosten Harald will das Recht auf Ehe für alle endlich auch für sich durchsetzen. Thor, die neue, mit blonder Mähne ausgestattete Schöpfung des Comedians, hat sich mit seinem großen Hammer offenbar ein paar Mal auf die eigene Birne gedroschen und bewegt sich intellektuell auf einer Stufe mit Harald.

Hausmeister Mompfred will von seiner „Bumpewasserzong“ doch wieder auf Waltraud umsteigen, muss als Gegenleistung dafür aber einen Integrationskurs für Flüchtlinge übernehmen. Macht er, der Mompfred und erklärt seinen Schülern die zwei wichtigsten Säulen des deutschen Gesellschaftsmodells: Hausordnung und Hausmeister.

Anneliese befürchtet Einbußen im Pelzhandel und denkt über die Gründung eines Bestattungsunternehmens nach: Mit Anneliese unter die Wiese. Proll Hassan ist jetzt Vater von Zwillingen und muss Kombi fahren. Den Frust darüber rappt er sich von der Seele.

Statement gegen Rechts

Musik spielt eine nicht unwesentliche Rolle an diesem Abend. Ceylan, im Vorjahr Finalist im TV-Format The Masked Singer, ist offenbar auf den Geschmack gekommen und erfreut seine enthusiastische Fangemeinde in Bensheim mit einem Stück Hochkultur: „Erstarrung“ aus Franz Schuberts Winterreise-Liederzyklus.

Heavy Metal, sein Lieblingsgenre, bedient er ausgiebig mit „Sweet Dreams“, „Atemlos“ und der Ballade „Nothing Else Matters“ – und er setzt mit „Freiheit“ (Marius Müller-Westernhagen) ein starkes politisches Statement gegen Rechtsextremismus. „Ich bekomme Angst“, sagt er mit Blick auf die jüngsten Ereignisse in Thüringen und singt tief bewegt: „Freiheit ist das Einzige, was zählt.“

Redaktion

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